Leicht gemacht hat es sich der Petitionsausschuss mit der Petition gegen die im August geplante Fahrpreiserhöhung im MDV nicht. Aber er hat sie trotzdem abgelehnt. Und der Vorsitzende des Petitionsausschusses, der Grünen-Stadtrat Michael Schmidt, hat es in der Ratsversammlung am 17. Juni auch öffentlich noch einmal ausführlich begründet, warum die Entscheidung nun genau so ausgefallen ist.

Die Petition sprach sich gegen weitere Steigerungen der Fahrpreise und die Aussetzung der für den 1. August geplanten Preiserhöhung im Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) aus. Stattdessen sollte bis zum 30. Juni der Entwurf eines neuen ÖPNV-Finanzierungskonzeptes erstellt werden, wobei es in keinem Falle zu einer Reduzierung des derzeitigen Angebotes im ÖPNV kommen soll.

Dieses Konzept – nur zur Erinnerung – sollte eigentlich schon lange vorliegen. Doch der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) tut sich mit der Erstellung schwer. Aus naturgegebenen Gründen. Denn anders als ein Zweckverband hat er nicht einfach ein bestimmtes Budget zur Verfügung, das er in seinem Verbundraum jährlich verplanen kann. Er vereint 19 verschiedene Verkehrsunternehmen in drei Bundesländern (Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt) mit acht verantwortlichen Landkreisen und Kreisfreien Städten, die – na ja – nicht wirklich alle mitreden wollen. Wenn es erst mal so weit wäre, könnte man ja darauf hoffen, dass sich in diesem Verbund etwas bewegt.

Die Tragik ist, dass sie alle auf ihre Gebietshoheit pochen. Und das hat mehrere fatale Folgen für die ÖPNV-Nutzer. Eine ist der wilde Flickenteppich aus Tarifen, der nur zum Teil kaschiert wird durch die überfassenden MDV-Tarife. Eine ist die kleinteilige Netzplanung, die in der Regel an der Landkreisgrenze endet.

Aktuell zu erleben an der Straßenbahnlinie 9, die der Landkreis Leipzig auf Markkleeberger Gebiet einfach kappen will im Gegenzug zu einer Verbesserung der Busverbindungen innerhalb Markkleebergs. Dass die Leipziger dabei einfach aus der Diskussion ausgeschlossen werden, obwohl der komplette Streckenast bis zum Forsthaus Raschwitz auf Leipziger Gebiet verläuft, hat gerade die nächste Petition ins Rollen gebracht.

Und eine dritte Negativ-Folge ist die Unfähigkeit des starren Verbundes, tatsächlich neue, übergreifende Finanzierungsmodelle zu entwickeln.

Was der MDV im Sommer 2014 vorlegte, war ja nicht das versprochene Konzept, sondern lediglich ein Gutachten, das noch einmal in allen Details aufzeigte, wie die Kosten im MDV aus dem Ruder laufen. Und die Einzigen, die zur Kasse gebeten werden, sind die Fahrgäste. Die zu recht sauer sind, weil die verantwortlichen politischen Instanzen sich um eine Anpassung der Kostenbeiträge drücken. Aber alle. Durch die Bank.

Das hatte auch die Leipziger Stadtverwaltung in ihrer Stellungnahme angeführt – aber eher beiläufig, damit es nicht so auffällt: „Die Finanzierung des ÖPNV richtet sich neben dem Umfang eigener Einnahmen des jeweiligen Verkehrsunternehmens maßgeblich nach dem Finanzierungsbeitrag der entsprechenden Aufgabenträger und anderen staatlichen Ebenen. Die erbrachten Verkehrsleistungen müssen sich deshalb auch an der finanziellen Leistungsfähigkeit des Aufgabenträgers – hier der Stadt Leipzig – orientieren.“

Tatsächlich hat die Stadt Leipzig die LVB noch vor wenigen Jahren mit mehr als 50 Millionen Euro finanziert, in Spitzenzeiten sogar mit 63 Millionen Euro. Doch mit dem Abschluss des neuen Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrages wurde der Zuschuss, den die LVB von der Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV) bekommt, auf 45 Millionen Euro gedrückt.

Die Sanierung der LVV, die damals im Jahr 2009 in schwerem Fahrwasser war, stand im Vordergrund. Die Stadtverwaltung tut auch im Jahr 2014 noch so, als hätte sich an der Lage nichts geändert: „Darüber hinaus sind die Eigentümerziele für die Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV) mbH zu beachten, die vorrangig und unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit eine konzerninterne Finanzierung vorsehen.“

Würde die Stadt ihren Finanzierungsanteil den jährlich steigenden Kosten der LVB wieder anpassen, würde auch ein anderes Argument aus der Verwaltungsstellungnahme nicht ziehen.

Denn wenn Leipzig 2015 aus dem allgemeinen Fahrpreisauftrieb im MDV aussteigen müsste, wären – so argumentiert die Stadt – die LVB nicht nur verpflichtet, den Fahrpreisausfall in Leipzig zu kompensieren, sondern auch den bei den anderen beteiligten Verkehrsunternehmen. Die Petition richtete sich ja gegen die Fahrpreiserhöhung im MDV, weil die Gesellschafterversammlung des MDV jedes Jahr die Preiserhöhung beschließt.

Wahrscheinlich hätte die Stadt bei einer Petition gegen die Fahrpreiserhöhung bei den LVB damit argumentiert, dass da nicht die LVB entscheiden, sondern der MDV.

Und in die MDV-Entscheidungen könne sich die Stadt nicht einmischen. Was freilich wieder nur ein Spiel über Bande ist. Genauso wie die Einschätzung zum 2014 vorgelegten MDV-Gutachten: „Die Studie zeigt neben den bereits zur Geltung kommenden Möglichkeiten wie der Erhöhung der Produktivität, moderate Tariferhöhungen, der Gewinnung neuer Fahrgäste und der Einnahme öffentlicher Mittel aus Bund, Ländern und Kommunen auch ergänzend Alternativen zur Finanzierung des ÖPNV in einem Maßnahmenmix auf.“

Wenn die Fahrpreiserhöhungen in Leipzig „moderat“ wären, hätte es keiner Petition bedurft, die von über 8.000 Leipzigern unterschrieben wurde.

Und die „Erhöhung der Produktivität“ haben die LVB in den letzten Jahren schon bis zum Anschlag ausgereizt. Tatsächlich zeigt das Gutachten genauso wie der jüngste Bilanzbericht der LVB, dass das jahrelange Drücken der Lohnkosten vorbei ist und auch beim LVB-Fahrpersonal deutliche Lohnkostensteigerungen zu erwarten sind.

Aber wer bezahlt die eigentlich, wenn die Stadt den Finanzierungsanteil bei 45 Millionen Euro deckelt? Und der Freistaat Sachsen die Regionalisierungsmittel für den ÖPNV zweckentfremdet und nicht an die Verkehrsverbände weitergibt? Die Kostensteigerungen landen komplett bei den Fahrgästen.

Michael Schmidt hofft innigst darauf, dass bis 2017 eine Lösung gefunden wird: „Der geforderte Entwurf eines ÖPNV-Finanzierungskonzeptes soll bis 2017 erarbeitet werden, sagt die Verwaltung, sagt auch der MDV …“ Und er fügte noch hinzu: „Ich denke auch, wir sind gut beraten, wenn wir in Ruhe an der Konzepterarbeitung mitwirken, insofern dies möglich ist. Schließlich wollen wir am Ende auch eine Lösung gegen die jährlichen Preisrunden bei LVB und MDV. Insofern denke ich, dass alle Fraktionen das Anliegen der Petenten erkannt haben und intensiv an Lösungsschritten mitwirken werden.“

Dabei findet auch seine Fraktion die Politik der Leipziger Stadtverwaltung bei der Finanzierung der LVB hanebüchen. Das kommentierte die Grünen-Fraktion am Mittwoch denn auch so:

„Der Petitionsausschuss meint, dass sich der Freistaat und auch die Stadt Leipzig zu einer auskömmlichen Finanzierung des ÖPNV bekennen müssen. Stattdessen wurden in den vergangenen Jahren Regionalisierungsmittel des Bundes durch den Freistaat zweckentfremdet, statt an die Verkehrsverbünde durchzureichen, und auch die Stadt hat mittels des Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrages die Bezuschussung der LVB von 60 auf 45 Millionen Euro pro Jahr reduziert. Die Finanzbedarfe mussten dann eben auch durch Fahrpreiserhöhungen gedeckt werden, eine Strategie, gegen die sich die Fraktion seit Jahren wendet.“

Nur ist nicht absehbar, dass die Konzepterarbeitung zum MDV 2017 etwas anderes ergeben wird, als dass die Bundesländer und die Kommunen wieder mehr Geld in ihre Verkehrsunternehmen geben müssen. Sie haben die Verkehrsunternehmen zu Sparschweinen gemacht, erwarten aber volle Leistung. Aber die wird Jahr um Jahr mit saftigen Aufschlägen auf die Fahrpreise bezahlt.

Die Rede von Michael Schmidt.

Die Stellungnahme der Leipziger Stadtverwaltung.

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Es soll nicht ganz vergessen werden, dass seinerzeit die LVB selbst sich dafür eingesetzt haben und stolz darauf waren, dass ihnen der Zuschuss letztlich um 25% gekürzt wurde.

Außerdem zeigt sich an der bundesweit durchaus (nett formuliert:) “unkonventionellen” Konstruktion des MDV im Vergleich zu anderen Verkehrsverbünden, dass in Leipzig nach wie vor bei jeder Gelegenheit versucht wird, das Rad ein zweites Mal zu erfinden. Auch wenn es jedesmal eher ein Sechseck wird.
Die Fehlkonstruktion des MDV, die über die Jahre auch immer mal thematisiert wurde, fällt nun allen auf die Füße.

Aber wen interessiert es wirklich? Im Jahre 2015 (nicht 1955) ist Leipzig im Vergleich zu zivilisierterten und fortschrittlicheren Großstädten eine rückständige Autofahrerstadt.

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