Seit 2. August sitzt Enrico Böhm (32) in Untersuchungshaft. Der NPD-Stadtrat soll auf dem Weg zu einer Kundgebung gemeinsam mit Lebensgefährtin Annemarie K. (29) einen Radfahrer angegriffen und verletzt haben. Da gegen den vielfach vorbestraften Kommunalpolitiker drei weitere Verfahren anhängig sind (L-IZ.de berichtete), erscheint Böhms Haftentlassung in naher Zukunft unwahrscheinlich. L-IZ.de hat sich erkundigt, wer den 32-Jährigen im Stadtrat ersetzen könnte.

Für die Durchführung der Kommunalwahlen ist in der Messestadt das Amt für Statistik und Wahlen zuständig. “Grundsätzlich werden frei werdende Sitze zunächst mit Nachrückern des Wahlvorschlages aus dem gleichen Wahlkreis in der Reihenfolge der erreichten Stimmenzahl besetzt. Erst wenn es in einem Wahlkreis keine Ersatzpersonen mehr gibt, werden Personen aus anderen Wahlkreisen berücksichtigt”, erklärt Abteilungsleiter Peter Dütthorn das Prozedere.

Zunächst müsste Böhm jedoch auf sein Mandat verzichten. Objektiv betrachtet macht dies Sinn. Der NPD-Stadtrat wurde Anfang Mai wegen der Attacke gegen eine Radfahrerin zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Die Entscheidung ist zwar nicht rechtskräftig. Dass bei der Berufungsverhandlung am 27. Oktober eine Bewährungsstrafe herauskommen wird, erscheint angesichts des ähnlichen Delikts, wegen dem Böhm zurzeit in Untersuchungshaft sitzt, aber unwahrscheinlich. Zwar könnte der Leipziger NPD-Vorsitzende aus dem Gefängnis heraus schriftliche Ratsanfragen einreichen. Einen Anspruch auf Freigang zu den Sitzungsterminen hat der Kommunalpolitiker nicht.

Wer könnte auf Böhm folgen?

Die nächste Ratsversammlung findet am 16. September statt. Da die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen des Vorfalls am 2. August noch nicht abgeschlossen hat, ist eine Verhandlung bis zu diesem Termin mehr als unrealistisch. Sollte Böhm das Ratsmandat nicht aus freien Stücken niederlegen, behält er den Sitz trotz Inhaftierung. Nach drei Monaten Abwesendheit verfällt lediglich der Anspruch auf die monatliche Grundentschädigung. Zwangsweise verliert der NPD-Politiker das Mandat, sollte er wegen eines Verbrechens zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt werden.

Erster Nachrücker wäre Niels Hönemann. Ob der Zählkandidat das Mandat annehmen würde, steht auf einem anderen Stern. Lehnt der Malermeister ab, käme mit Wolfram Kerzig ein weiteres unbeschriebenes Blatt in den Genuss. Denkbar wäre, dass die Partei den Versuch unternimmt, durch Mandatsverzichte einen wortgewandten “Wunschkandidaten” in den Ring zu schicken. In Frage käme beispielsweise Vorstandsvize Axel Radestock, der in Wahlkreis 7 eher mäßig abschnitt, aber in der letzten Zeit auch öffentlich für die Partei aufgetreten ist. Auf Nachfrage äußerte sich die NPD bisher nicht zu dem Thema.

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