So schnell sind Dinge Makulatur. Noch am Mittwoch, 26. August, ging Oberbürgermeister Burkhard Jung davon aus, dass Leipzig in diesem Jahr etwa 3.000 Asylbewerber unterbringen muss. Schon das ein heftiger Brocken für Leipzig, eine Zahl, die den OBM dazu bewog, extra eine Vorlage für den Stadtrat zu schreiben, mit dem ein Beschluss von 2012 in einem Teil aufgehoben wird.

Dabei war schon dieser Beschluss vom 18. Juli 2012 dem Umstand geschuldet, dass Leipzigs Asylbewerberzahlen stiegen und die Stadt das Tempo beim Schaffen neuer Unterkünfte steigern musste. Aber was 2012 wie ein Drama aussah, erweist sich mit der Entwicklung der Gegenwart als laues Lüftchen. Damals konnte die Verwaltung noch detailliert auflisten, welches Gebäude man in welchem Zeitabstand zum Bezug fertigstellen wollte. Mit 670 notwendigen Plätzen pro Jahr rechnete die Stadtverwaltung da noch.

Da konnte der OBM noch immer recht zeitnah berichten. Aber das ist nun drei Jahre später nicht mehr möglich. Und so teilt er dem Stadtrat mit, dass er Beschlusspunkt 4, Satz 1, der damaligen Vorlage außer Kraft setzt. Der Satz lautete: “Der Oberbürgermeister wird beauftragt, nach nochmaliger Prüfung der notwendigen Kapazität weitere Standorte für gemeinschaftliches Wohnen von Asylbewerber/-innen und Geduldeten vorzuschlagen.”

Für dieses Rückversichern ist gar kein Spielraum mehr. Auch Leipzig muss alle Kapazitäten erschließen, die derzeit zur Unterbringung von Asylsuchenden kurzfristig zu finden sind. Die Zahl von 670 Bewerbern ist sowieso obsolet. Und so heißt es jetzt in der Vorlage auch recht deutlich: “Obwohl in den genannten Jahren Zuwächse eingeplant wurden, nahm die Zahl der neu zugewiesenen Flüchtlinge tatsächlich in unvorhersehbarem Maße zu: nach 658 Flüchtlingen im Jahr 2013 kamen im vergangenen Jahr 1.232 Asylsuchende nach Leipzig. Für das Jahr 2015 geht die Prognose des Freistaates Sachsen gar von ca. 3.000 Menschen aus.”

Das war am Mittwoch, 26. August, noch Stand der Dinge.

Die neue, deutlich höhere Prognose

Doch am Freitag, 28. August, hat die Landesdirektion nun die neue Prognose der diesjährigen Asylbewerberzahlen für Sachsen vorgelegt – “deutlich nach oben korrigiert”, wie es da heißt.

Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geht jetzt von einer Steigerung der Asylantragszahlen auf 800.000 im laufenden Jahr aus. Noch im Mai des laufenden Jahres hatte das Bundesamt etwa 450.000 Asylanträge für das Gesamtjahr vorhergesagt. Die 3.000 für Leipzig basieren auf dieser Prognose vom Mai.

2014 waren vom BAMF für Deutschland insgesamt etwas mehr als 202.000 Asylanträge registriert worden. Nun kommt es 2015 gegenüber dem Vorjahr voraussichtlich zu einer Vervierfachung der Asylantragstellungen in Deutschland. Und das heißt auch: Gemäß der feststehenden Länderquote erhöht sich damit auch die Zahl der vom Freistaat Sachsen im Jahr 2015 aufzunehmenden Asylbegehrenden auf insgesamt rund 40.800.

Aufgrund der deutlich angehobenen Prognose des BAMF innerhalb des laufenden Jahres erhöht sich auch die Zahl der bis zum Jahresende von den Landkreisen und kreisfreien Städten in Sachsen aufzunehmenden Asylbewerber in erheblichem Umfang.

Für Leipzig – das aufgrund seiner Bevölkerungszahl 13,24 Prozent der Bewerber zugeteilt bekommt – erhöht sich nun die Zahl der unterzubringenden Asylbewerber auf 5.402.

Da kann nur noch im schnellstmöglichen Tempo alles hergerichtet werden, was sich schnell zu einer menschenwürdigen Unterkunft herrichten lässt. “Angesichts der enorm steigenden Zuweisungszahlen, dem parallel wachsenden Bedarf an Unterbringungskapazitäten sowie im Hinblick auf die infolge der unterjährigen Erhöhung der Zuweisungsprognosen kürzer werdenden Vorlaufzeiten ist eine zeitliche Reduzierung des Verfahrens zur Standortbestätigung dringend geboten”, heißt es in der OBM-Vorlage.

Finanzierung der Unterbringung von Asylsuchenden

Die Staatsregierung hatte schon am 21. August darauf hingewiesen, dass sich die Bewerberzahlen für den Freistaat derart deutlich erhöhen. Die Kommunen haben – nachdem die Asylsuchenden die Erstaufnahmeeinrichtungen im Freistaat durchlaufen haben, eine Pflicht, die Menschen, die zu ihnen geschickt werden, auch umgehend menschenwürdig unterzubringen. Aber schon vor Bekanntgabe der neuen Zahlen waren die Kommunen am Limit. Was dann die Staatsregierung dazu brachte, wenigstens eine kleine finanzielle Unterstützung dazuzugeben, damit die Kommunen auch die nötigen Unterkünfte aus dem Boden stampfen können.

30 Millionen Euro soll es 2015 geben, die selbe Summe auch 2016.

Aber tatsächlich ist das ein lächerlicher Betrag, der der Dimension der Aufgabe gar nicht angemessen ist. Anteilmäßig würde Leipzig knapp 4 Millionen Euro bekommen. Da wäre die Staatsregierung gut beraten, deutlich aufzustocken und auch mental umzuschalten. Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem gehandelt werden muss. Weiter darauf hoffen, dass die Tragödien im Norden Afrikas vielleicht abflauen, wäre schlichtweg blauäugig.

Die Erläuterung des OBM zu seinem Antrag.

Die neuen Zahlen für die Asylbewerberunterbringung in Sachsens Kommunen.

Der Beschluss von 2012.

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Es gibt 5 Kommentare

Was wollen Sie damit ausdrücken? Was stört Sie an meinen Darlegungen? Zählt nur ihre Sichtweise?

Sie sind doch sonst so schnell mit irgend welchen Argumenten.

Aber tatsächlich ist das ein lächerlicher Betrag, der der Dimension der Aufgabe gar nicht angemessen ist. Anteilmäßig würde Leipzig knapp 4 Millionen Euro bekommen.

Ich bedanke mich bei Ihnen, Herrn Julke, dass Sie bzw. die L – IZ sich einen der wichtigsten Themen (für mich das wichtigste) bei der Asylproblematik nähern – dem Geld. Nach meiner Ansicht ist es eine Frechheit, wie hier die Bürgerinnen und Bürger an der Nase herum geführt werden. Kaum einer spricht darüber, dass das viel Geld kostet- sehr viel Geld – Steuergeld.

Besonders nicht in Sachsen. In Leipzig gleich gar nicht. Auch viele dieser “Gutmenschen” – besonders in Leipzig – wollen davon nichts wissen. Vielleicht auch deshalb, weil nicht wenige davon kaum Geld haben. Irgend einer wird das schon bezahlen. Es sind doch genug Bananen für alle da. Richtig, aber nur im wunderschönen Leipziger Zoo.

In anderen Bundesländern machen in der Zwischenzeit Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte den Mund auf und warnen vor einer finanziellen Überforderung (ich sage finanziellen Katastrophe) der Länder und Kommunen, die längst eingetreten ist. Hinzuweisen ist beispielsweise auf den Brief des Erfurter Oberbürgermeisters an die Bundeskanzlerin.

Es ist das gute Recht des OBM unserer Stadt, morgen mit gegen Fremdenfeindlichkeit zu demonstrieren. Aber alles hat bekanntlich zwei Seiten. Damit meine ich, dass er dann auch den Arsch in der Hose haben muss, um zu zu sagen, dass auch Leipzig dieser Aufgabe finanziell nicht gewachsen ist. Allein mit demonstrieren kommt kein Geld in die Stadtkassen.

Längst hätten nicht nur der OBM, sondern auch der Stadtrat und der Beigeordnete für Finanzen dazu gegenüber den Leipzigern mit deutlichen Worten Stellung beziehen müssen. Weshalb ist das nicht geschehen? Wo leben wir denn eigentlich, wenn es in der Zwischenzeit wieder so ist, dass keiner den Mund aufmacht bzw. scheinbar aufmachen darf- besonders nicht in Sachsen bzw. Leipzig.

Gab es solche Zeiten nicht genügend in Deutschland?
Nun sind wir diesbezüglich wieder an einer gefährlichen Schwelle angekommen. Selbst Personen die logisch, sachlich und unpolitisch ihre Meinung zur Thematik Asylpolitik äußern, werden teilweise nach Strich und Faden beschimpft, wie das auch in Einzelfällen in der L – IZ geschieht. Nein, so kann und darf es nicht weiter gehen.

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