Die Idee lag irgendwie rum. Und so ungewöhnlich war sie ja nicht. In Dresden zeigt Yadegar Asisi dauerhaft das Panorama "Dresden im Barock – Mythos der sächsischen Residenzstadt". Die Dresdner und die Touristen sind begeistert, weil sie so ein Dresden bewundern können, wie es 1756 mal ausgesehen hat. Und da hat Asisi nun für Leipzig etwas Ähnliches geschaffen - aber zu sehen ist es nicht mehr.

Seit dem 3. Oktober hat das faszinierende Panoramabild “Great Barrier Reef” die eindrucksvolle Stadtlandschaft von “Leipzig 1813 – In den Wirren der Völkerschlacht” abgelöst. Seit 2013 war dieses Bild der vom Schlachtenlärm umtosten Stadt des Jahres 1813 zu sehen. Wer es besuchte, bekam nicht nur einen sehr emotionalen Eindruck einer Stadt, die unter den direkten und indirekten Folgen der größten Schlacht ihrer Zeit zu leiden hatte, der sah auch in perspektivischer Detailtreue die eng bebaute Stadt, wie sie 1813 war.

Ein Bild, wie es auch das Stadtmodell im Alten Rathaus so nicht bietet. Und ein Beispiel dafür, wie Asisis Panorama-Kunst wirkt und für die Besucher virtuelle Räume schafft, die wie eine kleine Zeitreise sind. Eigentlich genau das, womit man normalerweise im Stadtmarketing regelrecht wuchern könnte.

Das dachten sich auch die drei Stadträte der Grünen-Fraktion Nicole Lakowa, Norman Volger und Michael Schmidt. Ihr Antrag zum dauerhaften Erhalt des mittlerweile abgehängten Asisi-Panoramas zur Völkerschlacht hat in den letzten Monaten immer wieder auch die Öffentlichkeit beschäftigt. Samt etlichen Orakeln darüber, was das nun solle und wer das nun wieder bezahlen solle.

Dabei haben die drei vorher schon so weit nachgedacht über den Antrag, dass es am Ende ein selbsttragendes Projekt werden soll, so wie alle Projekte von Yadegar Asisi. Nur dass das Panorama-Bild nicht einfach wieder im Ausstellungszyklus im “Panometer” an der Richard-Lehmann-Straße auftaucht – gar nur zu diversen “Jubiläen”, wie es die weise Stellungnahme der Stadtverwaltung vorschlug. Da hatte man die Idee augenscheinlich nicht wirklich verstanden, das Panorama-Bild tatsächlich zu einer neuen, dauerhaften (Touristen-)Attraktion der Stadt zu machen.

Ein Bild, das nachdenklich machte: Asisis "Leipzig 1813". Foto: Ralf Julke
Ein Bild, das nachdenklich machte: Asisis “Leipzig 1813”. Foto: Ralf Julke

Möglichst in Nähe des Völkerschlachtdenkmals, hatten die drei vorgeschlagen, was eher schwierig wird, denn dort gibt es natürlich keinen existierenden Panorama-Bau. Sollte es dort zur Daueraufstellung kommen, müsste erst einer gebaut werden. Thematisch würde sich das Bild des von Schlachten umtobten Leipzig gut mit dem Denkmal verbinden, dem nun einmal diese sehr emotionale Seite der direkten Dramatik einer Stadt mitten in der Katastrophe fehlt. Wer das Denkmal besucht, dürfte durchaus auch neugierig sein auf das Erlebnis, vom Dach der Thomaskirche die Stadt von 1813 in ihrer Not zu erleben.

Am Mittwoch, 28. Oktober, als die Entscheidung im Stadtrat anstand, war es Michael Schmidt, der am Rednerpult für die Idee warb: “Stellen Sie sich bitte vor, Leipzig bekäme ein zweites Panometer, ausgestellt wird dort das Völkerschlacht-Panorama, Zehntausende von Menschen, Touristen wie auch Leipziger, besuchen dieses jährlich, bringen damit Geld in die Stadt und wecken ihr Interesse für weitergehende Besuche von Ausstellungen und Museen zur Leipziger Stadtgeschichte. Herr Asisi erwartet keine finanzielle oder personelle Bezuschussung durch die Stadt, er erwartet keine Betreibung oder Übernahme des Panoramas durch die Stadt.”

Und warum nicht doch ein schon existierendes Gebäude nutzen?

Michael Schmidt: “Warum also soll die Stadt nicht auf ihn zugehen und ihm beispielsweise das alte Gasometer hinter den Stadtwerken zur Nutzung anbieten? Können wir nicht froh sein, wenn sich die Chance bietet, diesem Stück Architekturgeschichte, welches sich nachweislich nicht für Wohnbebauung oder ähnliches eignet, wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und mit Leben zu füllen.”

Die Stadtwerke haben ja bekanntlich schon ergebnislos versucht, für das alte Gasometer an der Roscherstraße, das sie gerade erst aufwendig saniert haben, eine neue Nutzung zu finden. Und in die eher trostlose Roscherstraße könnte damit durchaus mehr Leben kommen.

Was die Grünen aber betonten (und was Yadegar Asisi oft genug fehlt) wäre eine echte Unterstützung durch das Leipziger Stadtmarketing (das am Mittwoch in der Diskussion um die LTM ebenfalls mehrfach sehr kritisch angesprochen wurde).

Jedenfalls bei der Entscheidung zum Panorama “Leipzig 1813” war am Mittwoch die Mehrheit der Stadträte dafür. Und damit ist die Verwaltung im Zugzwang, mit Yadegar Asisi einen Weg zu finden, das Panorama dauerhaft in Leipzig zu platzieren. Und Michael Schmidt nutzte die Gunst der Stunde auch gleich mal, dem Panorama-Künstler eine weitere Idee vorzutragen, so dass das neue Leipzig-Panorama sogar mit wechselnden Ausstellungen arbeiten könnte (so wie es in Dresden mit “Dresden 1945” passiert): Warum sollte es nicht auch noch ein Panorama zum Leipziger Herbst 1989 geben? Auch das wäre gleich ein Doppelthema wie die Völkerschlacht – ein garantiert auch aus der Vogelperspektive faszinierendes historisches Ereignis (100.000 Menschen auf dem Ring!) und die durchaus desolate Stadtkulisse von 1989, an die sich bald niemand mehr erinnern wird, weil sich die Stadt in 25 Jahren gewaltig verändert hat.

Jetzt kann man gespannt sein, ob der Funke auf die Verwaltung überspringt. Bei Yadegar Asisi muss man sich da keine Sorgen machen.

Die Rede von Michael Schmidt.

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