Es klang wie eine recht ausgefallene Idee, mit der die SPD-Stadträtin Katharina Schenk 2014 ihren Wahlkampf gestaltete: Mit einer Petition wollte sie die Unmenge der in Leipzig ausgereichten Plastiktüten reduzieren. Das blieb sogar beim Wähler hängen und sie holte sich ein Stadtratsmandat. Aus der Wahlkampfidee ist ein SPD-Antrag geworden. Und den findet Leipzigs Stadtverwaltung sogar gut. Aber.

Sie befürwortet den Antrag sogar im ganzen ersten Absatz. “In der Sache wird der Antrag der SPD-Fraktion ‘Leipzig ohne Plastetüten’ seitens der Verwaltung als Idee begrüßt. Für die untere Abfallbehörde ergeben sich für die behördliche Tätigkeit keine gesetzlichen Verpflichtungen im Hinblick auf den Antragsgegenstand.”

Denn das Anliegen hat ja seinen Grund und ist nur zu berechtigt: “Die Umsetzung der im Antrag beschriebenen Vorschläge ist ein Beitrag zum Umweltschutz, auch wenn die Problematik der Kunststofftüten in Deutschland aufgrund der stark entwickelten Abfallwirtschaft (Erfassung und Entsorgung) nicht in dem Maße relevant ist wie in anderen Mitgliedsstaaten bzw. in Ländern außerhalb der EU. In Deutschland sind Kosmetik- und Körperpflegeprodukte (Mikroplastik) sowie Kleidung (Fleecefasern) nach Angaben des Umweltbundesamtes die wesentlichen Herkünfte, die zur Belastung durch Kunststoffe in Gewässern und im Meer beitragen. Diese Stoffe werden in Kläranlagen nicht zurückgehalten.”

Aber bleibt es bei einer netten Zustimmung?

Da wird es dann spannend. Denn im Detail werden dann die Vorschläge der SPD-Fraktion einer nach dem anderen abgewogen, für zu leicht befunden und vom Tisch gewischt.

So hatte die SPD-Fraktion beantragt: “Die Stadtverwaltung erarbeitet bis Mitte 2016 ein Konzept, um das EU-weite Bestreben zur Reduktion von Kunststoffmüll, im Besonderen von Plastetüten, zu unterstützen.”

Kurze Rückhand aus dem Umweltdezernat: “Die Erarbeitung eines Konzeptes durch die Stadtverwaltung wird abgelehnt. In Teilbereichen kann das Umweltinformationszentrum zur Öffentlichkeitsarbeit und Weiterbildung einbezogen werden.”

SPD-Vorschlag: “Gründung eines runden Tisches zur Beratung konkreter Maßnahmen in enger Zusammenarbeit mit den umweltpolitisch aktiven Verbänden der Stadt Leipzig.”

Rückspiel aus dem Umweltdezernat: Bloß keine Extra-Arbeit für die Verwaltung. Also: “Der runde Tisch kann die Funktion des Ideengebers haben und muss außerbehördlich organisiert sein.”

SPD-Vorschlag: “Umstellung von Plastetüten auf aus recyceltem Papier hergestellte Tüten oder fair gehandelte Baumwollbeutel in allen städtischen Einrichtungen sowie in der Verwaltung der Stadt Leipzig.”

Plastiktüten bei der Stadt? Kann nicht sein, erwidert das Umweltdezernat: “Es ist nicht bekannt, dass Einrichtungen der Stadt und der Verwaltung davon betroffen sein könnten und beschaffte Plastetüten verwenden. Das Umweltinformationszentrum verwendet seit Jahren bereits Baumwollbeutel. Auch die Willkommenstüte für Neuleipziger, welche durch die Bürgerämter herausgegeben wird, besteht aus Papier.”

SPD-Vorschlag: “Aufnahme von Gesprächen mit dem Leipziger Einzelhandel mit dem Ziel, die Plastetütenausgabe, vor allem die kostenlose, messbar zu reduzieren und die gegenwärtigen Tüten durch nachhaltige Alternativen zu ersetzen sowie langfristig die Vergabe von Plastetüten vollkommen zu unterlassen.”

Wieso wir, fragt die Verwaltung: “Es sollte nicht die behördliche Aufgabe der Stadtverwaltung sein, derartige Gesprächsrunden zu organisieren und zu führen, da keine Zuständigkeit diesbezüglich angesiedelt ist.”

SPD-Vorschlag: “Entwicklung geeigneter Öffentlichkeitsarbeit in allen städtischen Bereichen.”

Naja, das könne man wohl machen, erwidert das Umweltdezernat: “Sowohl der Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig als auch das Umweltinformationszentrum haben ihre Bereitschaft hierzu ausgesprochen. Im Umweltinformationszentrum gibt es regelmäßig Angebote für Kindereinrichtungen und Schulen auch zum Thema Abfall, wie z. B. in den Herbstferien 2015 gemeinsam mit dem Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig zur Abfallvermeidung. – Aktuell erwirbt das Umweltinformationszentrum die Lizenz für eine Ausstellung zum Thema Plastetüten. Geplant sind dazu zum einen altersgerechte Angebote für Kindereinrichtungen und Schulen im Technischen Rathaus und zum anderen die Ausleihe für eigene Projekte vor Ort in den Einrichtungen. Das Umweltinformationszentrum ist bei Erarbeitung eines Konzeptes, insbesondere zu den Punkten Öffentlichkeitsarbeit sowie Kinder- und Schulprojekte, auf eigenen Wunsch einzubeziehen.”

Und am Ende gibt es dann noch eine kleine Rüge der Verwaltung für die SPD-Fraktion dafür, dass sie überhaupt so einen Antrag gestellt hat. Weiß man dort nicht, dass die Verwaltung schon viel zu viel zu tun hat und sich nicht auch noch um Plastiktüten kümmern kann?

Die Rüge: “Für die Stadtverwaltung ergeben sich im Zusammenhang mit dem Antragsgegenstand keine gesetzlich verpflichtenden Aufgaben. Die originär behördlichen Aufgaben, die gleichzeitig Pflichtaufgaben sind, haben Vorrang vor der Erfüllung von freiwilligen Aufgaben. Die personellen Ressourcen bieten derzeit jedoch keinerlei Spielraum für diese zusätzliche Befassung mit und die Umsetzung von freiwilligen Aufgaben.”

SPD-Antrag Plastetüten.

Die Ablehnung des Umweltdezernats.

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Es gibt 3 Kommentare

Ja Stefan, den meinte ich.
Ich denke, er ist der Oberbürgermeister der Stadt und somit der Dirigent des Orchesters.
Er muss die Instrumente nicht selbst beherrschen und spielen, aber den Musikern ihren Einsatz und die Art und Weise deren Spiels diktieren.
Wenn das Orchester also nur Scheixx spielt, trägt es nicht selbst daran Schuld, sondern der Dirigent, der das nicht korrigiert.

>unser Bürgermeister hält entweder die Fäden nicht in seinen Händen zusammen

also, wenn hier der Oberbürgermeister gemeint ist… ich glaube schon lange so, dass er nicht der durchschlagend alleinherrschende Dienstherr seiner Dezernenten (=Bürgermeister) und Amtsleiter sein.

Ich weiß wirklich nicht, was die Agenda des OBM Jung sein könnte, die seine Amtszeit prägen würde.

“Dezernat” zum einen heißt: “soll entscheiden”.
Wikipidia sagt: “Bei Stadtverwaltungen und Kreisverwaltungen hingegen sind die Dezernate vielfach die höchste Hierarchieebene, die von den demokratisch gewählten hauptamtlichen Beamten (Bürgermeister, Stadtrat, Landrat, Kreisbeigeordneter) als Dezernenten geleitet werden. Dem Dezernat sind mehrere kommunale Ämter oder Fachbereiche untergeordnet.”

Heißt wohl, unser Bürgermeister hält entweder die Fäden nicht in seinen Händen zusammen, oder die Schizophrenie aus Ablehnung unter Beifall, ist Programm.

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