Was kommt eigentlich dabei heraus, wenn man eine Meldung aus Sachsen verquirlt mit einer Meldung aus Brüssel? Nicht viel Gescheites, wenn man sich die Titelgeschichte der LVZ vom 7. Dezember anschaut. "EU will Waffenrecht verschärfen – Sachsens Schützen wehren sich", steht da in forscher Mitteilungsfreude. Und die Leipziger AfD springt darauf an, als wolle man gleich auch noch eine sächsische Tea Party beginnen.

Denn irgendwie fühlt man sich augenscheinlich bei der AfD gemeint, wenn es um strengere Regeln für Schusswaffen geht. Schon das dürfte Besorgnis erregen, nachdem eine Landtagsanfrage des innenpolitischen Sprechers der Grünen, Valentin Lippmann, ergab, dass augenscheinlich immer mehr Sachsen versuchen, einen Waffenschein zu bekommen. Dabei waren die Zahlen aus dem Innenministerium sogar noch lückenhaft, so lückenhaft, dass zu befürchten steht, dass noch viel mehr “besorgte Bürger” ihren Waffenschein gemacht haben, als amtlich ausgewiesen.

Vorhergehende Anfragen hatten auch schon ergeben, dass die Kontrollen durch die Behörden eher rudimentär sind und dass es wohl auch in Sachsen eine gehörige Dunkelziffer gibt, was den Besitz illegaler Waffen betrifft.

Dass die EU das Waffenrecht in Europa verschärfen will, ist nicht neu, auch wenn die LVZ das mit ihrem Artikel vom Montag suggeriert und die Vertreter der sächsischen Jäger und Sportschützen auftreten lässt, als müssten sie jetzt gleich nach dem blutigen Attentat in Paris ihre Waffen abgeben.

Und so interpretiert das augenscheinlich auch Siegbert Droese, der Kreisvorsitzende der Leipziger AfD, für sich, denn der LVZ-Redakteur hatte ja unüberlesbar geschrieben: “Grund sind Pläne der EU-Kommission, die in dieser Woche als Reaktion auf die Pariser Anschläge einen Aktionsplan beschließen will, der eine erhebliche Verschärfung des Waffenrechts zur Folge hätte.”

Und Droese, ganz besorgter Bürger, wirft sich in die Brust und ist empört: “Die Opfer der Pariser Anschläge werden missbraucht, für einen falschen und fragwürdigen Aktionismus der unfähigen EU-Bürokraten. Die wollen das Waffenrecht erheblich verschärfen. Die Bürokraten tun dabei so, als könne man in jedem Einkaufszentrum ein vollautomatisches Sturmgewehr kaufen. Der Erwerb einer scharfen Waffe ist bereits heute zurecht mit hohen Hürden verbunden. So ist eine Sachkundeprüfung abzulegen und jeder Interessierte wird durch die beteiligten Behörden äußerst genau überprüft bevor eine Waffenbesitzkarte (WBK) ausgestellt wird. Die ausgestellte WBK berechtigt, je nach Klasse, den Inhaber zum Erwerb von scharfen Waffen bei wiederum staatlich zertifizierten Händlern. Die ausgestellte WBK berechtigt in den allermeisten Fällen nicht, zum Führen der Waffe am Mann.” (Fehler im Original)

Da zeigt er sich erstaunlich gut informiert darüber, wie man in Sachsen zu seinem Waffenschein kommt.

Ob die beteiligten Behörden wirklich so äußerst genau prüfen, darf bezweifelt werden. Darauf deuten die Antworten, die die Abgeordneten im Sächsischen Landtag bekommen, nicht gerade hin. Das Problem ist – wie in Sachsen so oft: fehlende Prüfer, unterbesetzte Behörden.

Aber Siegbert Droese weiß noch einen Grund, warum aus seiner Sicht die Brüsseler Bürokratie daneben liegt: “Die Terroristen von Paris benutzen wohl vollautomatische Sturmgewehre. Der Besitz von Vollautomaten ist Privatpersonen in Deutschland verboten.”

Und dann betont er: “Die allermeisten Waffenbesitzer sind unbescholtene und gesetzestreue Bürger. Was auch regelmäßig von den Behörden geprüft wird. Eine Verschärfung des Waffenrechts ist daher unnötig. Wie so oft zeichnet sich die EU-Bürokratie durch blinden Aktionismus aus. Hierbei soll wahrlich mit Kanonen auf Spatzen geschossen werden. Die AfD lehnt eine Verschärfung der waffenrechtlichen Gesetzgebung ab.”

Schön.

Aber was heißt das wirklich? – Die erste Feststellung: An der Verschärfung des europäischen Waffenrechts arbeitet die EU mindestens schon seit 2013. Dazu hätte eine kleine Recherche im Internet genügt. Da wäre man zum Beispiel auch auf einen Beitrag in der “Welt” gestoßen, in dem einmal die Dimension des europäischen Waffenbesitzes deutlich wurde. Danach gab es 2013 schon 80 Millionen offiziell registriere Schusswaffen in Europa. Und was die Anfragen in Sachsen und Leipzig schon vermuten ließ: Auch in Deutschland befinden sich Millionen Schusswaffen in Privatbesitz. Rund 24 Millionen etwa.

Da kann man sich gern immer wieder sagen, dass das alles brave, anständige Bürger sind. Schon die schiere Zahl macht es praktisch unmöglich, überhaupt noch alles zu kontrollieren. Die EU ging damals davon aus, dass der Verbleib von einer halben Million Schusswaffen ungeklärt sei – diese Waffen also auf jeden Fall in keiner Kontrolle sind. Aber die Schätzungen der Gegenwart gehen eher von einer höheren Zahl im Millionenbereich aus, denn insbesondere der Verbleib von Waffen aus den Armeebeständen des ehemaligen Jugoslawien ist in großen Teilen ungeklärt. Und einige der Tatwaffen in Paris sollen wohl aus diesen Schwarzbeständen stammen.

Was aber bleibt, ist die Feststellung, wie lange die EU schon versucht, ein verschärftes Waffengesetz für Europa zustande zu bekommen. Augenscheinlich führen solche Vorfälle wie in Paris dazu, dass man sich immer wieder mit roten Ohren daran erinnert.

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