Zwei Monate, so findet jedenfalls die Leipziger Linksfraktion, sollten eigentlich genügen, zwischen Beschlussfassung und Arbeitsaufnahme. Im Oktober hat der Leipziger Stadtrat das neue Wohnungspolitische Konzept beschlossen, mit dem die Stadt auf das seit 2010 forcierte Bevölkerungswachstum reagieren soll. Denn an einigen Stellen drohen Engpässe am Wohnungsmarkt. Also wird jetzt nachgefragt.

In der Ratsversammlung am 20. Januar will die Linksfraktion jetzt wissen, ob die Stadtverwaltung überhaupt schon mal die Zahlen und den Bedarf erfasst hat. Denn das war ja einer der Streitpunkte in der Diskussion im Frühjahr und Sommer: Während einige Leipziger Netzwerk-Akteure Alarm schlugen, beschwichtigte die Stadtverwaltung lieber und sah noch keinen massiven Druck auf den Wohnungsmarkt – und damit auch noch keine Gentrifizierung oder Segregation in einzelnen Stadtteilen.

Trotzdem verankerte der Stadtratsbeschluss unter Punkt 3 ein ganzes Maßnahmenbündel, mit dem die Stadt endlich wieder in den sozialen Wohnungsbau einsteigen sollte – mit der stadteigenen LWB und den Genossenschaften als Partner.

Gleichzeitig wächst der Druck auf die Stadt. Mit einem Zuwachs von 15.975 Einwohnern – einem neuen Rekord für die letzten Jahre – hat sich das Tempo des Leipziger Bevölkerungswachstums noch einmal verstärkt. Höchste Zeit, so findet die Linksfraktion, jetzt endlich einmal den Bedarf für bezahlbaren Wohnraum zu erfassen.

“Am 28. Oktober vergangenen Jahres verabschiedete der Stadtrat das aktualisierte Wohnungspolitische Konzept, das unter Bevölkerungsbeteiligung und breiter Mitwirkung der Wohnungsmarktakteure in einem Workshopverfahren erarbeitet wurde”, heißt es nun in der Anfrage der Fraktion. “Dieses trägt der aktuellen Entwicklung Rechnung, die von beträchtlichem Bevölkerungswachstum durch Zuzug, anhaltend hohe Geburtenzahlen, aber auch durch den Zustrom von Asylbewerbern und Flüchtlingen bei gleichzeitigem Rückgang des Wohnungsleerstandes und Auslaufen der Sozialbindungen gekennzeichnet ist. Bei alledem vollzieht sich die Bevölkerungsentwicklung in den Stadtteilen nach wie vor sehr unterschiedlich, und der Prozess der sozialen Segregation setzt sich fort.”

Und so schließt sich die Anfrage nahtlos an entsprechende Forderungen aus dem Frühjahr 2015 an: Was passiert jetzt? Wartet die Stadtverwaltung auf den Tag, an dem der bezahlbare Wohnungsmarkt wirklich in sich zusammen fällt? Oder setzen sich jetzt wenigstens mal ein paar Leute hin und ermitteln die Größenordnung, die möglichen Partner und die möglichen Finanzierungsquellen?

Das Fragenpaket der Linksfraktion:

Welche aktuellen Anstrengungen unternimmt die Stadt, um die Schaffung von preiswerten und für alle bezahlbaren Wohnungen zu verstärken?
Wie werden die Akteure der Wohnungswirtschaft eingebunden?

Wie viele Wohnungen werden vom Wohnungsmarkt mit Mietkonditionen angeboten, die für ALG II- und Sozialhilfeempfänger durch die Kosten der Unterkunft abgedeckt sind?

Haben sich die drei Großstädte Dresden, Chemnitz und Leipzig auf ein gemeinsames Vorgehen für ein Landesförderprogramm zur Schaffung sozialgebundener Wohnungen durch Neubau bzw. grundhafte Sanierung nicht vermietbarer Wohnungen mit Bundesförderung verständigt?

An welchen Standorten wird die Stadt mit Konzeptvergaben beim Verkauf städtischer Grundstücke mit einem Anteil von Wohnungen mit Sozialbindung beginnen?

Welche Anstrengungen unternehmen die Universität und die Fachhochschulen zusammen mit dem Studentenwerk, um den Bedarf an Wohnheimplätzen abzudecken?

Wie viele bedarfsgerechte Wohnungen für Studenten bzw. Studenten-WG`s entstanden in den letzten Jahren neu?

Wer keine Zahlen hat, kann auch nicht planen. Und wer keine Förderung für sozialen Wohnraum bekommt, kann auch nicht sozial gerecht bauen. Was das Gegenteil von marktgerecht ist. Denn jene Mietinteressenten, die aufgrund ihrer oft staatlich garantiert hohen Einkommen auch Mieten von 6, 7 oder 10 Euro je Quadratmeter zahlen können, profitieren vom aktuellen Wohnungsbau in Leipzig. Der höherpreisige Geschosswohnungsbau boomt. Aber auch jene Genossenschaften wie die Lipsia, die sich jetzt mit Neubauplänen tragen, können im eigentlichen Wettbewerbssegment um die 5 Euro je Quadratmeter nicht planen. Dazu sind die Baukosten und die technischen Anforderungen durch den Gesetzgeber mittlerweile zu hoch. Aber bislang fehlt immer noch ein sächsisches Förderprogramm für sozialen Wohnungsbau. Insofern wäre ein Vorstoß der drei Großstädte, so ein Programm bei der sächsischen Regierung durchzusetzen, dringend gefragt.

Das 2015 beschlossene Wohnungspolitische Konzept.

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