Nicht nur Leipzigs Umweltschützer haben am Samstag, 13. Februar, unter dem Slogan „Leipzig, Divest Now!“ anlässlich des „Global Divestment Day“ für den Ausstieg aus der Kohleverstromung und aus Kohle-Investments demonstriert. Auch die Leipziger Grünen zeigten Flagge - und wundern sich, wie starrköpfig regionale Politiker noch immer ein Loblied auf die Kohle singen.

Es ist zwar so, dass Leipzigs Fernwärme zum größten Teil aus dem Kohlekraftwerk Lippendorf kommt. Aber es wäre geradezu närrisch, diese Abhängigkeit bis in alle Ewigkeit fortzuschreiben. Auch und gerade vor dem Hintergrund des durchaus engagierten Leipziger Klimaschutzprogramms.

Oder ist das wieder nur ein Feigenblatt, das bemänteln soll, dass die Stadt Leipzig die Reduktion des CO2-Ausstoßes gar nicht ernsthaft anpacken will?

Es sieht so aus, wenn sogar OBM Burkhard Jung für das Regionalforum Leipzig die am 11. Februar veröffentlichte Erklärung unterzeichnet hat.

„Um die Erderwärmung einzudämmen und die Ausbeutung fossiler Energieträger zu beenden, setzen sich inzwischen weltweit Menschen dafür ein, dass Investitionen in klimaschädliche Vermögensanlagen beendet werden (Divestment)“, erklärt dazu Anett Ludwig, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Leipzig. „Als Leipzigerinnen und Leipziger sind wir seit Jahrzehnten vom Braunkohleabbau, der Zerstörung von Orten und der Luftverschmutzung durch das Kraftwerk Lippendorf betroffen. Das Kraftwerk Lippendorf zählt zu den größten CO2-Emittenten in Deutschland und das obwohl Leipzig gleichzeitig mit seinem Energie- und Klimaschutzkonzept seine CO2-Emissionen bis 2040 mehr als halbieren will! Die Braunkohle setzt die Stadt und die Stadtwerke einem unabsehbaren Kostenrisiko aus.“

Womit sie ein Thema benennt, das die maßgeblichen Politiker in der Region einfach ausblenden, wenn sie immer wieder die Kohleverstromung als „Grundlast“ und „Übergangstechnologie“ anpreisen. Der Fall Vattenfall zeigt es im Grunde überdeutlich, wie schnell die Kohleverstromung in Zeiten niedriger Börsenpreise zum Verlustgeschäft geworden ist.

„Umso befremdlicher ist es, wenn einen Tag vor dem Global Divestment Day die Regionalforen Leipzig und Halle zusammen mit dem Oberbürgermeister Jung die Kohleverstromung in ihrer Erklärung lobpreisen“, merkt dazu Katharina Krefft, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Leipzig, an. „Der Braunkohleabbau ist zerstörerisch: er frisst Landschaft, überrollt Heimat und zersetzt Gemeinschaften. Herr Jung hat einfach nicht verstanden, was ‚Energiewende‘ bedeutet – so wird Leipzig nie Energiewendestadt.“

Schon heute ist die Kohleverstromung nicht mehr wirtschaftlich. Die Abhängigkeit der Leipziger von der fossilen und CO2-intensiven Fernwärme ist selbst verschuldet, indem Leipzig noch im Jahr 2013 einen 10-Jahres-Vertrag zur Fernwärmebelieferung aus Lippendorf unterzeichnet hat.

„Jetzt zu argumentieren, man müsse zur Kohle stehen, weil man davon abhängig sei, ist mehr als Augenwischerei“, findet Dr. Gerd Lippold, energiepolitischer Sprecher der bündnisgrünen Landtagsfraktion. „Die Volllaststundenzahl der Grundlastkraftwerke wie Lippendorf nimmt ab. Die Wärmeversorgung muss aber immer funktionieren. Also entstehen Leipzig Kosten für die eigene Absicherung mit Backup-Kapazität bzw. Wärmespeicher.“

So werde wieder einmal der Eindruck erweckt, Braunkohle liefere „billige“ Wärme oder „billigen“ Strom. Das sei bei externen Kosten von mehr als 10 ct/kWh (Quelle: Umweltbundesamt) nicht plausibel.

„Wenn Jung auf Lippendorf setzt, dann trägt er Mitverantwortung, wenn nach Heuersdorf ein weiteres 700-jähriges Dorf im Leipziger Südraum sinnlos bedroht wird“, so Dr. Gerd Lippold. Derzeit steht Pödelwitz im Leipziger Südraum auf der Abschussliste, obwohl die Kohle unter dem Dorf für den regulären Betrieb des Kraftwerks Lippendorf überhaupt nicht benötigt wird.

Auf dem Weltklimagipfel in Paris haben sich die Staaten im Dezember 2015 darauf verständigt, den Klimawandel auf unter 2 Grad zu begrenzen. Um das zu erreichen, darf der Großteil der fossilen Energieträger nicht verbrannt  werden. Wenn aber den Anlegern klar wird, dass ein großer Teil der fossilen Reserven gar nicht verbrannt werden darf, können die fossilen Energiekonzerne 40 bis 60 Prozent ihres Börsenwertes verlieren, stellt die HSBC-Studie der größten Bank Großbritanniens fest.

Nach Ansicht von Bündnis 90/Die Grünen ist die Kohleverstromung nicht mit den Klimaschutzzielen und den Anforderungen eines flexiblen und umweltverträglichen Energieversorgungssystems vereinbar. Deutschland müsste gemäß der internationalen Klimavereinbarung bis 2050 die Freisetzung klimaschädlicher Emissionen um 80 bis 95 Prozent senken. Dieses Ziel sei nur mit einer klimaneutralen Stromerzeugung erreichbar, also ohne Kohlekraftwerke.

Auf Stadtratsebene hat Bündnis 90/Die Grünen gerade nachgefragt, wie es um nachhaltige Finanzanlagen in Leipzig steht. Dabei wurde unter anderem bekannt, dass die Stadt mit ihrem Spezialfonds bei der Union Investment etwa 4 Millionen Euro in den Branchen fossile Energie und Grundstoffindustrie investiert. Gemessen am Gesamtvolumen der langfristigen Finanzanlagen der Stadt entspricht dies zwar nur einem Anteil von knapp 4 Prozent.

„Im Sinne einer nachhaltigen und klimaschonenden Umwelt und Zukunft hält unsere Fraktion jedoch jeden in fossile Energie investierten Euro für einen Euro zu viel!“, sagt Anett Ludwig. „Städte wie Münster haben gezeigt, dass Divestment auf kommunaler Ebene, ohne finanzielle Verluste funktionieren kann.“

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