Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ hat am Mittwoch einen Offenen Brief an den Stadtrat veröffentlicht, in dem die Leipziger Stadträte aufgefordert werden, an den Protesten gegen LEGIDA teilzunehmen. CDU-Stadtrat Ansbert Maciejewski antwortete daraufhin ablehnend auf Facebook. Neben den inhaltlichen Statements drängt sich bei der Debatte ebenfalls die Frage der Erzeugung von Öffentlichkeit durch soziale Netzwerke auf.

In den letzten Jahren spielen die sozialen Netzwerke eine immer größere Rolle. Viele Nutzer sind hier präsent. Ihre Lebenswelt spiegelt sich und spielt sich dort ab. Neben Katzenbildern werden tagesaktuelle Themen diskutiert und kommentiert. Das weltweit größte und wohl bedeutendste ist Facebook und versucht, mit diversen Strategien Nutzer an sich zu binden.

Warum dieser Umstand wichtig ist, sieht man an auch diesem kleinen Beispiel: Das Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“ hat im Rahmen der anhaltenden Debatte über LEGIDA einen Offenen Brief an den Stadtrat veröffentlicht.

„Wir erwarten Sie im Protest und den Aufruf Ihrer Partei, gemeinsam gegen völkische Gesinnungen wie bei LEGIDA vorzugehen“, heißt es darin gegenüber den Stadträten. Begründet wird die Aufforderung damit, dass Sachsen ein Problem mit Rechtsradikalismus hätte. „Gewalt, die in Worten anfängt und in Bränden endet“, so das Bündnis zu den anhaltenden Demonstrationen. „Das Problem mit Rechtsextremismus in Sachsen ist größer als viele – auch ich – es wahrhaben wollten“, pflichtete Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) zu den vergangenen Angriffen vor Flüchtlingsheimen in einer Debatte im Sächsischen Landtag bei.

Ansbert Maciejewski, CDU-Stadtrat in Leipzig, formulierte auf die Aufforderung eine Offene Antwort auf Facebook: „Ich werde ihr insofern folgen, als dass ich nach getaner Arbeit auf dem heimischen Sofa Platz nehmen werde“, so der Stadtrat. „Viele Menschen in meinem Umfeld haben die Nase voll davon, dass regelmäßig die Innenstadt durch Menschen lahmgelegt wird, die offenbar Freude daran gefunden haben, gegeneinander zu demonstrieren“, begründet er seine Ablehnung.

Der Unterton sei nötigend und würde nicht viele Menschen überzeugen. „Verschonen Sie mich bitte künftig mit derartigen Aufrufen“, beendet Maciejewski seine Antwort.

Von LEGIDA erntete er daraufhin ebenfalls auf Facebook Glückwünsche zum gesunden Menschenverstand. „Die sind so dämlich, dass sie nicht mal merken, dass sie selber auch gemeint sind“, so das CDU-Mitglied zu den Reaktionen der LEGIDA-Seitenbetreiber.

Doch worin liegen die Unterschiede der beiden Veröffentlichungen, abgesehen von deren Inhalten? Beide sind öffentlich zugänglich und können von jedem eingesehen werden. Beide können jedoch nicht ohne weiteres gefunden werden.

Facebook schafft Teilöffentlichkeit, nur wer im Netzwerk ist darf sie einsehen. Quelle: Facebook
Facebook schafft Teilöffentlichkeit, nur wer im Netzwerk ist, darf sie einsehen. Quelle: Facebook

Der Text von „Leipzig nimmt Platz“ wurde auf einem Blog veröffentlicht, wird daher von Suchmaschinenbetreibern untersucht und bei Anfragen berücksichtigt. Maciejewskis Antwort dagegen befindet sich auf seinem Facebook-Profil. Es ist ohne einen Facebook-Account nicht einsehbar. Möchte sich der Nutzer die Aktivitäten des Leipziger Stadtrates ansehen, muss man sich zunächst anmelden, demzufolge listen Suchmaschinen ebenfalls nicht die veröffentlichten Inhalte und sind nicht auffindbar. Nur wer die konkrete Adresse zum Beitrag kennt und keinen Zugang hat, kann sich den Beitrag ansehen.

Die Debatten sind wichtig, auch wie es die zustimmenden Rückmeldungen anderer Stadträte zu Maciejewskis Beitrag zeigen. Auf Anfrage, welche Bedeutung Facebook für die politische Arbeit hat, antwortet Maciejewski: „Das ist eine sehr interessante Frage, die ich für mich persönlich noch nicht hinreichend analysiert habe.“

„Ich würde mich hierzu der offiziellen Definition anschließen und ausführen, dass der Begriff der Teilöffentlichkeit unter anderem der Erkenntnis zu verdanken ist, dass es keine alles umfassende Öffentlichkeit gibt“, gibt der CDU-Stadtrat zu bedenken, „sondern eine Vielzahl von unterschiedlichen Öffentlichkeiten, die jeweils Teilbereiche des gesellschaftlichen Lebens umschreiben.“

Nachtrag 06.03.2016

Aufgrund der Beschwerde von Ansbert Maciejewski auf seinem Facebook-Profil und einer vermuteten Falschdarstellung seiner Person, sei hier im Folgenden die Anfrage an und die Antwort des Stadtrates dokumentiert. Eine förmliche Aufforderung zur Gegendarstellung, wie es das Presserecht einräumt, hat Herr Maciejewski gegenüber dem Autor bisher nicht eingefordert.

1. Welche Stellung nimmt für ihre politische Arbeit Facebook ein?

Das ist eine sehr interessante Frage, die ich für mich persönlich noch nicht hinreichend analysiert habe. Ich werde das aber, wenn Zeit ist, mal ins Auge fassen. Vielen Dank für die Anregung!

2. Wie schätzen sie die Erzeugung einer Teilöffentlichkeit für eine öffentliche Debatte ein?

Ich würde mich hierzu der offiziellen Definition anschließen und ausführen, dass der Begriff der Teilöffentlichkeit unter anderem der Erkenntnis zu verdanken ist, dass es keine alles umfassende Öffentlichkeit gibt, sondern eine Vielzahl von unterschiedlichen Öffentlichkeiten, die jeweils Teilbereiche des gesellschaftlichen Lebens umschreiben.

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Herr Maciejewski gefällt sich wohl in seinem markigen Spruch von seinem Sofa. Vielleicht sieht er sich in der Tradition von seinem ewigen Chef, Helmut Kohl, verwurzelt, der da einst vom “Druck der Straße” sprach.
(Es ging damals um die Anti-AKW-Demos, aber dank seines “Mädchens” sind die AKW wohl bald doch noch Geschichte…)

>„Viele Menschen in meinem Umfeld haben die Nase voll davon, dass regelmäßig die Innenstadt durch Menschen lahmgelegt wird, die offenbar Freude daran gefunden haben, gegeneinander zu demonstrieren“,

Abgesehen davon, dass Herr Maciejewski das Grundgesetz scheinbar nur für sich und sein “Umfeld” in Anspruch nimmt: Was kümmert ihn die Innenstadt, wenn er sowieso auf seinem Sofa sitzt und dort verantwortungslose Sprüche klopft?

Das Gelaber mit diesen Teilöffentlichkeiten und von wegen Facebook-Account kann er sich glatt schenken. Das ist kompletter Müll, was er sich da zusammenreimt, und zeigt nochmals, wie wenig (auch) er bei den berüchtigten “Privatsphäre”-Einstellungen bei facebook durchblickt.
Volksverhetzende Aussagen bleiben auch hinter einem Facebook-Account grundsätzlich strafbar – diese “Privatsphäre” müsste schon sehr eng eingestellt werden, um ähnlich straflos davonzukommen wie am Stammtisch oder auf dem heimischen Sofa.

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