„Strategische Liegenschaftspolitik“, was für ein schönes Zauberwort. Und so leer. Seit Jahren schreiben wir darüber. Da müssen wir selbst ins Archiv schauen, um zu sehen, welche skurrilen Blüten das trieb. Man wird ja so vergesslich im Galopp der Zeit. Im November 2013 ging es (schon) um Asylunterkünfte. Zwischendurch waren Schulen, Kitas und Wohnstandorte Thema. Und was hat sich getan?

Die Diskussion, die 2013 anhob, mündete im Juli 2015 in einen Stadtratsbeschluss „Änderung der strategischen Liegenschaftspolitik“, der – so betonen die Grünen jetzt –  ja eigentlich in einen Paradigmenwechsel münden sollte. Es sollte aufhören, dass Leipzigs Verwaltung erst panisch nach Grundstücken zu suchen beginnt, wenn das Problem schon fett auf der Matte steht. Und es war nicht der Zoff mit dem Land über den Standort der ersten Leipziger Erstaufnahmeeinrichtung, der das Thema auf den Tisch gebracht hat – vorher gärte es schon, weil Leipzig bei zwei wichtigen Grundstückskäufen patzte – oder versagte oder nicht konnte, oder wie man das nennen will: Sowohl beim Jahrtausendfeld als auch beim Gelände am Bayrischen Bahnhof bot ein privater Mitbewerber einfach mehr und kaufte die wertvollen Grundstücke, die Leipzig vor allem für Schulbau gebraucht hätte, der verdatterten Stadt vor der Nase weg.

Damit waren Schulprojekte, die den Bürgern schon als fest versprochen dargeboten worden waren, erst einmal Makulatur. Oder stecken – wie am Bayrischen Bahnhof – fest in einem zähen Verhandlungsgestrüpp. Aber auch an anderen Stellen der Stadt konnte Leipzig nicht mithalten, schlugen private Bieter zu – wie westlich vom Hauptbahnhof oder am Freiladebahnhof an der Eutritzscher Straße. Und hinter den Kulissen des Stadtrats kocht der Ärger, weil die Stadt ja nicht wirklich nackt dasteht. Ihre Unternehmenstöchter besitzen durchaus noch Grundstücke im ganzen Stadtgebiet. Die sollten eigentlich in der neuen Liegenschaftsstrategie der Stadt auftauchen, damit auch die Stadträte sehen, wo überall in der Stadt noch was geht.

Aber das für Frühjahr 2016 versprochene Konzept steht aus, mahnt jetzt die Grünen-Fraktion: „Unter anderem vor dem Hintergrund der rasant wachsenden Stadt hat die Ratsversammlung im Juli 2015 mit ihrem Beschluss ‚Änderung der strategischen Liegenschaftspolitik‘ (Vorlage: VI-A-01297) einen grundlegenden Paradigmenwechsel eingeleitet“, stellt die Fraktion fest und listet noch einmal auf, worum, es eigentlich geht:

„1. Der Oberbürgermeister wurde beauftragt, die 2003 vom Stadtrat beschlossene Strategie zur aktiven Liegenschaftspolitik der Stadt Leipzig  (RBIII-1281/03) zu aktualisieren.

  1. Der Oberbürgermeister wurde außerdem beauftragt, durch ein geeignetes Verfahren sicherzustellen, dass Flächen/Grundstücke städtischer Beteiligungsunternehmen, die zur Erfüllung des Unternehmenszwecks nicht erforderlich sind, vor einer beabsichtigten Vermarktung darauf geprüft werden, ob sie zur Erfüllung anderer öffentlicher Aufgaben von erheblicher stadtstrategischer Bedeutung und geeignet sind. Das Verfahren sollte bis zum I. Quartal 2016 dem Stadtrat vorgelegt werden.
  2. Zur Umsetzung des Beschlusspunktes 1. sowie des Ratsbeschlusses A-567/14 (Konzeptvergabe) wurde außerdem beschlossen: die Verwaltung wird bis zum I. Quartal 2016 eine Vorlage zur ergänzten Strategischen Liegenschaftspolitik einbringen, die auch das Ergebnis einer Überprüfung der die Zusammenführung wohnungspolitisch wichtiger Bestände bei der LWB enthalten wird.“

Und nun? Die Grünen: „Der Ratsbeschluss wurde in den oben genannten Punkten seitens des federführenden Dezernates Wirtschaft und Arbeit bis heute nicht umgesetzt.“

Dabei hat Leipzig ja keine Zeit mehr. Man ist längst bei allen Themen der „wachsenden Stadt“ in Verzug. Bei den Kindertagesstätten (da wollte man es ja 2015 endlich schaffen – doch die steigenden Geburtenzahlen haben dem einen Strich durch die Rechnung gemacht), bei Schulen hängt man jetzt drei Jahre hinterher, beim sozialen Wohnungsbau (den man ja gern mit den LWB angehen wollte) sind es zwei Jahre. Der Stau wird immer größer, wurde 2015 durch die Erfordernisse der Asylunterbringung noch verstärkt.

Logisch, dass die Grünen jetzt hibbelig werden und sich fragen, warum die Verwaltung so ein Konzept nicht binnen eines Jahres auf die Reihe bekommt.

Die Fragen und Antworten werden dann den Stadtrat am 22. Juni erfreuen.

Hier sind sie:

Weshalb wurde die Fortschreibung des Strategiepapiers zur aktiven Liegenschaftspolitik dem Stadtrat bis heute nicht zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt? Welche Verzögerungsgründe gibt es?
     
Welcher aktuelle Sach- und Bearbeitungsstand kann dem Stadtrat in Bezug auf Beschlusspunkt 2. mitgeteilt werden? Welche Möglichkeiten werden derzeit hinsichtlich einer von der Verwaltung selbst vorgeschlagenen Etablierung eines Standardverfahrens zur liegenschaftspolitischen Einzelfallprüfung von zum Verkauf vorgesehenen Grundstücken von Beteiligungsunternehmen erörtert?

Mit Fortschreibung des Wohnungspolitischen Konzeptes im Oktober 2015 hat der Stadtrat klarstellend die Einführung der Konzeptvergabe beschlossen. Im Konzept heißt es dazu unter anderem: „Für die Ausschreibung geeigneter städtischer Liegenschaften werden konkrete Kriterien und Verfahrensvorschläge von einem Runden Tisch erarbeitet und dem Stadtrat im 2. Quartal 2016 zum Beschluss vorgelegt. Anhand von 2 bis 4 Beispielen werden 2015/2016 bei der Veräußerung geeigneter Grundstücke und Gebäude die vorgeschlagenen Kriterien und Regularien getestet und anschließend evaluiert.“

Weshalb wurde Beschlusspunkt 3. auch unter Berücksichtigung des im Oktober 2015 beschlossenen Wohnungspolitischen Konzeptes bis heute nicht umgesetzt? Welcher aktuelle Sach- und Bearbeitungsstand kann dem Stadtrat hierzu mitgeteilt werden?
     
Wann kann davon ausgegangen werden, dass anhand von 2 bis 4 Beispielen bei der Veräußerung geeigneter Grundstücke und Gebäude die vorgeschlagenen Kriterien und Regularien getestet und anschließend evaluiert werden?
     
Wann ist damit zu rechnen, dass dem Stadtrat eine Vorlage zur Aufhebung des Ratsbeschlusses RBIII-1281/03 sowie zur Aktualisierung der strategischen Liegenschaftspolitik zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt wird?

Der Beschluss vom Juli 2015 zum Nachlesen.

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