Es ist ein alter Kasten - 1899 bis 1905 nach Plänen von Stadtbaurat Hugo Licht gebaut: Leipzigs Neues Rathaus. Das sieht für Besucher recht prächtig aus. Aber für Menschen mit Handicaps kann der riesige Bau frustrierend sein. Was die modernen Ansprüche an Barrierefreiheit betrifft, fehlt es an allen Ecken und Enden. Das hat CDU-Stadtrat Konrad Riedel jetzt zu einem ganz persönlichen Antrag gemacht.

„Sehr zögerlich, ausweichend und mit den üblichen Totschlagargumenten ‚kein Geld‘, ‚Denkmalschutz lässt es nicht zu‘ und man wird wieder einmal prüfen, antwortete Bürgermeisterin Dubrau in der Ratsversammlung am 22. Juni auf eine Nachfrage der CDU-Fraktion zu einer am 7. Mai (!) von Behindertenverbänden Leipzigs abgegebenen Auflistung von Barrieren im Öffentlichen Raum“, sagte Riedel, als er den Antrag einreichte. „Obwohl die Stadt mit Ratsbeschluss in den 1990iger Jahren unter OB Tiefensee – als dieser übrigens als Präsident von Intercitys kandidierte – dem Abkommen von Barcelona zur Barrierefreien Stadt beigetreten ist und die Bundesrepublik vor Jahren die UN-Menschenrechts-Konvention zur Barrierefreiheit unterzeichnet hat, bestimmen in Leipzig die Stadtkasse und der Denkmalschutz, ob und wie Menschenrecht umgesetzt wird. Dabei handelt es sich um ein gesetzlich verbrieftes Recht und NICHT um eine freiwillige Aufgabe der Stadt.“

Und dabei geht es nicht nur um Barrierefreiheit für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Die kommen eh nur über einen Seiteneingang ins Haus. Die Haupttreppe ist für sie gar nicht passierbar.

Aber diese Blindheit ist irgendwie bei Planern noch immer genauso vorhanden wie 1905, als sich kein Baumeister darum kümmerte, ob die prächtigen Stufen seiner Bauten auch von Rollstuhlfahrern oder mit Kinderwagen überwunden werden können.

Konrad Riedel: „Angesichts des am Dienstag beschlossenen Bundesteilhabegesetzes ist es doppelt dreist, dass sich die Stadt sogar Neubauten, die nicht barrierefrei, leistet. Nur einige Beispiele: Treppe im Fußgängerdurchgang Hauptbahnhof, Stadthafen, verschiedene neu erbaute bzw. modernisierte Straßenbahnhaltestellen. –  Diese Ignoranz von Gesetzen und Diskriminierung Behinderter muss ein Ende haben. Mit meinem Antrag soll sich im Leipziger Rathaus endlich etwas bewegen und zumindest dort endlich die Barrierefreiheit vollständig umgesetzt werden – denn auch Behinderte haben ein Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, wie es Bundesregierung und Bundestag gerade wieder bekräftigten.“

In seinem Antrag geht er auch darauf ein, dass es auch jenseits des alten Hugo-Licht-Baus mit der Barrierefreiheit klemmt.

„Im Übrigen beinhaltet Barrierefreiheit nicht nur die baulichen Anliegen, sondern auch Kommunikation und Information: Internet-Auftritt (sollte durch die Deutsche Blindenbücherei schon längst zertifiziert sein), Leichte Sprache, Gebärdensprache, Blindenleitsysteme (Fahrstuhl, Zimmerbeschriftung, Brailleschrift)“, formuliert Riedel. Was schon verblüfft. Denn städtische Museen haben längst erkannt, dass man besonderen Besuchergruppen das Leben nicht schwer machen darf, indem man ihnen Informationen vorenthält. Da sind Beschriftungen in Brailleschrift längst Standard.

Zumindest erwartet Konrad Riedel, dass die Stadtverwaltung bis Dezember in der Lage ist, ein Konzept aufzulegen, in dem steht, was man ändern kann und will und was es kostet. Wenn es um Geld geht, muss eh wieder die Ratsversammlung entscheiden.

Der Antrag von Konrad Riedel.

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