Seit etwas länger als ein Jahr gibt es in Leipzig eine Vertretung für Jugendliche unter 22 Jahren: das monatlich tagende Jugendparlament. Bereits seine Einrichtung war von Kontroversen begleitet, nach einer Findungsphase folgten erste Anträge und thematische Redebeiträge vom Vorsitzenden William Rambow im Leipziger Stadtrat. Seit der vergangenen Stadtratssitzung sah sich das Gremium neben sachlicher Kritik auch teils ätzender Kritik ausgesetzt.

Wenn Jugendliche sich politisch engagieren, dann ist das in der Regel für die meisten Menschen ein Grund zur Freude. Einige sind in den Jugendorganisationen von Parteien aktiv, andere versuchen in Vereinen, Verbänden und anderen politischen Gruppen etwas zu bewegen. In Leipzig gibt es seit Anfang 2015 die Institution des Jugendparlaments. Dieses versteht sich als Vertretung aller Jugendlichen der Stadt im Alter von 14 bis 21 Jahren. Doch seit in der vergangenen Stadtratssitzung im Juni über den ersten Antrag des Jugendparlaments abgestimmt wurde, steht das Gremium von verschiedenen Seiten unter Beschuss.

Anlass der anhaltenden Diskussionen war unter anderem der Antrag des Jugendparlaments, sogenannte Pfandringe an Papierkörben anzubringen. Diese sollen es ermöglichen, geleerte Pfandflaschen an der Außenseite von Abfalleimern anzubringen, sodass Bedürftige diese ohne Mühen an sich nehmen können. Derzeit müssen sie im Müll herumwühlen – was nach Ansicht des Jugendparlaments nicht nur entwürdigend, sondern mit Blick auf spitze Gegenstände auch gefährlich ist.

Die Stadtverwaltung fand wenig Gefallen an diesem Antrag: Zu teuer sei die Umsetzung und den gewünschten Effekt hätte es auch nicht. Dies zeigten Beispiele aus anderen Städten, in denen es letztlich gar nicht den wirklich Bedürftigen zugutegekommen sei. Das Jugendparlament nahm sich die Kritik zu Herzen und überarbeitete seinen Antrag: Nun sollte die Stadtverwaltung lediglich verschiedene Varianten hinsichtlich des Finanzbedarfs sowie der Wirksam- und praktischen Umsetzbarkeit prüfen. Linke und Grüne stimmten dem Vorschlag mehrheitlich zu – CDU, SPD und AfD waren dagegen. Damit fand der Antrag keine Mehrheit.

Am selben Tag musste der Stadtrat auch darüber entscheiden, in welchem Maße das Jugendparlament zukünftig pädagogisch betreut werden soll. Die Jugendlichen wünschten sich eine Vollzeitstelle, die nur auf sie zugeschnitten ist. Letztlich bekamen sie eine ganze Stelle – allerdings wird sich die zuständige Person nicht nur mit dem Jugendparlament beschäftigen.

Rund um die Debatte über die beiden Anträge ergaben sich zahlreiche Wortmeldungen aus verschiedenen Fraktionen. Insbesondere Vertreter der CDU stellten die Arbeit des Jugendparlaments infrage. Stadtrat Michael Weickert etwa kritisierte die geringe Beteiligung bei der ersten Wahl sowie zu wenige Themen, mit denen das Jugendparlament bislang in Erscheinung getreten sei.

Abstimmung im Stadtrat. Am Ende ging die Mehrheit gegen die Linie 9 Richtung Markkleeberg. Foto: L-IZ.de
Im Stadtrat gab es zuletzt Kontroversen um das Jugendparlament. Foto: L-IZ.de

William Rambow ist Mitglied im Jugendparlament und bringt dessen Anliegen als Vorsitzender des Jugendbeirates in den Stadtrat. Die Kritik an der geringen Wahlbeteiligung sei nachvollziehbar, jene an der Themensetzung hingegen nicht. Er zählt auf: „Wir haben uns für den Bestand der Linie 9 eingesetzt, uns mit Anträgen zu Spielplätzen auseinandergesetzt, Veranstaltungen zu jungen Geflüchteten und zu Sexismus in der Schule organisiert und aktuell arbeiten wir an einem Antrag zu öffentlichen Sportplätzen.“ Rambow wirbt um Verständnis dafür, dass viele Mitglieder noch zur Schule gingen und vor ihrer Tätigkeit im Jugendparlament politisch nicht aktiv gewesen seien. Nur wenige Mitglieder seien derzeit in Parteien organisiert. Der Arbeit des Jugendparlaments seien also Grenzen gesetzt, zumal die Mitglieder – im Gegensatz zu jenen des Stadtrates – nur eine kleine Aufwandsentschädigung erhielten.

Kritik kam aber nicht nur von der CDU, sondern auch aus der Linksfraktion. Stadträtin Naomi-Pia Witte stellte einen Änderungsantrag, wonach auch „Tupperdosen“ für Essensreste an Mülleimern anzubringen seien. Da dieser satirisch gemeint war, zog sie ihn noch während der Sitzung zurück. Beim Jugendparlament kam dieser Beitrag nicht sonderlich gut an. „Wir wussten am Anfang nicht genau, was wir damit anfangen sollen“, erklärt Rambow. „Das war eher beleidigend als witzig.“

Selbst in der eigenen Fraktion gibt es Kritik für den Änderungsantrag. So beklagte Juliane Nagel in einer Pressemitteilung den „Umgang von Stadträtinnen und Stadträten mit den jungen Leuten“, ohne konkrete Personen zu benennen. Auf Nachfrage ergänzt sie: „Gemeint sind vor allem die abfälligen und belehrenden Bemerkungen der CDU, die sich gegen das Jugendparlament an sich richteten.“ Gemeint sei aber auch der Umgang durch ihre Fraktionskollegin Witte. „Wiewohl man Kritik an Pfandringen als unwirksames Instrument zur Armutsbekämpfung üben kann, war die Art und Weise, wie sie es getan hat, schlicht und einfach herablassend. So darf man nicht mit jungen engagierten Menschen umgehen.“

Konstruktiver als Witte äußerte sich die Junge Union Leipzig, die Nachwuchsorganisation der CDU. Sie präsentierte einen mehrere Punkte umfassenden Katalog an Vorschlägen beziehungsweise Forderungen, darunter: die Bildung von Fraktionen zuzulassen, die Legislaturperiode von zwei Jahren auf eins zu verkürzen und einen festen Wahltag einzuführen. Der letzte Vorschlag findet bei Rambow durchaus Zustimmung. Eine verkürzte Legislatur sieht er jedoch kritisch: „Das Jugendparlament befände sich dann dauerhaft im Wahlkampfmodus.“ Zudem würden sich die meisten Mitglieder erst nach ihrer Wahl kennenlernen – sie benötigten somit eine gewisse Einarbeitungszeit. Dies spräche, so Rambow, auch gegen die Bildung von Fraktionen.

Gut möglich, dass sich Junge Union und Jugendparlament, in dem sich auch Mitglieder des CDU-Nachwuchses befinden, demnächst gemeinsam an einen Tisch setzen. In der Vergangenheit waren entsprechende Versuche offenbar nur an Kleinigkeiten gescheitert.

In die Diskussion um das Jugendparlament hat sich in gewisser Weise auch die Junge Alternative Leipzig, also die seit einigen Monaten existierende Nachwuchsorganisation der AfD, eingeschaltet. Unter einem Facebookbeitrag der Jungen Union kommentierte sie: „Das Jugendparlament ist der kleine, genauso missratene Bruder des Stura der Uni Leipzig. Braucht kein Mensch!“ Das sehen – trotz geringer Wahlbeteiligung und mancher Kritik an der Arbeitsweise – viele Menschen in Leipzig anders.

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