Am Mittwoch, 21. September, hat Finanzbürgermeister Torsten Bonew im Stadtrat den Haushaltsplanentwurf für die Jahre 2017/2018 vorgestellt. Mit 1,7 Milliarden Euro erreichen die darin enthaltenen Jahreshaushalte neue Rekordhöhen. Und dennoch wird es knapp, reicht der Investitionsrahmen nicht und beim Personal muss die Bremse eingelegt werden.

Dabei will OBM Burkhard Jung bei den Investitionen eigentlich aufs Gaspedal treten. Dass mindestens 200 Millionen Euro drin sind, das war seine Grundbedingung, als er die Stadtverwaltung im Februar in die Haushaltsdiskussion schickte. Lange Zeit waren 120 Millionen Euro in Leipzig der Normalzustand. Viel zu wenig, um den milliardenhohen Investitionsstau abzuarbeiten. 2013 gab’s mal einen Ausreißer auf 191 Millionen. Aber in den Folgejahren waren 150 Millionen das Maximum dessen, was Jung aus dem Leipziger Haushalt herausquetschen konnte. Bei weitem nicht genug, wie jeder sah bei Kita-, Schul- und Straßenbau.

Und beim Schulbau brennt mittlerweile die Luft. Viele Projekte haben sich verzögert, Schulen werden um Jahre später fertig. Deswegen hat der Schulbau im neuen Investitionsprogramm oberste Priorität. Die Bausumme für Schulen wird praktisch verdoppelt. Für Kitas und Schulen zusammen stehen erstmals über 100 Millionen Euro im Plan.

Und dabei könne Leipzig noch froh sein, sagt Jung. Es ist eine wachsende Stadt. Aber das bringt Wachstumsschmerzen mit sich: Die Einnahmen steigen nicht so schnell wie die Kosten. Nicht nur beim Bau von Schulen und Kitas. Auch mehr Personal muss eingestellt werden – bis zu 300 neue Mitarbeiter in den nächsten Jahren. Parallel steigen die Lohnkosten. 46 Millionen Euro mehr werden es allein 2017 sein – insgesamt 403 Millionen Euro. „Der größte Posten im Etat“, sagt der OBM. 2018 sind es noch einmal 20 Millionen Euro mehr.

Dagegen sieht auf den ersten Blick auch der Kita-Etat bescheiden aus: 266 Millionen Euro sind da 2017 angesetzt. Eigentlich ein Posten, auf den Leipzig stolz sein könne, so Torsten Bonew. Nirgendwo werde deutlicher, dass Leipzig eine wachsende Stadt ist. Aber seit zehn Jahren hat der Freistaat seine Drittel-Finanzierung der Kita-Betreuung eingefroren. „Mittlerweile zahlt die Stadt über 50 Prozent“, sagt Jung. Das schlägt ins Kontor. Denn auch alle anderen sozialen Kosten steigen. Bei Kosten der Unterkunft genauso wie bei der Asylunterbringung.

Dabei sinkt doch die Arbeitslosigkeit in Leipzig, wie kann das sein?

Es sei dann wohl doch so, versucht sich Burkhard Jung das Problem zu erklären, dass der Zuwachs an neuen Arbeitsplätzen, der die Leipziger Entwicklung vorantreibt, vor allem Zuwandernden zugute kommt. Sie sind jung, gut ausgebildet und bekommen den Zuschlag zuerst, wenn sie sich bewerben. Die Leipziger Langzeitarbeitslosen bleiben draußen, der Sockel der Bedarfsgemeinschaften schmilzt nur ganz langsam ab.

Da ist es sogar ein Glücksfall, dass Leipzig wächst. „Und das tut es nur, weil immer neue Arbeitsplätze entstehen“, sagt Jung. Ohne neue Arbeitsplätze kein Bevölkerungswachstum.

Deswegen plant er auch nicht mit den 620.000 Einwohnern, die das Landesamt für Statistik für 2030 für Leipzig prognostiziert, sondern mit 700.000.

„Ob es genau so kommt, weiß ich auch nicht.“

Aber für ihn hängt alles miteinander zusammen: neue Arbeitsplätze, neue Einwohner, steigende Steuereinnahmen.

Der starke Sprung in den städtischen Einnahmen hat genau damit zu tun: Die Einahmen aus der Gewerbesteuer steigen, die Einnahmen aus der Grundsteuer, die Anteile aus Einkommens- und Umsatzsteuer. Nahm Leipzig 2015 noch 548 Millionen Euro Steuern ein, rechnet der Finanzbürgermeister in diesem Jahr mit 555 Millionen und 2017 schon mal mit 595 Millionen. Gleichzeitig profitiert Leipzig auch davon, dass die Wirtschaft im Bund und im Land brummt. Also steigen auch die Zuweisungen aus Berlin und Dresden. Letztere heiß umkämpft.

Und dann hängen viele Zuweisungen auch schlicht von der Bevölkerungszahl ab. Das erst macht den Sprung von 1,48 auf 1,73 Milliarden Euro möglich, die Leipzig 2017 ausgeben kann – und muss. Denn die Kosten steigen mit. Ob es bei der Asylunterbringung so rasant weitergeht, weiß niemand. „Das ist der unsicherste Posten“, sagt Bonew. Mit 2.500 Unterzubringenden rechnet Leipzig im nächsten Jahr. „Aber schon ein einziges Ereignis auf internationaler Bühne kann alle Planung zunichte machen“, so Bonew.

Dabei ist das finanzielle Techtelmechtel von 2016 noch nicht einmal abgearbeitet. Augenblicklich schiebt Leipzig für das Jahr 2016 ein Minus von 67 Millionen Euro vor sich her. Darin stecken 32 Millionen Euro, die die Stadt vom Freistaat bei der Asylunterbringung nicht ersetzt bekommen hat, also aus eigener Tasche berappen muss. Oder irgendwo zusammenkratzen, was nur in beschränktem Maß möglich ist, denn schon seit dem 1. Januar herrscht Haushaltssperre, wird nur genehmigt, was unbedingt nötig ist.

Ins Kontor geschlagen haben auch die deutlichen Mehrbedarfe bei der Hilfe zur Erziehung – satte 15 Millionen Euro, die so nicht geplant waren. Aber Leipzig ist nicht die einzige deutsche Großstadt, der die Kosten zur Betreuung hilfebedürftiger Kinder und Jugendlicher über den Kopf wachsen. „Das ist ein deutschlandweites Problem“, sagt der OBM. „Und ich weiß nicht, wie wir das lösen können.“

Ob am Jahresende noch 67 Millionen Euro Minus dastehen, ist offen. „Wir arbeiten dran“, so Torsten Bonew.

Auch für 2018 steht bislang noch ein Minus von 31 Millionen Euro unterm Strich, 2017 dafür ein Plus von 31 Millionen Euro.

„Das gleicht sich also aus“, sagt der Finanzbürgermeister. „Der Doppelhaushalt müsste damit genehmigungsfähig sein.“

Zumindest nach den Übergangsregeln für die Doppik in Sachsen. Ob das künftig auch noch so aussieht, wird erst Ende des Jahres greifbar, wenn die Staatsregierung ihr neues Kommunalgesetz vorstellt.

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