Jüngst erst schockierte der Leipziger Stadtkonzern LVV mit der Ankündigung, den Fußballclub RB Leipzig mit einer sechsstelligen Summe sponsern zu wollen. Alles sei im Rahmen, wiegelte OBM Burkhard Jung in der Ratsversammlung am 24. August ab. Jetzt dürfte ein neuer Antrag für Aufregung sorgen: Das OBM-Büro möchte gern vier Dauerkarten beim Bundesligaclub erwerben. Obwohl der OBM um das Geschmäckle bei diesem Deal weiß.

Das wird deutlich, wenn er den möglichen Ankauf der Dauerkarten und die beabsichtigte Einladung „nationaler als auch internationaler Gäste“ zu Fußballspielen des RB Leipzig begründet: „RB Leipzig gehört nicht erst seit seinem Aufstieg in die Fußball-Bundesliga zu einem der stark imagebildenden Faktoren. Mit seinem Spielort im Herzen der Stadt sowie seiner konsequenten und werteorientierten Verfolgung sportlicher Ziele spiegelt der Verein glaubwürdig die Identität der Sportstadt Leipzig. Die Stadtverwaltung möchte deshalb sowohl bei den Besuchen nationaler als auch internationaler Gäste Spiele des Bundesligisten gezielt als Ort der Begegnung, des Austausches und der Repräsentation nutzen.“

Warum man Gäste, mit denen man sich unterhalten möchte, ausgerechnet zu einem Fußballspiel einladen will, erschließt sich aus diesem Lobpreis nicht. Geht man dazu nicht besser ins Restaurant?

Dass es da ein kleines Problem gibt, ist dem OBM durchaus bewusst: „Tatsache ist, dass hinter einer Einladung zu einer Unterhaltungsveranstaltung korruptionsrelevante Sachverhalte im Sinne der §§ 299, 331 ff. StGB stehen können. Eingeladene sind gerade deshalb mehrfach in den Untersuchungsfokus der deutschen Strafverfolgungsbehörden gekommen. Die vorhandene Rechtsunsicherheit im Umgang mit Einladungen konnte durch die Rechtsprechung bisher nicht beseitigt werden. Es gibt bislang kaum verbindliche Hinweise, die eine sichere Abgrenzung zwischen rechtmäßiger Kommunikation einerseits und strafrechtlich möglicherweise relevantem Verhalten andererseits erlauben.“

Was ja eigentlich heißen sollte: Eine ernstzunehmende Stadtverwaltung lässt sich auf solche Spielchen gar nicht erst ein.

Aber irgendwie scheint Leipzigs Verwaltung davon auszugehen, dass der Erwerb von Dauerkarten und so eine Art Kontrollsystem diese Grauzone aufheben:

„Um den Risiken aktiv zu begegnen ist die Aufstellung von Verfahrensregelungen und Kontrollen für das Einladungsgeschehen erforderlich. Hierzu wird die Verwaltung mit dem Antikorruptionsbeauftragen Einvernehmen herstellen. Um jeglichen Anschein eines korruptiven Handelns von vornherein zu vermeiden, beabsichtigt die Stadt Leipzig insbesondere

– einen Erwerb von regulären Dauerkarten und damit den Verzicht des Erwerbs von VIP- oder Business-Seat-Karten,
– keine zusätzliche Übernahme von Reise- und/oder Unterbringungskosten
– den Verzicht auf die Einladung einer privaten Begleitperson (es sei denn, es besteht im jeweiligen Einzelfall eine protokollarische Verpflichtung)
– die Einladung stets an die offizielle Geschäftsanschrift zu richten und dabei den ‚Vorbehalt der Genehmigung‘ in der Einladung auszusprechen.”

Da sieht man schon die Stadtratsanfragen bei Saisonende vor sich, wenn sich die wohl zu Recht besorgten Fraktionen erkundigen, wer denn nun im Laufe der Saison alles auf die RB-Dauerkarten eingeladen wurde und welche repräsentativen Zwecke damit verfolgt wurden. Wobei noch nicht drinsteht, in welcher Preiskategorie man gern sitzen möchte. In der 180-Euro-Kategorie für normale RB-Anhänger wahrscheinlich nicht. Denn da kann man ja seiner Gastgeberrolle nicht wirklich gerecht werden und für einen gepflegten Austausch oder gar wichtige Sicherheitsbedürfnisse dürfte dort auch nicht der richtige Ort sein.

Und da RB meistens am Wochenende spielt, ist auch die Frage: Welche repräsentativen Besuche empfängt die Stadt eigentlich am Wochenende?

Da werden nicht nur in den Ratsfraktionen einige Fragen aufploppen. Auch der Verwaltungsausschuss, der jetzt entscheiden soll, dürfte ins Grübeln kommen, ob das wirklich noch etwas mit der Repräsentation der Stadt Leipzig zu tun hat: „Der Verwaltungsausschuss beschließt den Erwerb von bis zu vier Dauerkarten ab der Saison 2016/2017 für Bundesligaheimspiele von RB Leipzig.“

Auch wenn die Vorlage erklärt, wie man die Karten gern vergeben möchte, bleiben die wichtigsten Fragen offen: „Die Verwendung der Tickets erfolgt in Erfüllung repräsentativer Verpflichtungen des Oberbürgermeisters und der Beigeordneten infolge ihrer Gastgeberrolle für nationale und internationale Gäste. Sofern im konkreten Einzelfall eine Verwendung für derartige Anlässe nicht besteht, ist eine Vergabe an ehrenamtlich Engagierte oder Mitarbeiter für ihre besondere Leistung möglich.“

Denn egal, ob man nun besonders fleißige Ehrenamtliche oder besonders emsige Mitarbeiter mit dem Stadionbesuch auszeichnet, es bleibt diese Unsicherheit, ob das Ganze nicht schlicht über den üblichen Kugelschreiber hinausgeht, mit dem man Gäste beschenken darf – gar solche, mit denen man dann noch mehr besprechen will als nur ein Partnerschaftsabkommen auf Theater- und Chorebene.

„Die Vergabeentscheidung erfolgt durch das Büro des Oberbürgermeisters auf Grundlage des mit dem Antikorruptionsbeauftragten vereinbarten Verfahrens“, betont die Vorlage noch. Was schon aufmerken lässt: Denn wenn hier keine Grauzone betreten wird – wozu braucht es dann ein „mit dem Antikorruptionsbeauftragten vereinbartes Verfahren“? Und vor allem: Was steht da drin?

Die Vorlage zu den RB-Dauerkarten.

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