Weder Dresden noch Leipzig sind wirklich glücklich mit dem, was das sächsische Regierungskabinett am Dienstag, 22. November, als Förderrichtlinie zum Sozialen Wohnungsbau in Sachsen vorgelegt hat. Seit dem Frühjahr haben Regierung und Kommunen intensiv verhandelt. Das Ergebnis ist aus Sicht Leipzigs wieder nichts Halbes und nichts Ganzes. „Das SMI hat einfach nicht zugehört“, sagt Leipzigs Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau.

Schon jetzt hätten viele Wohnungsgenossenschaften abgewinkt. Unter den Konditionen dieser Richtlinie können sie keinen bezahlbaren Wohnraum für jene 45 Prozent der Sachsen schaffen, die sich auch nur etwas teureren Wohnraum gar nicht leisten können. 6 Euro pro Quadratmeter sind für sie unerschwinglich. Aber mit den Konditionen, die sich das Sächsische Innenministerium (SMI) ausgedacht hat, wird der neue soziale Wohnungsbau genau in diesen Bereichen landen. „Womit dann genau die, für die wir dringend Sozialwohnungen brauchen, sich diese Wohnungen gar nicht leisten können. Das werden eher die etwas mehr Verdienenden sein“, sagt Dubrau.

Denn wenn sächsische Ministerien solche Programme auflegen, bauen sie so viele Bedingungen ein, dass es eigentlich nicht mehr überrascht, wenn die Gelder einfach liegen bleiben.

Seit 20 Jahren hat Sachsen ja gar keinen sozialen Wohnungsbau. Die entsprechenden Programme liefen in der heftigsten Schrumpfungsphase des Landes aus. Zwar wachsen Leipzig und Dresden seit 2005 wieder. Aber die Mahnungen aus beiden Städten, dass wieder bezahlbarer Wohnungsbau für finanziell Schwächere gebraucht würde, prallten an der Staatsregierung ab. Die widmete die vom Bund für den Zweck bereitgestellten Gelder komplett um in Förderprogramme etwa für Barrierefreiheit oder gar Bildung von Wohneigentum.

Erst jetzt mit dem Eintritt der SPD in die Regierung wurde die zunehmende Not der Großstädte endlich auch akzeptiert. Und auch gleich mit eingebaut in die Förderrichtlinie. Denn diese Förderung bekommen nur Städte mit einem Mietpreisniveau, das wenigstens 5 Prozent überm Landesdurchschnitt liegt und wo der Wohnungsleerstand unter 4 Prozent liegt. Dresden und Leipzig erfüllen als einzige beide Kriterien und bekommen entsprechend auch je 20 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre.

Das klingt viel, ist aber wieder zu wenig. Denn in Leipzig können für das Geld knapp 500 Wohnungen pro Jahr gebaut werden, insgesamt also 1.500 Wohnungen.

Aber 1.500 ist eigentlich der Mindestbedarf, der jedes Jahr entstehen müsste, betont Dubrau. Allein an Sozialwohnungen. Reserve an freiem Wohnraum hat Leipzig eigentlich nicht mehr. Der Leerstandspuffer von 50.000 Wohnungen im Jahr 2011 ist schon 2014 auf 28.000 abgeschmolzen, aktuell seien es noch 19.000 freie Wohnungen. „Aber davon befinden sich 9.000 eher in Häusern, die man nur noch als Ruine bezeichnen kann und die man nur mit einem enormen Aufwand wieder sanieren kann“, so Dubrau.

Wobei völlig offen ist, ob sich überhaupt jemand findet, der unter den avisierten Bedingungen soziale Wohnungen baut. Denn die Staatsregierung hat nicht berücksichtigt, wie enorm die Baupreise in den letzten Jahren gestiegen sind. 8,50 Euro je Quadratmeter sei schon sehr knapp berechnet. Dafür baut kaum noch einer. 10 Euro seien heute eher das Niveau, sagt Heike Will, die amtierende Leiterin des Amtes für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung, die weiter mit dem Land und der Sächsischen Aufbaubank (SAB) verhandeln will. Denn mit der Förderrichtlinie rollt auch ein enormer Bürokratieberg auf die Kommunen zu. „Weil es öffentliche Gelder sind, soll es nach Vorstellungen des Landes unbedingt auch öffentliche Ausschreibungen geben“, erklärt Dubrau. Was bei diesen Dimensionen europaweite Ausschreibungen sind. Das frisst Zeit und Personal. „Und macht die Sache noch teurer“, fügt Dubrau hinzu.

Selbst wenn jemand dann für 8,50 Euro je Quadratmeter baut, darf die Miete nur um 35 Prozent ermäßigt werden. Was dann 5,53 Euro Kaltmiete ergibt. Die Kosten der Unterkunft werden in Leipzig derzeit mit 4,72 Euro je Quadratmeter vergütet. „Auf dem Rest bleibt also die Stadt sitzen“, sagt Dubrau. Da gebe es also noch eine Menge Klärungsbedarf mit Land und SAB. Im Frühjahr könnte Leipzig dann seine eigene Umsetzungsrichtlinie fertig haben. Und dann kommt das nächste Problem: die Zeitknappheit. Denn wenn es dann erst die Ausschreibungen gibt, kann 2017 nicht mehr mit Baubeginn gerechnet werden.

Aber auch Dresden hat schon angedeutet, dass man sich ein anderes Verfahren wünscht, bei dem die Aufträge direkt an die Wohnungsgesellschaften, interessierten privaten Bauträger vor Ort und (die in Dresden neu zu gründende) eigene Wohnungsbaugesellschaft gehen. Die stehen ja eigentlich alle Gewehr bei Fuß und sind auch alle in die wohnungspolitischen Konzepte der Städte eingebunden.

Aber irgendwie denkt man im sächsischen Innenministerium immer noch in Kategorien, die mit den Nöten im eigenen Land nichts zu tun haben. Die auch nicht billiger sind, bloß weil es mehr Wettbewerb gibt. Im Gegenteil: Es dauert länger und wird insgesamt teurer. Und an den Markt kommen die ersten geförderten Wohnungen auch frühestens 2019. Die beiden Großstädte bekommen jetzt mit aller Wucht zu spüren, dass ihre Probleme auf Ministeriumsebene über Jahre ignoriert wurden. Und selbst die gemeinsamen Beratungen zur Förderrichtlinie haben nicht geholfen. „Die haben uns einfach nicht zugehört“, sagt Dubrau. Und so ähnlich klang das auch aus Dresden.

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