Ziemlich harsch haben SPD und CDU auf die von der Leipziger Linkspartei beschlossenen „Wohnungspolitischen Leitlinien“ reagiert. Und das lag nicht nur an der Wortwahl des Papiers. Denn augenscheinlich hat die Linke einen wunden Punkt getroffen: Das 2015 beschlossene „Wohnungspolitische Konzept“ der Stadt löst die Probleme nicht. Tragfähige Lösungen fehlen. Und der soziale Wohnungsbau steht als löchriger Zahn in der Landschaft.

Zwei Jahre war jetzt wieder Stille um dieses Konzept. Aber als die Stadtratsmehrheit am 12. April die neuen Eigentümerziele für die LWB festsetzte, merkten schon Minuten danach die Beteiligten, dass sie der stadteigenen Wohnungsgesellschaft einen riesigen Berg vor die Nase gesetzt hatten. Und was für einen. Der wird richtig Geld kosten. Und die stille Nachricht bahnte sich auch schon am 12. April den Weg: Ohne dass die Stadt selbst mit richtig Geld dabei hilft, wird das nichts.

Und die noch stillere Nachricht kam dann mit dem Beschluss der Linkspartei: Das, was die LWB als Aufgabe aufgebrummt bekommen hat, wird nicht reichen.

Leipzig hat viel zu lange gezögert, das Thema sozialer Wohnungsbau mit Bedarfen, Zahlen und Finanzen zu untersetzen.

Viel zu zaghaft haben Stadtrat und Verwaltung agiert. Genauso dilettantisch wie bei Kitas und Schulen.

Im Grunde hat im Leipziger Stadtrat niemand das Recht, mit dem Finger auf Andere zu zeigen. Die Mehrheit hat mitgemacht, wenn die Verwaltung das Thema auf die lange Bank geschoben hat. Munter geworden sind sie alle immer erst – auch die Kritiker – wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen war, Eltern die Plätze für ihre Kinder einklagten, Schulen die Schülerzahl nicht mehr bewältigten und die Stadt restriktiv eingreifen musste.

In beiden Fällen hat man fünf Jahre zu lange gezögert und gehofft, irgendwie würde sich das einrenken.

Hat es aber nicht.

Und die schlichte Wahrheit, die im Beschluss der Linken steckt: Statt 2015 die Chance mit der Diskussion um das Wohnungspolitische Konzept zu nutzen, hat man sich wieder auf eine Verzögerung eingelassen und zwei weitere Jahre verplempert, nachdem das Thema schon drei Jahre auf dem Tisch lag.

Das ist keine vernünftige Politik. Das ist Arbeitsverweigerung.

Der immer wieder wiederholte Verweis auf den Markt, der das schon richten werde, auf Investoren und deren mögliche Vergraulung macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil. Er macht noch deutlicher, dass Stadtrat wie Verwaltung auch dieses Mal wieder vor konkreten Zahlen zurückschrecken. Als würde ein Finanzbedarf einfach verschwinden, wenn man so tut, als wisse man von nichts.

„CDU-Stadträtin Sabine Heymann sprach von einem ausgeglichenen und prosperierenden Markt. Prosperierend ist der Markt gerade für diejenigen, die mit Wohnen Geld verdienen. Für die Leipzigerinnen und Leipziger, die zur Miete wohnen, stellt sich der gleiche Sachverhalt freilich anders dar“, kommentiert Tilman Loos, Bundestagskandidat der sächsischen Linken aus Leipzig, den Einspruch von Sabine Heymann. Von Ausgeglichenheit könne in mehreren Stadtteilen schon lange nicht mehr die Rede sein.

Und der Leipziger SPD-Vorsitzende Hassan Soilihi Mzé, der selbst dem rechten Flügel seiner Partei angehöre, habe der Linken sogar „Realitätsverlust“ und „ideologische Blindheit“ vorgeworfen.

„Hinter dem Ruf nach Ideologielosigkeit versteckt sich allzu häufig selbst eine Ideologie: Der Neoliberalismus. Es geht um die Kernfrage, ob unsere Stadt ihren Bewohnerinnen und Bewohnern gehören soll, oder privaten Investoren. Wir haben da einen klaren Standpunkt“, sagt Tilman Loos.

Und dann wirft er den Sozialdemokraten vor, die SPD lasse sich selbst auch von Immobilieninvestoren bezahlen. So hätte beispielsweise Hildebrandt & Jürgens 2012 kräftig für den Oberbürgermeisterwahlkampf von Burkhard Jung gespendet, betont die Linke. „Die Spenden der Immobilienwirtschaft an die SPD geben den Äußerungen des SPD-Vorsitzenden einen gewissen Beigeschmack“, so Tilman Loos weiter.

Man sieht: Die verschärfte Tonlage wird mit verschärfter Tonlage erwidert.

Aber das löst das Grundproblem nicht. Denn in Sachen sozialer Wohnungsbau ist nichts geklärt. Das Förderpaket des Innenministers reicht nicht ansatzweise, beträgt nur ein Zehntel dessen, was jetzt dafür in Leipzig eingesetzt werden müsste. Und im Grunde ist es egal, wer mit der Förderung baut – die LWB oder ein privater Entwickler.

Nicht egal ist, dass die Lösungen nicht zum Problem passen.

„Es ist dringend geboten bei Neubauprojekten eine verbindliche Quote für Sozialwohnungen anzulegen“, sagt dazu auch Juliane Nagel, Stadträtin und Landtagsabgeordnete der Linken. „Woher sollen denn sonst die dringend benötigten Sozialwohnungen kommen? Auch private Investoren, wie beispielsweise die Stadtbau AG, die beim neu entstehenden Viertel am Bayerischen Bahnhof aktiv ist, sind verantwortlich für eine sozial gerechte Entwicklung dieser Stadt zu sorgen. Da sie dieses Interesse nicht von selbst verfolgen werden, muss es also eine Verpflichtung geben. 30 % sind dabei nur ein Minimum. Beispielsweise in Breisgau hat der Stadtrat eine Quote von 50% Sozialwohnungen für einige Gebiete verabschiedet.“

In Leipzig gebe es zudem aufgrund von Stadtratsbeschlüssen einen Paradigmenwechsel bei der Liegenschaftspolitik – weg vom jahrelangen praktizierten Verkauf hin zur Sicherung von Flächen für öffentliche Aufgaben. Statt des Verkaufes von mehrgeschossigen Häusern soll zudem nach bestem Konzept und nicht mehr nach meistbietendem Investor möglichst verpachtet werden. Diese sogenannte Konzeptvergabe gehe auf einen Antrag der Linksfraktion zurück.

„Die lokale SPD will doch nicht wirklich hinter Stadtratsbeschlüsse zurückfallen, die die eigene Fraktion mitgetragen hat?“, fragt Juliane Nagel.

Der Pressesprecher der Leipziger Linken, Kay Kamieth, ergänzt: „Wenn die Leipzigerinnen und Leipziger nicht auf demokratische Art und Weise regeln, was die Stadtgesellschaft vom Wohnungsmarkt erwartet, finden sie sich mit Verdrängungsprozessen und Obdachlosigkeit ab. Dies ist für Die Linke eine Perspektive, mit welcher wir uns nicht abfinden wollen. CDU und SPD sollten nun vielmehr ihre Vorschläge zur Problemlösung auf den Tisch legen und nicht in bloßer Abwehrhaltung gegenüber den linken Ideen verharren.“

Oder mal so formuliert: Das Wohnungspolitische Konzept von 2015 ist schon zwei Jahre später als zahnloser Tiger vorm Bett gelandet. Jetzt gehören belastbare Zahlen auf den Tisch. Samt einer Kostennote, die auch die gerade vom Feiertrubel berauschten Regierungsfraktionen in Dresden interessieren dürfte. Denn das Geld, das man so emsig in Fonds spart, ist genau das Geld, das in Leipzig und Dresden für preiswerten Wohnungsbau fehlt.

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