Natürlich hat Leipzig ein Wohnungsproblem. Das bekommen derzeit vor allem jene zu spüren, die sich hochpreisigen Wohnraum nicht leisten können und vor allem kleine bezahlbare Wohnungen suchen. Aber auch Wohnungen für Familien fehlen. Das Thema hat die Leipziger Linkspartei am Samstag, 6. Mai, auf die Agenda ihres Stadtparteitages gesetzt. Ergebnis: ein Paket Wohnungspolitischer Leitlinien.

Wer das sechsseitige Papier durchliest, merkt, dass davon eigentlich nichts neu ist. All das wurde auch schon vor zwei Jahren beim Wohnungspolitischen Konzept der Stadt Leipzig diskutiert. Nicht alles hat dort Eingang gefunden. Im Ergebnis ist das Wohnungspolitische Konzept eher eine vorsichtige Annäherung an ein Problem, das man so recht nicht greifen kann. Es benennt zwar alle Probleme, bietet auch Ansatzpunkte. Aber es zeigt nirgendwo wirklich ein Steuerungsinstrument, wie ein berechenbarer Bedarf auch mit den städtischen Möglichkeiten abzudecken ist.

Ein Ergebnis dieser Unklarheit war dann im April der Beschluss des Stadtrates, die stadteigene LWB noch viel stärker in den Wohnungsneubau einzubinden. Was teuer wird. Aber die letzten zwei Jahre haben gezeigt: Einfach auf den Markt zu vertrauen, das funktioniert nicht. Die Immobilienentwickler am Markt orientieren sich immer zuerst auf die höheren Renditen, bauen also vor allem Wohnungen im mittleren und hochpreisigen Segment, wo sich die Investitionen schneller wieder einspielen. Was nur logisch ist. Immobilienentwickler, die im Wettbewerb bestehen wollen, müssen so agieren.

Eigentlich wissen das auch Politiker. Deswegen bildete der sogenannte soziale Wohnungsbau immer ein separates politisches Feld. Der übrigens nicht deshalb sozial ist, weil hier Wohltaten an Arme und Bedürftige ausgeschüttet werden, sondern weil hier im großen Maßstab Wohnungen für jene 40 Prozent Menschen mit niedrigen Einkommen gebaut werden, die mit diesen Einkommen niemals auch nur mittelpreisige Wohnungen bezahlen könnten. Aber ihre Arbeit wird trotzdem gebraucht. Was gern ignoriert wird. Ohne die vielen niedrig Entlohnten in der Dienstleistungsbranche würden Städte wie Leipzig nicht funktionieren.

Kommunen stehen tatsächlich vor der Aufgabe, die soziale Durchmischung und den preiswerten Wohnraum in der Stadt zu erhalten. Das ist ihre Herausforderung. Worauf die von der Linken beschlossenen Leitlinien auch wieder hinweisen. Sie benennen im Grunde nichts anderes, als was – wie erwähnt – im Diskussionsprozess um das Wohnungspolitische Konzept der Stadt auch benannt wurde.

Umso erstaunlicher die vehemente Gegenrede der Leipziger CDU gleich am Montag, 8. Mai.

„Wir sind der Überzeugung, dass kein Wohnungsbauunternehmen an der Nachfrage des Marktes vorbei agieren wird. Natürlich muss die Stadt ihrer sozialen Verantwortung beim Wohnungsbau gerecht werden“, erklärte Dr. Sabine Heymann, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion. Und machte gleich deutlich, dass die CDU sich eher als Partei des freien Marktes betrachtet. „Hier sehen wir allerdings eher den Schwerpunkt in einer Politik der Angebote und Anreize, statt in starren Quoten und Verboten. Und wenn die Linkspartei schon Wahlkampfrhetorik betreibt, dann werden sich die Leipziger sehr genau überlegen, ob sie dieser ideologisch verbohrten Politik ihre Zustimmung geben. Wir wollen einen Ausbau des Wohnungsmarktes in einer Kooperation aus Stadt, Wirtschaft und Bürgern. Das ist ehrlicher, effizienter und am Ende auch schneller als langwierige Theoriedebatten. Wir werden es nicht zulassen, dass Jung-Genossen ihre Lebenserfahrung auf Kosten der Leipzigerinnen und Leipziger sammeln.“

Starre Quoten und Verbote wird man im Papier der Linken eher nicht finden – wenn man von der Empfehlung absieht, beim Wohnungsbau eine Quote von 30 Prozent Sozialwohnungsanteil anzustreben. Etwas, was Leipzigs Planungsdezernat in Gesprächen mit Immobilienentwicklern auch ganz ähnlich anstrengt – auch wenn da eher von 25 Prozent die Rede ist.

Aus Sicht der Linken ist das zu wenig, wie Kay Kamieth, Pressesprecher die Leipziger Linken, betonte: „Der Zuwachs an Einwohnerinnen und Einwohnern führt in Leipzig zu Engpässen und sozialer Verdrängungen auf dem Wohnungsmarkt. Wir legen mit den wohnungspolitischen Leitlinien ein Konzept vor, mit dem die Stadt sozial und nachhaltig auf die Herausforderungen der Bevölkerungszunahme reagieren kann.“

Und es kann sein, dass sich das auch genau so bestätigt. Denn die Immobilienentwickler verhalten sich genau so, wie von Sabine Heymann beschrieben: Sie denken an den Markt und die zu erzielenden Renditen.

Verstört hat Sabine Heymann wohl eher die prononcierte Etikettierung des „kapitalistischen Wohnungsmarktes“ im Papier der Linken.

Sabine Heymann: „Wahlkampfrhetorik hilft niemandem und sie baut auch keine neuen Wohnungen. Die Linkspartei hat es nicht verstanden, dass die Wirtschaft wesentlicher Teil des Wohnungsmarktes ist. Wer aber die Wirtschaft als Feind betrachtet und sie aus politischen Entscheidungen ausgrenzen will, der arbeitet gegen das Interesse der Bürger.“

„Letztlich müssten sie die Forderungen nach einem überproportional wachsenden kommunalen Wohnungsbau bei gleichzeitig hohem Anteil an Sozialwohnungen mitbezahlen. Realitätsferne Polemik und die Forderung nach starren Quoten beim Wohnungsbau verstoßen dabei aus Sicht der CDU gegen marktwirtschaftliche Prinzipien“, formuliert die CDU ihre Bauchschmerzen.

Aber im Papier gibt es auch die klare Forderung an Bund und Land, die Bedingungen für sozialen Wohnungsbau zu verbessern. Viele Entwickler winken bei den derzeit gebotenen Unterstützungen der Politik einfach ab, weil sich mit der Förderung und den massiv den Bau verteuernden Auflagen kein preiswerter Wohnraum herstellen lässt. Da stecken Kommunen wie Leipzig im Dilemma. Und das wird sich noch verschärfen, denn was es an Förderung für den sozialen Wohnungsbau gibt, ist deutlich zu wenig. Und es ermöglicht auch bestenfalls für Leipziger Verhältnisse mittelpreisigen Wohnraum.

Und die Zahlen (die die Linke in ihrem Papier auch auflistet) deuten darauf hin, dass Leipzig in einen ganz ähnlichen Investitionsstau hineinfährt wie es ihn schon bei Kitas und Schulen hat – mitsamt den ausufernden Folgekosten.

Der Entwurf zu den Wohnungspolitischen Leitlinien der Leipziger Linken.

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Es gibt 6 Kommentare

@Sandro
Dem Gesagten kann ich im Wesentlichen zustimmen.
Mir gehen die Luxussanierungen auch gegen den Strich – sehr sogar. Ich frage mich auch, warum nach dem großen “Immobilien-Ost-Debakel” das absolut gleiche Spiel wieder von vorn losgeht, diesmal halt mit dem “letzten verbliebenen Steuersparmodell” Denkmalimmobilien. Die Kaufpreise hingegen sind die direkte und unmittelbare Folge der europäischen Finanzmarktpolitik und eigentlich nicht des wohnungswirtschaftlichen Bedarfs.

Ich finde allerdings auch, dass “Sozialwohnung” ein gewisses Stigma anhaftet. Früher war in den westdeutschen Bundesländern Förderung für Sozialwohnungen auch ein Riesenthema – am Ende wurden die Wohnungen nicht selten verfrüht aus der Bindungsfrist entlassen und trotzdem vergleichsweise günstig (z.B. von Mitarbeitern des öD) angemietet. Das kann doch nicht Ziel des Einsatzes von Steuergeldern sein.

Ich möchte allerdings widersprechen, dass der privatwirtschaftliche Wohnungsbau grundsätzlich auf überdurchschnittliche Renditen abzielt. Ich habe 2007 für knapp 6 € angemietet. Das war damals das absolut obere Ende der Skala für meine Wohnlage. Aber für weniger hat mein Vermieter lieber den Leerstand vorgezogen. In den nunmehr 10 Jahren habe ich lediglich eine Mieterhöhung von 0,22 €/qm hinnehmen müssen und das trotz mittlerweile erfolgtem Eigentümerwechsel. Es war halt damals schon auskömmlich kalkuliert und ich empfinde das als fair.

Das eigentliche Problem ist m.E. nicht die private Wohnungswirtschaft, sondern seit jeher wohl eher die in Leipzig aktiven “Bauträgerkonzepte”, die dem Steuervermeider aberwitzige Versprechen machen. Und da Steuervermeidung in gewissen Kreisen wohl fast der Status eines Sports zukommt, sehen wir nun wieder das, was sich in ähnlicher Weise auch schon nach der Wende zeigte. Auch damals war es als Mieter schon schwer. Damals gab es beispielsweise oft nur Mietverträge mit 5-jährigem Kündigungsausschluss.

@Alexander
Vielen Dank für die Belehrung zum Sprachgebrauch. Ob man es nun als arm oder im gesellschaftlich-sozialen Gefüge benachteiligte Menschen bezeichnen möchte, darf wohl dahin gestellt bleiben.
Allerdings ein konkretes Thema sofort auf andere Themen umzuleiten, finde ich persönlich wenig zielführend. Aber sei es drum.
Beispielsweise: Private KV, man mag es als Bevorzugung sehen, aber jeder der einigermaßen bei Verstand ist, wird, wenn es sich irgendwie einrichten lässt, auf diese Bevorzugung verzichten. Neben den angeblichen Vorzügen zahlt man die Beiträge aus bereits versteuertem Geld, man geht grundsätzlich in Vorleistung, damit es einigermaßen bezahlbar bleibt, gibt es nicht unwesentliche Selbstbehaltsraten und zu guter letzt kannst Du Dir beim Arzt – im Gegensatz zum gesetzlichen Versicherten – nie sicher sein, ob die erbrachte Leistung medizinisch zweckmäßig oder unnötig teuerer Unsinn ist.
Und nein, in der PKV sind nicht ausschließlich Reiche oder Superrreiche, sondern auch der kleine Selbstständige, der jeden Monat genau kalkulieren muss.

„Liebe LINKE, bitte sorgt doch lieber dafür, dass die Bürger – auch die sozial schwachen – Einkommen erzielen können, sich eine wirtschaftlich tragende Miete zu leisten, anstatt Forderungen zu stellen, die eher ausschließlich auf die lebenslange Alimentation der sozial schwachen Schichten abzielen.“

Obzwar ich weder Parteimitglied noch Wähler der Linken bin, wage ich zu vermuten, dass die Linke wohl grundsätzlich gegen eine fair vergütete Beschäftigung für einen jeden/ eine jede absolut nichts einzuwenden hätte. Wenn ich mich recht entsinne, forderte sie ja sogar einen Mindestlohn, der mit 10 €/Stunde weit über dem der politischen Konkurrenz lag (und der trotzdem, nebenbei bemerkt, keinesfalls für allgemeinen Reichtum unter der Arbeitnehmerschaft sorgen würde).

Arbeitslosigkeit und schlecht entlohnte Tätigkeiten sind allerdings nur ein Aspekt. Alleinerziehende (und sogar Doppelverdienende mit Kindern) können selbst mit einem vergleichsweise guten mittleren Einkommen finanziell letztlich nicht allzu gut dastehen. Denn oftmals sind Kindergeld und evtl. Steuervorteile allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein. Von den Rentnern mit geringen Bezügen, jungen Menschen in Ausbildung etc. einmal ganz zu schweigen. Vor diesem Hintergrund die Forderung nach sozialem Wohnungsbau als Klientelpolitik abzutun und sie gar als Mittel zur lebenslanger Alimentation sozial schwacher Schichten zu brandmarken, ist in meinen Augen ziemlich vermessen und geht am eigentlichen Problem vorbei.

Auch den unerschütterlichen Glauben an die freien, „rationalen“ Kräfte des Marktes sollte man von Zeit zu Zeit zumindest in mancherlei Hinsicht kritisch hinterfragen. Eine leerstehende Wohnung bringt einem/einer Vermieter*in freilich wenig, sofern er/sie diese nicht als Steuersparmodell nutzen kann. Ansonsten gilt wohl die allgemeine Devise, mit möglichst geringem Einsatz möglichst hohe Gewinne zu erzielen. Das lässt sich vor allem bei kleinen, stark nachgefragten Wohnungen beobachten, für die teils unverschämt hohe Quadratmetermieten verlangt werden. Merke: Hohe Nachfrage, hohe Preise!

„Das Problem mit den Luxuswohnungen wird sich langfristig lösen, wenn der Markt diese nicht in der angebotenen Größenordnung abnimmt. Und wer die Mietangebote beobachtet, weiß das >10 €/qm noch lange nicht wie geschnitten Brot weggeht.“
Langfristig bringt jedoch keine kurzfristigen, schnellen Lösungen. Im schlechtesten Fall handelt es sich bei Luxuswohnungen um Luxussanierungen, die dem Wohnungsmarkt zuvor billigeren Wohnraum entzogen, Mieter verdrängt und die Probleme mithin verschärft haben. Was würde im Übrigen passieren, wenn die Einkommen allgemein steigen und sich mehr Leute auch diese „Ladenhüter“-Luxuswohnungen leisten könnten? Wie würde wohl der freie Wohnungsmarkt die Preise regeln? Und welche Auswirkung hätte dies für neue Bauprojekte? Ich hätte da durchaus eine Vermutung…

Schließlich gilt noch zu bedenken, dass auf Grund der gegenwärtigen Grundstückpreise und Baukosten selbst bei Neubauobjekten im Standardsegment Quadratmetermieten von 10€/m² und mehr keine Ausnahme bleiben werden, um die Wohnungen kostendeckend vermieten zu können.

Abschließend würde vielleicht, wie auch beim Thema Nahverkehr, ein Blick nach Wien guttun, wo der kommunale Wohnungsbau seit Jahrzehnten gefördert wird. Jährlich wurden und werden dort mehr als 600 Millionen Euro in den kommunalen Wohnungsbau gesteckt. Die Wohnungen stehen jedoch nicht allein Personen aus finanzschwächeren Schichten zur Verfügung, sondern auch Leuten aus der Mittelschicht. Mittlerweile leben etwa zwei Drittel der 1,8 Millionen Einwohner*innen Wiens in kommunalen oder von der Stadt geförderten Wohnungen und profitieren von vergleichsweise niedrigen Mieten, da die öffentliche Hand im Gegensatz zur Privatwirtschaft keine überdurchschnittlichen Gewinne generieren muss. Überdies ist die Kommune selbst die größte Vermieterin und kann durch ihre Marktstellung nicht nur Einfluss auf die Mietpreisentwicklung nehmen, sondern zudem auch auf städtebauliche sowie architektonische Gestaltung, Berücksichtigung ökologischer Aspekte, soziale Durchmischung usw.

@Bovary
sozial schwach und arm meint was völlig anderes. Sozial schwach sind Menschen, die mehr Geld abtreten könnten, aber auf Grund der steuerlichen Bevorzugung bspw. durch die Beitragsbemessungsgrenze, private Krankenversicherung, nicht tun. Die Menschen, die sich die hohen Mieten nicht leisten können sind hingegen nicht sozial schwach, sondern schlichtweg arm.

Ich habe mir das Papier der Linken mal durchgelesen.
Warum man etwas mit so vielen Tippfehlern veröffentlicht, lass ich mal dahingestellt.

Bei den ganzen Diskussionen bleibt doch erst einmal festzustellen, dass vor nicht allzu vielen Jahren mit Förderung zurück gebaut wurde, was nun mit Förderung wieder aufgebaut werden soll.

Zu den immer lauter werdenden Rufen nach sozialem Wohnungsbau möge man doch bitte erst einmal der Frage nachgehen, warum die LWB sozialgebundenen Wohnraum teurer anbietet, als den freien (Beispiel vor wenigen Wochen in Lößnig gesehen, nahezu benachbarte, von der Größe vergleichbare Wohnungen, qm-Preis für die Wohnung mit grünem WBS war höher als die freie Wohnung).

Einschränkungen für Eigenbedarfskündigungen sind in meinen Augen völlig kontraproduktiv. Wer sich mit einem mittleren Einkommen Wohnungseigentum anschaffen will, um für seine Altersvorsorge nicht in irgendein Riester-Produkt oder sonstwas einzuzahlen und zudem der Mietpreisspirale entgehen will, der soll dazu auch die Möglichkeit erhalten.

Die Forderungen der Linken sind allein auf eine Klientel gerichtet, mit der allein man politisch nicht überleben können wird.

Das Problem mit den Luxuswohnungen wird sich langfristig lösen, wenn der Markt diese nicht in der angebotenen Größenordnung abnimmt. Und wer die Mietangebote beobachtet, weiß das >10 €/qm noch lange nicht wie geschnitten Brot weggeht.

Nach dem Jahre lang ein Mietermarkt in LE herrschte und man im bundesdeutschen Vergleich auf das Einkommen relativ gesehen, sehr günstig wohnen konnte, muss sich der Markt neu ordnen. Es sollte aber jedem klar sein, dass ein Vermieter für 4 – 5 € kalt (so wie wir hier lange mieten konnten) eine Wohnung nicht wirtschaftlich unterhalten kann.

Liebe LINKE, bitte sorgt doch lieber dafür, dass die Bürger – auch die sozial schwachen – Einkommen erzielen können, sich eine wirtschaftlich tragende Miete zu leisten, anstatt Forderungen zu stellen, die eher ausschließlich auf die lebenslange Alimentation der sozial schwachen Schichten abzielen.

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