Was hilft eigentlich eine Umweltzone, wenn Dieselfahrzeuge mit Grüner Plakette die Schadstoffwerte trotzdem überschreiten? Und wenn sich die Leipziger – obwohl der Dieselskandal seit zwei Jahren gärt – immer weiter Dieselautos kaufen? Die Antwort lautet wohl: gar nichts. Nur bewegt das Leipzigs Stadtverwaltung augenscheinlich nicht. Deshalb fragen die Grünen mal ernsthafter nach.

Seit dem 1. März 2011 gibt es in Leipzig eine Umweltzone. Innerhalb der Umweltzone dürfen nur jene Fahrzeuge fahren, die die grüne Plakette (Schadstoffgruppe 4) haben. Ziel ist es, die Luftqualität zu verbessern, weil die Stadt dazu aufgrund von EU-Gesetzgebung verpflichtet ist. Schon vor Jahren hat auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) geurteilt, dass es Aufgabe der Kommunen ist, die Gesundheit der Einwohnerinnen und Einwohner durch wirksame Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu schützen.

Der Indikatorenbericht „Nachhaltige Umweltentwicklung in Leipzig“ (2016) der Stadt Leipzig weist jedoch trotz Umweltzone keine Senkung der Luftschadstoffe aus. Zwar ist durch die Umweltzone in Leipzig die Belastung durch diese Schadstoffe gesunken, doch durch die Zunahme an Fahrzeugen in der Stadt aufgrund des Bevölkerungszuwachses ist dieser Effekt aber wieder rückläufig – die Belastung nimmt wieder zu.

Knackpunkt ist mittlerweile die Belastung durch Stickstoffdioxid. Die Stickstoffdioxidbelastung wird hauptsächlich durch den Kfz-Verkehr verursacht. Der Umweltindikatorenbericht der Stadt Leipzig zeigt, dass die Stickstoffdioxidemissionen in Leipzig zwar über Jahre rückläufig waren, seit 2015 aber wieder stiegen und über dem Grenzwert von 40 μg/m3 pro Jahr liegen. Das Umweltqualitätsziel von 20 μg/m3 wurde bis heute nicht erreicht.

Und dann gibt es mittlerweile auch Alarm an einer Front, an der die Stadt eigentlich schon Entwarnung gegeben hatte: Der Jahresmittelwert für krebserregenden Ruß überschreitet durchgehend den Grenzwert. Auch hier ist das Umweltqualitätsziel in Höhe von 0,8 μg/m3 nicht erreicht. Die Rußpartikel sind Teil der Feinstaubbelastung. Die Teilchen sind besonders klein, stammen direkt aus Verbrennungsprozessen und sind deshalb besonders krebserregend. Kurz nach Einführung der Umweltzone sank ihr Anteil in der Luft, weil vor allem Lkw-Verkehr nicht mehr durch die Stadt rollte, sondern die Stadt auf der Autobahn umfahren muss.

Aber mit dem Wachstum des Kfz-Bestandes in der Stadt wächst auch der Anteil der Dieselfahrzeuge, die wieder den Anteil der Rußpartikel erhöhen.

„Luftschadstoffe beeinträchtigen die Gesundheit der Menschen und die Lebensqualität in Städten. Erhöhte Stickstoffdioxidkonzentrationen greifen die Atemwegsschleimhäute an und gefährden die Atemwegsfunktionen, Ruß verursacht Krebs und Feinstaubbelastungen stellen ein hohes Gesundheitsrisiko dar“, kommentiert Grünen-Stadträtin Anett Ludwig diese vollständig gegenläufige Entwicklung, die die Leipziger Umweltzone regelrecht ad absurdum führt. „Die Jahresmittelwerte für Ruß, Feinstaubbelastung und Stickstoffbelastung konnten nicht erreicht werden.“

Und Daniel von der Heide, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, ergänzt: „Nur mit einer konsequenten Durchsetzung der Umweltzone und der Umsetzung des Luftreinhalteplanes kann die Luftqualität verbessert werden. Wir wollen daher wissen, wie effektiv die Umweltzone kontrolliert wird, wie viele Verstöße gegen die Bestimmungen der Umweltzone in den vergangenen Jahren verzeichnet wurden.“

Der Abgasskandal hat ja schon im Zusammenhang mit der Sperrung der Harkortstraße für kleine Lkw ab 3,5 t eine Rolle gespielt. Aufgrund der fehlenden Fortschreibung des Luftreinhalteplanes wurde hier eine kleine Teilmaßnahme umgesetzt, statt ein größeres Gesamtkonzept zu verfolgen, kritisieren die Grünen. Der derzeitige Luftreinhalteplan stammt aus dem Jahr 2009 und enthielt anfangs überhaupt noch keine Umweltzone. Die wurde erst im letzten Moment noch eiligst hinzugefügt, weil die versammelten Maßnahmen im Luftreinhalteplan entweder gar nicht die versprochenen Effekte bringen, teilweise mehrere Jahre der Umsetzung brauchen oder aus finanziellen Gründen gar nicht umgesetzt werden können. Der neue Luftreinhalteplan sollte eigentlich schon 2016 vorliegen. Er steht noch immer aus.

Und der Effekt der Umweltzone hat sich aufgebraucht. Die Motorenpolitik der großen Autohersteller hat sie völlig unterlaufen. Es stellt sich also die Frage, welche Konsequenzen die Stadt Leipzig aus dem „Dieselgate“ der deutschen Automobilindustrie zieht und welche konkreten Maßnahmen sie hieraus schlussfolgert für die Leipziger Verkehrspolitik mit Blick auf die Gesundheit der Leipzigerinnen und Leipziger, finden die Grünen.

„Wir gehen davon aus, dass die Schadstoffbelastung aufgrund von Automobilverkehr in der nächsten Zeit ein großes Thema bleiben wird. Neben dem immer mehr öffentlich bekannten Ausmaß an Schummelei und Trickserei (ob legal oder nicht) bei Dieselmotoren wird dazu das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Diesel-Fahrverboten und die laufende Debatte über die Blaue Plakette oder ähnliches beitragen“, betonen Ludwig und von der Heide. „Wir wollen daher wissen, wie die Stadt Leipzig aufgestellt ist, um weitere Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit einzurichten und durchzusetzen. Denn die Schadstoffbelastung in Leipzig ist nach wie vor zu hoch und wir haben allzu oft den Eindruck, dass dieses Thema im Rathaus keinen allzu großen Stellenwert hat.“

Während Städte wie Stuttgart schon ganz offiziell angekündigt haben, dass sie überlegen, Fahrverbote für Dieselfahrzeuge zu verhängen, wenn es dicke Luft gibt, gibt sich Leipzigs OBM noch vorsichtig.

Aber für Herbst wird das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erwartet, wonach, je nach Urteilsspruch, Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge gegebenenfalls auch bereits nach geltender Rechtslage möglich sind, betonen die Grünen in ihrer Anfrage. Spätestens dann, wenn die Strafzahlungen, die die EU bei Nichteinhalten der Schadstoffgrenzwerte verhängt, den Kommunen aufgebürdet werden, werden viele Bürgermeister wohl nicht mehr zögern, Fahrverbote zu verhängen.

Die Grünen-Anfrage zur Umweltzone.Die Grünen-Anfrage zur Umweltzone.Die Grünen-Anfrage zur Umweltzone.

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