Es war ein erfolgsversprechender Schritt, als Leipzigs Stadtrat 2016 die Einführung einer Gesundheitskarte für Asylbewerber beschloss und die Verwaltung beauftragte, mit den Krankenkassen Wege auszuloten, wie das umzusetzen wäre. Aber dann versank auch dieses Projekt lange im Schweigen, bis die Stadträtin der Linksfraktion Juliane Nagel mal nachfragte und erfuhr, dass es tatsächlich feststeckte.

Die Begründung dafür, dass die Verhandlungen mit den Krankenkassen stockten, lautete: „Im Ergebnis der Verhandlungen zeigten verschiedene Krankenkassen an, wesentliche (sich aus dem Gesetz ergebende) Anforderungen nicht umsetzen zu können.“

Aber der Hauptgrund war dann doch der, dass sich der Freistaat Sachsen strikt weigert, die Gesundheitskarte einzuführen. Denn erst auf Landesebene sind die Grundvoraussetzungen alle erfüllt. Kommunen müssen so etwas auch erst bei der Landesregierung beantragen. Was Leipzig aber nach Auskunft des Sozialministeriums nicht getan hat.

Ergebnis: Ein Vorstoß, der ins Leere läuft, obwohl eine erstaunliche Anzahl von Krankenkassen signalisiert hatte, dass sie das Ganze mit Leipzig gemeinsam probieren wollten. In der Nachfrage zum Thema erfuhr Juliane Nagel nun, wer alles mit Leipzig verhandelt hatte: „Über die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte in Leipzig hat das Sozialamt mit Vertretern folgender Institutionen gesprochen: AOK Plus, Bahn-BKK, DAK-Gesundheit, IKK classic, Kaufmännische Krankenkasse, Knappschaft Bahn See, Siemens BKK, BKK Landesverband Mitte“, teilt das Sozialdezernat mit. „Das Gespräch fand gemeinsam mit Vertretern aller Krankenkassen und Verbänden statt, die Interesse bekundet hatten und der Einladung des Sozialamtes gefolgt sind.“

Als ein Problem erweist sich nun ausgerechnet das 2016 beschlossene Integrationsgesetz, das die Bundesregierung auch noch recht dreist mit „Fördern und Fordern“ überschrieben hat. In dieser Gipfelhöhe ist es augenscheinlich völlig unvorstellbar, dass Menschen selbstbestimmt und aus eigenem Antrieb agieren könnten. Alles wird bis ins letzte Detail vorgeschrieben, bis hin zum radikal eingeschränkten Zugang von Asylbewerbern zu Gesundheitsleistungen.

Und da ist man am Knackpunkt dessen, warum die Sache in Leipzig nicht zustande kommt.

Erstens natürlich, weil die beiden Kommunen, die bislang eigenständig eine elektronische Gesundheitskarte für Asylbewerber eingeführt haben, keine Kommunen im klassischen Sinne sind, sondern selbstständige Bundesländer.

„Die Stadtstaaten Bremen und Hamburg haben eine kommunale elektronische Gesundheitskarte eingeführt“, teilt das Sozialdezernat mit, nachdem man nun so lange überzeugt war, als Kommune selbst auch so selbstständig agieren zu können. „Darüber hinaus ist dem Sozialamt keine Kommune bekannt, welche ohne Rahmenvereinbarung auf Landesebene eine kommunale elektronische Gesundheitskarte eingeführt hat.“

Und dazu kommt dann auch noch das Integrationsgesetz, das im Grunde jeden kommunalen Alleingang verhindert: „Die dem Sozialamt der Stadt Leipzig bekannten Vereinbarungen wurden vor Inkrafttreten des Integrationsgesetzes abgeschlossen. Regelungen zum Umgang mit eingeschränkt leistungsberechtigten Personen nach § 1a AsylbLG enthalten die Vereinbarungen deshalb nicht. Eine Prüfung des Leistungsumfangs nach den §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz erfolgt nur eingeschränkt. In der Regel erfolgt eine Gesundheitsversorgung nach den Vorschriften für die Gesetzliche Krankenversicherung (Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V). Eine Prüfung des Kriteriums der Aufschiebbarkeit wird durch die Krankenkassen in der Regel ausgeschlossen. Diese Prüfung ist für Leipzig aber dringend notwendig, da nur in diesen Fällen die Krankenhilfekosten vom Freistaat Sachsen erstattet werden. In den Bundesländern, die eine Vereinbarung mit den Krankenkassen geschlossen haben (z. B. Thüringen), werden die Kosten unabhängig vom Kriterium der Aufschiebbarkeit übernommen oder erstattet.“

Womit letztlich klar ist, dass es ohne ein Umdenken in der Landesregierung nicht geht. Aber Sachsens Regierung denkt gar nicht daran. Und damit ist das Thema Gesundheitskarte für Asylbewerber vorerst gestorben.

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