Manchmal scheint Leipzigs Verwaltung richtig glücklich zu sein darüber, dass die Fraktionen im Stadtrat finden, dass es so nicht geht und die Stadt sich kaputtspart, wenn sie schon wieder wichtige Mittel in Zukunftserhalt streicht. Und das droht gerade bei einem Thema, das in jeder Bürgerumfrage das wichtigste ist in den Augen der Leipziger: beim Straßenzustand. Ab 2019 würden sich die eh schon knappen Mittel zum Erhalt halbieren.

Es ist wie bei den Schulen, wo der Stadtrat über fünf Jahre brauchte, um auch in der Verwaltung die Erkenntnis festzunageln, dass die Gelder für Reparatur und Erhalt genauso wichtig sind wie die für Neubau – und deutlich erhöht werden müssten. Die Stichworte hat noch jeder Leipziger im Ohr: kaputte Toiletten, defekte Dachentwässerung, überalterte Elektrik, Fenster, die man nicht mehr öffnen konnte, usw.

Der Teil wurde gelernt.

Der mit den Straßen noch nicht, obwohl jede Bürgerumfrage zeigt, dass der Straßenzustand aus Bürgersicht das größte aller Probleme ist. Nicht die Kriminalität. Auch wenn das so erscheint. Das haben wir jüngst erst auseinandergedröselt.

Aber der Effekt dieser schrägen Problematisierung ist natürlich, dass gerade konservative Politiker nun seit einiger Zeit glauben, sie müssten mit einer Law-and-Order-Politik gegen den Leipziger OBM so richtig für Stimmung sorgen und die Stadt noch mehr in Aufruhr versetzen.

Dabei gehen die tatsächlich wichtigen Themen, die auch wirklich in Regie der Stadt liegen, immer wieder unter. Sie kosten eben nicht nur ein paar starke Worte, sondern richtig Geld. Und es sind eben nicht nur ein paar Schlaglöcher, die da geflickt werden müssen.

Noch immer verfügt Leipzig in großen Teilen über ein Straßennetz, dessen Grundsubstanz über 100 Jahre alt ist. Das merken nicht nur die Autofahrer, wenn das alte Kopfsteinpflaster wieder zum Vorschein kommt, sondern auch die LVB merken es, wenn die Gleise ihren Halt verlieren und die Straßenbahn auf Schneckentempo drosseln muss. Und weil jedes Mal auch tief in den Untergrund gearbeitet werden muss, sehen auch die Wasserwerke die alten Wasserrohre und Abwasserkanäle nach 100 Jahren oft zum ersten Mal wieder – mit entsprechend problematischen Stellen.

Das war Verwaltung und Stadtrat 2013 durchaus bewusst, als man das Mittelfristige Investitionsprogramm im Straßen- und Brückenbau beschloss und für den Straßenerhalt mit einem Aufwand von 16 Millionen Euro jährlich rechnete.

Nur irgendwie bricht diese wichtige Vorplanung im Jahr 2019 ab.

Also beantragte die Grünen-Fraktion im Stadtrat jetzt: „Die Mittel des Verkehrs- und Tiefbauamtes im Investitionshaushalt werden in der Mittelfristplanung 2019-2021 um 7 Mio. € p.a. erhöht.“

Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau stimmt dem eigentlich zu – macht aber lieber einen Alternativvorschlag. Auch wenn es am Grundproblem nichts ändert.

Das liest sich auch aus Verwaltungssicht so:

„Das vom Stadtrat am 18.09.2013 beschlossene Mittelfristige Investitionsprogramm im Straßen- und Brückenbau 2013 – 2020 (RBV-1774/13) sieht als zugrundeliegendes Szenario eine Finanzausstattung des Verkehrs- und Tiefbauamtes in Höhe von jährlich 16,5 Mio. € Stadtanteil vor.

Dieser Eckwert konnte in den vergangenen Jahren im Schnitt erreicht werden. Aktuell beträgt er für das VTA 2016 15,3 Mio. €, 2017 16,2 Mio. € und 2018 16,7 Mio. €.“

Die letzten Werte sind beide durch den Beschluss zum Doppelhaushalt abgesichert. Aber dann kommt der Abbruch, den die Grünen gesehen haben und für den sie frühzeitig Vorsorge beantragten.

„Entsprechend der mittelfristigen Finanzplanung geht der Eckwert des VTA in den Folgejahren jedoch sehr stark zurück. Aktuell muss für 2019 von 9,0 Mio. €, 2020 8,6 Mio. € und 2021 5,9 Mio. € Stadtanteil ausgegangen werden.“

Deswegen findet das Baudezernat den Grünen-Antrag gut: „Mit der beantragten Erhöhung der Investitionsmittel des Verkehrs- und Tiefbauamtes von 2019 bis 2021 um 7,0 Mio. € p.a. würde für 2019 und 2020 das Szenario des Mittelfristprogrammes gesichert.“

Aber das würde man erst mit den Beratungen zum nächsten Doppelhaushalt 2019/2020 angehen. Der Alternativvorschlag lautet: „Eine Entscheidung zur Erhöhung der investiven Haushaltsmittel des Verkehrs- und Tiefbauamtes wird im Rahmen der Haushaltsplanung 2019 ff. in Abhängigkeit der Verhandlungen zum Finanzausgleichsgesetz (FAG) getroffen.“

Aber das hat seine Tücken. Was man auch im Baudezernat weiß. Denn so klein sind die Bauprojekte oft nicht, die man mit den Erhaltsmitteln angehen muss. Gerade dann nicht, wenn man dabei eben nicht nur die Straßenbeläge erneuert, sondern auch gleichzeitig die notwendigen Erneuerungen für LVB und Wasserwerke mit angehen muss. Dann braucht man einen längeren Planungsvorlauf, braucht Vorlauf für zu beantragende Fördermittel und erst recht für die Ausschreibungen. Denn bauen wird 2019/2020 nur, wer es frühzeitig schafft, auch die knappen Baufirmen zu binden.

Und was da noch alles in der Pipeline steckt, fasst das Baudezernat so kurz zusammen:

„Außer den im Mittelfristprogramm enthaltenen Maßnahmen ergeben sich entsprechend laufenden Abstimmungen, insbesondere mit den Unternehmen der LVV, weitere dringliche Vorhaben aufgrund sich verschlechternder Anlagenzustände. Nur mit Erhöhung der investiven Haushaltsmittel des Verkehrs- und Tiefbauamtes können diese komplexen Gemeinschaftsvorhaben realisiert werden:

– Bornaische Straße von Wiedebachplatz bis Ecksteinstraße

– Rosa-Luxemburg-Straße von Hofmeisterstraße bis Eisenbahnstraße

– Knoten Dieskaustraße/Antonienstraße (Adler)

– Georg-Schumann-Straße von Böhmestraße bis Delitzscher Straße

– Gorkistraße von Kohlweg bis Ossietzkystraße (einschließlich Löbauer Straße von Gorkistraße bis Volksgartenstraße und Volksgartenstraße von Gorkistraße bis Löbauer Straße)

– Ratzelstraße von Schönauer Straße bis Diezmannstraße

– Wiedebachstraße von Bornaische Straße bis Arno-Nitzsche-Straße (einschließlich Arno-Nitzsche-Straße von Wiedebachstraße bis Frohburger Straße)

– Mockauer Straße von Kieler Straße bis Tauchaer Straße und Tauchaer Straße von Mockauer Straße bis Kieler Straße (Neubau Straßenbahntrasse Mockau)

– Landsberger Straße von Coppiplatz bis Hans-Oster-Straße“.

Was in der Summe heißt: Obwohl Leipzig sein Investitionsbudget deutlich erhöht hat, reicht das Geld hinten und vorne nicht, um auch nur die Baumaßnahmen durchzuführen, über die nun zum Teil schon seit Jahren diskutiert wird (die Kreuzung am Adler) und auch die Pläne schon lange fertig sind (Bornaische Straße).

Deutliches Zeichen dafür, wie unterfinanziert auch die „Boomstadt“ Leipzig noch immer ist. Man hat also im Straßenbau genau dieselbe Hängepartie wie bei Kitas, Schulen und sozialem Wohnungsbau.

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