Noch hat Leipzigs Verwaltung ein bisschen Zeit. Ein echtes Konzept eCulture soll sie nach dem Wunsch der SPD-Fraktion im Stadtrat erst im nächsten Jahr vorlegen. eCulture bedeutet im Grunde etwas ganz Einfaches: Leipzigs Kulturlandschaft online leicht finden zu können – informativ, mit Datenbänken, in denen man stöbern kann, und möglicherweise unter einem gemeinsamen Label. Im April signalisierte das Kulturdezernat schon: Gute Idee.

Beantragt hatte die SPD-Fraktion: „Die Stadtverwaltung entwickelt ein Konzept eCulture Leipzig für alle städtischen Kultureinrichtungen und die Eigenbetriebe Kulturstätten. Das Konzept soll eine Analyse des jetzigen Zustandes, einem Plan für kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen, Kostenschätzung der einzelnen Maßnahmen und Aufgabenverteilung beinhalten und ist dem Stadtrat bis zum II. Quartal 2018 vorzulegen.“

Aber so einfach geht das nicht mit so viel eigensinnigen Kultureinrichtungen. Selbst die der Stadt unterstellten Einrichtungen arbeiten ja meist sehr eigenwillig, bedacht auf ihre Hoheitsgebiete und zumeist mit völlig unterschiedlichen Ansichten, was man dem Website-Besucher zugesteht – und was man lieber vorenthält.

Was ja das Dilemma war, das die SPD-Fraktion ausgemacht hatte: Überall unterschiedliche Benutzerführungen, oft die blanke Unübersichtlichkeit. Und so gut wie keiner verwies und verlinkte auf den Rest der reichen Leipziger Kulturlandschaft, obwohl diese (gleich nach der hübsch sanierten City) der Hauptgrund ist, warum Touristen gern nach Leipzig kommen. (Nein, es ist nicht der Wassertourismus, wirklich nicht.)

Und so lautete der Alternativvorschlag der Stadt im April: „Das Dezernat Kultur bildet im Rahmen einer Informationsvorlage für den Stadtrat den aktuellen Sachstand in den Ämtern, Eigenbetrieben Kultur und Beteiligungen zum Thema eCulture ab. Gleichzeitig wird in dieser Vorlage über die gegenwärtig geplanten Maßnahmen zum Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie in den relevanten Einrichtungen informiert. Damit wird eine Forderung aus dem Antrag dahingehend erfüllt, dass die Stadtverwaltung aufzeigt, wo sie beim Thema eCulture momentan steht. Gleichzeitig werden erste konzeptionelle Überlegungen aufgezeigt. Die Informationsvorlage soll den Stadtrat in der Sitzung der Ratsversammlung im August 2017 erreichen.“

Genau das ist jetzt tatsächlich passiert: Wer die Vorlage öffnet, bekommt 16 Seiten mit zum Teil sehr detaillierten Auskünften zum digitalen Sachstand in den städtischen Museen (die anderen sind noch gar nicht dabei, gehören von der Logik her aber dazu), in Stadtbibliothek, Volkshochschule, in Oper, Gewandhaus und Theater der Jungen Welt.

Was der Besucher all der Websites merkt, hat auch das Kulturdezernat so festgestellt: „Die angebotenen digitalen Produkte und Dienstleistungen sind umfänglich und sprechen auf hohem Niveau diverse Zielgruppen an, die den Besonderheiten der Häuser und Institutionen gerecht werden. Es sind diese fach- und spartenbezogenen Spezifika der Einrichtungen, die das Dezernat Kultur zu der Einschätzung kommen lassen, dass aus fachlicher Sicht zum jetzigen Zeitpunkt die vom Antragsteller geforderte ‚einheitliche IT-Infrastruktur zur Hinterlegung von digitalen Inhalten‘ nicht sinnvoll oder zielführend erscheint. Die Besonderheiten und unterschiedlichen Fachlichkeiten erfordern unterschiedliche IT-Fachsysteme. Da, wo eine gemeinsame Nutzung oder Betreuung möglich ist, wird sie bereits heute umgesetzt (vgl. gemeinsame Administration und Nutzung von ‚Museum plus‘ durch drei Museen).“

Das Museumsmanagementsystem „Museum plus“ im Datenverbund des Museums für Angewandte Kunst, des Naturkundemuseums und des Museums der bildenden Künste umfasst das Sammlungsmanagement mit Standortverwaltung und Restaurierung, das Ausstellungs- und Leihverkehrsmanagement sowie das Veranstaltungs- und Adressmanagement der drei Einrichtungen. Was natürlich auch wieder nur ein Teil dessen ist, was man bei solchen Museen braucht. So fehlt dem Bildermuseum bis heute eine große Objektdatenbank, die auch Forschern in aller Welt Einblick in die Sammlung gibt. Während man da beim Stadtgeschichtlichen Museum schon viel weiter ist: „Von den ca. 650.000 Objekten aus den 10 musealen Sammlungen sind bisher ca. 300.000 Objekte im Internet recherchierbar“, heißt es fürs Bildermuseum: „Die Digitalisierung ausgewählter Sammlungsbereiche findet ausschließlich projektbezogen statt. Bislang liegen ca. 10 % der Gemälde und Skulpturen/Plastiken und ca. 2 % der Arbeiten auf Papier als Digitalisat vor.“

Da lauert also eine Menge Arbeit, die Leipzig mit seinen finanziellen Möglichkeiten nicht allein stemmen kann.

Aber erste Schritte, hier mal ein großes eCulture-Projekt draus zu machen, ist man schon gegangen, teilt das Kulturdezernat mit: „Das Dezernat Kultur hat darüber hinaus eine ‚Arbeitsgruppe Digitalisierung/eCulture‘ ins Leben gerufen, die in einem ersten Schritt ämterübergreifend jene Themen ermitteln soll, bei denen eine hohe inhaltliche Schnittmenge vorliegt und sich bei entsprechenden technischen Umsetzungen output-orientierte Synergieeffekte ergeben können. Dabei ist eine enge Einbeziehung des Dezernates I erforderlich, bei dem die Zuständigkeit für IT-Fragen liegt.“

Spätestens im zweiten Quartal 2018 will man dann im Betriebsausschuss Kultur und im Fachausschuss Kultur über den Prozess informieren und für die städtischen Kultureinrichtungen ein zentrales eCulture-Konzept vorlegen. „Dabei werden die vom Antragsteller angeführten Parameter für ein solches Konzeptes wie bspw. Maßnahmen, Aufgabenverteilung und Partizipation der freien Kulturszene berücksichtigt.“

Denn das ist ja sichtlich noch eine Leerstelle: Wo dockt die freie Kultur an die städtische (Hoch-)Kultur an? Und wie wird das im Internet so sichtbar, dass kulturinteressierte Leipziger und Gäste einfach und sinnfällig hinfinden? Denn das sind immer mehr Zeitgenossen gewöhnt, dass man zentrale, gut gemachte Plattformen ansteuert und dort die breite Übersicht bekommt über das, was in so einer Kulturstadt alles zu finden ist.

Mit Museen geht es dabei los, betont SPD-Stadträtin Katharina Schenk, die auch Mitglied im Kulturausschuss ist: „Digitale Museen sind die Museen von morgen. Auf unseren Antrag hin wurde ein Sachstandsbericht verfasst, der nun eine erste Analyse über digitale Projekte in unseren Kultureinrichtungen bietet. Es wird klar, dass es Leuchttürme aber auch viel Schatten gibt. Damit Leipzig als Kulturstadt im 21. Jahrhundert ankommt, muss die Stadt einen Mindeststandard entwickeln. Dieser muss selbstredend mit den Kulturschaffenden gemeinsam erarbeitet werden. Es gilt die Akteure und Akteurinnen der freien Szene hier einzubinden, um ihr kreatives Potenzial für Leipzig zu heben.“

Die eigentliche Lücke ist aus ihrer Sicht die Selbstwahrnehmung der Kulturstadt. Das Stadtmarketing zersplittert und ist oft ausschließlich auf die „Leuchttürme“ konzentriert. Dass Kultur aber eigentlich die Seele der Stadt ist, wird nicht greifbar. Und auch nicht digital erlebbar.

„Die Stadt Leipzig ist in der Verantwortung zu betonen, dass die Zukunft Leipzigs als Kulturstadt auch vom digitalen Entwicklungsstand unser Kultureinrichtungen abhängt. Aus unserer Sicht ist die Diskussion über ein einheitliches Label sinnvoll, um Leipzig als Kulturstadt weiter zu etablieren. Der Leipziger Zoo mit seiner überregionalen Strahlkraft zeigt, dass eCulture und digitales Marketing nicht nur nice-to-have, sondern notwendig und wirksam sind“, betont sie das Naheliegende.

Jetzt kann man gespannt sein, ob es wirklich zu einem gemeinsamen Label und gar einer gemeinsamen Plattform kommt.

Information des Kulturdezernats.

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