Da mussten wir auch erst einmal grübeln, als gleich am 1. Februar die Meldung der Freibeuter-Fraktion in unser Postfach flatterte: "Freibeuter setzen Wiederaufnahme der Planungen für Mittleren Ring Südost durch". Na hoppla. Hatten wir da eine Revolution verpasst? Oder einen kleinen Staatsstreich, nachdem nun einige Akteure in der autofreundlichen Zeitung seit dem Sommer wie wild für den Bau des Mittleren Rings getrommelt hatten? Nicht ganz. Auch die Freibeuter wünschen sich ja ein bisschen Aufmerksamkeit.

“Dass die Trasse Mittlerer Ring Südost nun wieder im Gespräch ist, ist ein Erfolg für die Anwohner nicht nur an der von Lärm und Schadstoffen belasteten Karl-Tauchnitz-Straße”, meinte Sven Morlok (FDP) in der Meldung. “Nur wenn der Kfz-Verkehr in der Innenstadt reduziert wird, entsteht Raum für erweiterte ÖPNV-Angebote,” würdigt Morlok zusätzliche Effekte einer weiträumigen Umleitung des Kfz-Verkehrs um die Innenstadt.

Bisher – so die Meldung weiter – war die Stellungnahme der Verwaltung zum Problem der starken Zunahme der Lärm- und Schadstoffbelastung durch Lkw-, Bus- und PKW-Verkehr in der Karl-Tauchnitz-Straße mehr als unbefriedigend. Tatsächlich ist es durch Maßnahmen an der betroffenen Straße kaum möglich, die Situation für die Anwohner zu verbessern.

Aber was da am 31. Januar im Stadtrat beschlossen wurde, war halt noch nicht die Wiederaufnahme der Planungen zum Mittleren Ring Südost. Der Mittlere Ring ist die Vision des damaligen Stadtbaurats Engelbert Lütke-Daldrup in den 1990er Jahren, mit einem zweiten, größeren Ring durch die Außenbezirke der Stadt den überlasteten Innenstadtring deutlich zu entlasten. Übrigens nicht nur durch ein leistungsfähiges Straßen-System, sondern auch durch einen ÖPNV-Ring.

Einige Teile dieser Planungen machten Sinn und wurden seitdem auch umgesetzt – so wie das nordwestliche Teilstück an der Max-Liebermann-Straße. In Planung ist das nordöstliche Teilstück in der Essener Straße. Aber schon diese beiden Teilstücke zeigen, wie aufwendig, teuer und langwierig das ganze Projekt ist.

Komplett gestrichen werden musste der ganze südliche Abschnitt, denn dabei hätte man unweigerlich durch den südlichen Auenwald gemusst – was naturschutzrechtlich unmöglich ist. Handwerkskammerpräsident Claus Gröhn schlug zwar vor, dann könne man hier doch einen Tunnel bauen – aber da wird wahrscheinlich nicht nur Leipzig schon an den Kosten scheitern.

Die Debatte im Stadtrat. Quelle: Livestream Stadt Leipzig

Was haben die Freibeuter nun beantragt?

Ihren Antrag hatten sie schon im Oktober gestellt und FDP-Stadtrat Sven Morlok war wohl zu recht sauer, dass der Verwaltungsstandpunkt dazu erst einen Tag vor der Stadtratssitzung am 31. Januar und eine Stunde vor der Sitzung des Verkehrsausschusses ausgehändigt wurde.

Der Freibeuter-Antrag bezog sich auf eine Petition aus dem Herbst, in der es um die hohe Verkehrs-und Luftbelastung in der Karl-Tauchnitz-Straße ging. Nach der Sperrung der Harkortstraße für Lkw wälzt sich noch mehr Verkehr durch die Tauchnitzstraße – die Petition forderte dementsprechend deutliche Entlastungen bei der Luftbelastung.

Die aber bekommt man in dem Gebiet durch irgendwelche anderen Umleitungen des Lkw-Verkehrs nicht mehr. Der Verkehr, so Sven Morlok, müsse also weiträumig umgeleitet werden, wenn es in der Tauchnitzstraße Entlastung geben soll.

Und so beantragten die Freibeuter: “Der Oberbürgermeister wird beauftragt zu prüfen, ob durch die im Flächennutzungsplan ausgewiesene Trasse Mittlerer Ring Süd von der B2 bis zur Richard-Lehmann-Straße und von dort bis zur Prager Straße (Vorhaben 407,358) und Mittlerer Ring Ost weiter an der Bahnlinie (Vorhaben 360) eine Entlastung der Innenstadt vom KFZ-Verkehr erreicht werden kann. Das Ergebnis ist dem Stadtrat bis zum Ende des I. Quartals 2018 vorzulegen.”

Es war also kein Antrag, die Planungen zum Mittleren Ring wieder aufzunehmen, sondern ein Prüfauftrag. Denn nach vielen Diskussionen im Stadtrat ist man sich dort mittlerweile bewusst, dass viele Teile des Mittleren Ringes deshalb auf Eis liegen, weil teilweise die verkehrliche Notwendigkeit nicht belastbar ist, manchmal die Streckenführung hoch umstritten, in vielen Stücken ein Straßenausbau auch gar nicht möglich.

Was hat die Verwaltung draus gemacht?

Sie hat sich etwas mehr Zeit ausbedungen, um auch neue Prognosen zur Verkehrsbelastung mit verwenden zu können. Aber die Sache zu prüfen, gesteht die Verwaltung zu.

“Der Oberbürgermeister wird beauftragt, auf Grundlage der Verkehrsprognose 2030 und der vsl. für 2019 zu erwartenden Überarbeitung der Bevölkerungsprognose für die Stadt Leipzig vor Ablauf des 10-jährigen Planungsmoratoriums für den Mittleren Ring Südost eine Verkehrsuntersuchung zu dessen verkehrlicher Wirksamkeit durchzuführen. In diesem Zusammenhang wird auch die verkehrliche Wirksamkeit für die Entlastung der Innenstadt vom Kfz-Verkehr mituntersucht.”

Auch hier also kein Planungsbeschluss, sondern ein Prüfauftrag. Der Verwaltungsstandpunkt wurde dann am Mittwoch, 31. Januar, auch so zur Abstimmung gestellt und fand dann eine Mehrheit von 37 Stimmen, 15 Stadträte stimmten dagegen, 11 enthielten sich.

Fazit: Der Stadtrat hat beschlossen jenes Teilstück des Mittleren Rings zu prüfen, das seit Jahren in der Diskussion steht und auch noch nicht (wie andere Teile) mittlerweile gestrichen wurde. Der komplette Mittlere Ring steht nicht zur Debatte. Und ob der Ausbau des Rings im Südosten nun ausgerechnet die Luftprobleme in der Karl-Tauchniz-Straße löst, ist sowieso eine spannende Frage.

Der Antrag der Fraktion Freibeuter.

Der beschlossene Verwaltungsstandpunkt.

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