Es sind nicht nur die Jugendlichen von „Fridays for Future“, die keine Geduld mehr mit den Erwachsenen haben, die sich von ihrem klimaschädlichen Lebensstil nicht trennen wollen. Auch andere Leipziger stellen ungemütliche Fragen, so wie Stephan Kraa jetzt mit Berufung auf den im Oktober vom Stadtrat beschlossenen Klimanotstand.

Seine Fragen waren eigentlich klar und einleuchtend: „Kürzlich ist in Leipzig der Klimanotstand ausgerufen worden. Wie ist es dann möglich, dass

1. der BĂĽrgermeister nach wie vor mit einem 7er BMW chauffiert wird
2. Heizpilze noch nicht verboten sind
3. die Straßenreiniger in Leipzig großflächig mit motorgetriebenen Laubbläsern unterwegs sind, obwohl es sehr wohl auch mit einem Laubrechen gehen würde?“

Geantwortet hat jetzt das Dezernat Umwelt, Ordnung, Sport, doch die Antworten sind verzwickt, auch weil sie zeigen, wie schwer sich der konservative Teil der Stadtgesellschaft tut, umzudenken. Und dieser Konservatismus steckt oft in Vorschriften, Regularien, Erwartungshaltungen.

Wer kann sich schon einen Oberbürgermeister in der Stadt auf dem Fahrrad unterwegs vorstellen? Oder bei Dienstreisen außerorts mit Laptop im Zug? Gerade bei der ersten Frage wird deutlich, wie sehr sich die regierende Politik an die fatalen Folgen ihrer eigenen falschen Politik gewöhnt hat und die dadurch entstandenen Probleme wie gottgegeben hinnimmt.

Was also fährt OBM Burkhard Jung?

„Bei dem Dienstfahrzeug unseres Oberbürgermeisters handelt es sich um einen BMW 745 Le xDrive. Dies ist ein Hybridfahrzeug, das sowohl elektrisch als auch mit Benzin betrieben werden kann. Durch die 12-kWh-Hochvoltbatterie kann dieses Fahrzeug eine Strecke von bis zu 58 Kilometer rein elektrisch fahren.

Bei zwei Ladungen über den Tag konnten in der Regel innerstädtische Einsätze mit dem Fahrzeug ohne zusätzlichen Gebrauch des Verbrennungsmotors erfüllt werden. Für Fernfahrten gibt es derzeit noch kein Fahrzeug mit einer ausreichenden Reichweite von 400 bis 500 Kilometern.

Mit einer Kilometerleistung von jährlich ca. 30.000 km ist das Auto auch fahrender Arbeitsplatz und Büro, oftmals wird auch die Bahn genutzt.

Da die Leasinglaufzeit des Dienstfahrzeugs noch bis 30.09.2020 vertraglich gebunden ist, wird im I. Halbjahr 2020 eine Marktforschung zu E-Fahrzeugen in der gehobenen Klasse betrieben. Dennoch ist die Stadt Leipzig bei der Ersatzbeschaffung an die Gemeinde- und Vergabeordnung gebunden.“

Natürlich hat er einen engen Terminkalender. Aber warum hat er den eigentlich? Warum haben Oberbürgermeister keine Terminkalender, bei denen sie auch ganz selbstverständlich Zugfahrten einplanen, nicht nur gelegentlich?

Man ahnt es natürlich, wenn man sich die deutschen Zugverbindungen anschaut: Für Zugreisende ist das ganz normale Fahren ein Abenteuer, viele eigentlich logische Städteverbindungen fehlen. Alles Ergebnis von rund 30 Jahren falscher Bahnpolitik. Politiker haben sich scheinbar dran gewöhnt und steigen auf Dienstautos im.

Stephan Kraa hat aber recht: Wer sich an so etwas gewöhnt, wird es nicht ändern.

Und wie sieht das mit den Heizpilzen aus? Auch hier waren es die konservativen Fraktionen im Stadtrat, die meinten, man könne den Leipziger Wirten das Aufstellen von Heizpilzen vor ihren Gaststätten nicht untersagen, damit sie auch in den kalten Monaten draußen Gäste bedienen können. Eigentlich völlig gegen den ganz normalen Jahreszeitenwechsel. Man muss schon ziemlich verwirrt im Kopf sein, wenn man an Herbst-und Wintertagen unbedingt im Freien sitzen will – mit Heizpilz natürlich.

Ergebnis, wie das Umweltdezernat jetzt vorrechnet: In Leipzig sind 83 gasbetriebene Heizstrahler beantragt und genehmigt, die meisten (57 StĂĽck) allein in der Innenstadt. Dazu kommen noch 10 elektrisch betriebene Heizstrahler.

„Die Gewerbebehörde steht in engem Austausch mit dem Stadtordnungsdienst sowie der Operativgruppe. Die Ergebnisse der Kontrollen des Ordnungsamtes werden in eine gemeinsam genutzte Tabelle übertragen und dann direkt durch die Mitarbeiter der Gewerbebehörde aufgearbeitet. Im Jahr 2019 wurden keine Anzeigen zu nicht angemeldeten bzw. ohne Erlaubnis aufgestellten Heizstrahlern eingereicht“, betont das Dezernat noch. Weil der Stadtrat nicht den Mumm hatte, die Heizstrahler zu untersagen, kontrolliert die Stadt halt nur, dass nur die Heizstrahler laufen, die auch gemeldet sind.

Und die dritte Frage zu den lauten und nervenden Laubbläsern?

„Derzeit nutzt der Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig Laubbläser, da nasses und später gegebenenfalls angefrorenes Laub auf Fahrbahnen sowie Geh- und Radwegen die Entstehung von Unfällen begünstigt und das Liegenlassen des Laubes zu einer stärkeren Vermischung mit anderen Abfällen und damit zu Entsorgungs- und Hygieneproblemen führt“, versucht das Ordnungsdezernat den Einsatz dieser Geräte zu erklären.

„Auch auf Wiesen muss das Laub entfernt werden, da sonst das Gras darunter ersticken würde. Ein Mitarbeiter schafft mit einem Laubblasgerät beim einmaligen Überfahren mit Schwenkbewegungen eine viel größere Bearbeitungsfläche als mit Rechen oder Harke. Zudem kann das Laub auch zwischen geparkten Fahrzeugen hervorgearbeitet werden.“

Und dann kommt der erstaunlichste Satz: „Der Einsatz von Laubrechen ist nur durch einen wesentlich höheren und nicht finanzierbaren Personalaufwand möglich. Daher handelt es sich bei den Laubblasgeräten um die derzeit ökologisch und wirtschaftlich sinnvollste Technik.“

Man spart also vor allem Personal.

„Derzeit sind im Herbst im Eigenbetrieb Stadtreinigung Leipzig ca. 50 Mitarbeiter täglich mit Laubblasgeräten unterwegs. Bei einem rein manuellen Betrieb bräuchte der Eigenbetrieb Stadtreinigung für diesen Zeitraum ca. 200 Arbeitskräfte mehr. Gegenwärtig erfolgt die Umstellung von konventionellen Laubblasgeräten auf Akku-Laubblasgeräte. Durch die wesentlich höheren Investitionskosten ist jedoch nur die schrittweise Neuanschaffung der Akku-Laubblasgeräte möglich.“

Leiser sind die dann elektrisch betriebenen Laubbläser übrigens auch nicht. Und da auch die meisten Hausmeisterdienste mit den Dingern hantieren, wird es auch im nächsten Herbst nicht leiser in der Stadt.

Der Stadtrat tagt: Leipzig ruft den Klimanotstand aus + Video

Der Stadtrat tagt: Leipzig ruft den Klimanotstand aus + Video

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Liebe Stadt Leipzig, wenn man es wirklich ernst meint mit Klima- und Naturschutz, dann sollte man mal darüber nachdenken, dass Wiesen mitnichten nur aus Gras bestehen, sondern vielmehr aus einer großen Anzahl von unterschiedlichsten Pflanzen, seien es Stauden, blühenden einjährigen Blumen und Kräutern und hin und wieder natürlich auch mal Gräsern, aber eben nicht nur! Und eben solche artenreichen Wiesen sind dann auch der Schlüssel zu mehr Insektenreichtum und -vielfalt. Solche Wiesen bekommt man aber nicht, wenn man permanent mit motorisierten Rasenmähern darauf herumfährt und im Herbst auch noch mit motorisierten Laubbläsern und -staubsaugern darauf herumkurvt, bis nur noch die nackte kahle Erde zu sehen ist (wie man es in vielen Parks sehen kann!).

Liebe Stadt Leipzig, speziell Umweltdezernat, was sie meinen, und was sie meinen, mit ihren unsäglich nervtötenden Rasenmähern und Laubbläsern aller Art pflegen zu “mĂĽssen”, ist nichts anderes als artenarmer lebensfeindlicher Rasen, welcher weder ökologisch noch optisch irgendeinen Wert hat.

Natürlich ist solch artenarmer Rasen, auf dem mit viel Glück eine arme Biene oder Hummel mal ein Gänseblümchen findet, was dann aber stets sofort nach dem Aufblühen weggemäht wird, praktisch an Stellen, wo Menschen Fußball spielen, oder ein Picknick machen, oder herumliegen möchten. Da darf dann auch so ein langweiliger steriler artenarmer Rasen sein und kann dann meinetwegen auch weiter gefühlt jede Woche auf drei Millimeter kahlrasiert werden und im Herbst auch auf das kleinste Fitzelchen Laub gestaubsaugt und gebläsert werden.

Aber es sollte in der Stadt, in Parks und GrĂĽnanlagen ja wohl auch möglich sein, weitaus mehr GrĂĽnfläche zu etwas wachsen zu lassen, was die Bezeichnung “Wiese” verdient. Und wo dann auch mal ein BlĂĽmchen stehen bleiben darf, ohne sofort ĂĽberfahren zu werden von einem Rasenmähertraktor. Das wäre gut fĂĽr die Artenvielfalt, die Stadt wĂĽrde Geld einsparen, weil nicht immerzu gemäht werden mĂĽsste (einmal im Jahr reicht!) und wir BĂĽrger wĂĽrden im Herbst auch nicht mehr von diesen unsäglichen städtischen Laubbläsern zu Tode genervt werden. Die Stadt wĂĽrde CO2 einsparen und es wĂĽrde auch nicht mehr so ekelhaft nach Abgasen riechen, wenn man im Herbst mal spazieren geht.

Also weg mit dem kurzen Rasen, wo er nicht unbedingt sein muss, her mit den ECHTEN Wiesen mit ihrem Artenreichtum und dann kann mit Sicherheit auch auf ein paar dieser furchtbaren Laubbläsergeräte verzichtet werden.

Solange man aber weiterhin alles mit artenarmen halbtotem und kurzrasiertem Rasen belässt, teilweise sogar noch unter Büschen das Laub herauspustet, sodass auch wirklich kein armes Tier dort überwintern kann, solange man Bäume durch Beschneidung martialisch verstümmelt und all dies auch noch mit stinkenden, motorenbetriebenen Gerätschaften aller Art, kann man jegliche öffentliche Bekundung der Stadt zu Klima-, Umwelt und Naturschutz nicht wirklich ernst nehmen und sie nur als solches wahrnehmen, was sie sind: Gerede.

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