Da konnte sich auch Torsten Bonew, Erster Bürgermeister und am Mittwoch, 19. Mai, Leiter der Ratsversammlung, eine kleine Spitze nicht verkneifen, als das Thema Schwimmunterricht in den Schulen zur Abstimmung kam: „Das äußerst knappe Ergebnis spiegelt die Diskussion wider.“ Immerhin flogen vorher 21 Minuten lang tatsächlich die Fetzen.

Und man durfte durchaus das Gefühl haben, hinterher würde der Antrag, den die Linksfraktion gestellt hatte, von den anderen Fraktionen in Grund und Boden gestimmt werden.Gestellt hatte sie den Antrag Anfang Mai. Und auch nicht mal selbst erfunden, was SPD-Fraktionsvorsitzender Christopher Zenker dann launig anmerkte, denn so einen Antrag hatte vor einem Jahr schon die SPD-Fraktion gestellt, als sich abzeichnete, dass durch die Corona-Einschränkungen nicht nur der Schulunterricht in Mitleidenschaft gezogen werden würde, sondern auch der Schwimmunterricht.

Der aber ist nun einmal für viele Kinder lebensrettend. Denn wo die Eltern es nicht schaffen, dass ihre Kinder schwimmen lernen, muss der Staat helfen. Es ist eine soziale Frage, wie Adam Bednarsky in seinem zweiten, dann doch etwas heftigeren Beitrag in der Diskussion betonte, nachdem erst Jessica Heller (CDU) darauf verwies, dass das Ganze doch schon Verwaltungshandeln wäre, und dann FDP-Stadtrat Sascha Matzke meinte, das Schwimmenlernen der Kinder läge zuallererst in der Verantwortung der Eltern.

Seit nunmehr über einem Jahr gibt es keine Regelmäßigkeit im Schulbetrieb, hatte die Linksfraktion am 11. Mai das Problem benannt. Durch Homeschooling und Wechselunterricht entfalle der Sportunterricht für Kinder und Jugendliche komplett.

Waren es im vergangenen Jahr die 5.000 Kinder in den damaligen zweiten Klassen, für die der Schwimmunterricht größtenteils ausfiel und nur für wenige in den Herbstferien nachgeholt werden konnte, so kamen in diesem Schuljahr noch einmal 5.000 Kinder der nachfolgenden 2. Klassen hinzu. Es geht also nicht nur um ein paar Klassen, denen der Schwimmunterricht fehlt, sondern um 10.000 Kinder. Und da wird das Ganze zu einer echten Herausforderung.

„Mit dem Sport- entfiel auch der Schwimmunterricht für Heranwachsende. Das Erlernen der Grundlagen des Schwimmens ist zum einen eine im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtige Fähigkeit für unsere Kinder. Zum anderen stärkt und festigt es deren Persönlichkeit, wenn sie die Möglichkeit erhalten, die Herausforderung des Schwimmenlernens zu meistern“, ließ sich Nancy Hochstein, Vorsitzende des Kreiselternrats Leipzig, zitieren.

Mit dem Antrag „Für eine konzertierte Aktion Schwimmunterricht“ forderte die Fraktion Die Linke im Leipziger Stadtrat, in den Sommerferien einen Intensiv-Schwimmkurs für die diesjährigen zweiten und dritten Schulklassen durchzuführen. Dieser könnte eventuell im Tandem von ausgebildeten Schwimmlehrer/-innen und Rettungsschwimmer/-innen des Deutsche Lebensrettungsgesellschaft e. V. (DLRG) oder Trainer/-innen aus Vereinen und Student/-innen der Sportwissenschaftlichen Fakultät durchgeführt werden.

Die Einbindung der Vereine, in denen der Betrieb bedingt durch Corona in den letzten Monaten nahezu stillstand, könnte diesen außerdem finanziell helfen und Perspektiven eröffnen.

Dr. Adam Bednarsky, Sprecher für Sport in der Linksfraktion, erklärte: „Alle, ob Schwimmverein, Stadt Leipzig, DLRG und weitere, müssen diese Lücke in der Schwimmfähigkeit unserer Kinder schließen. Darüber hinaus fallen uns einmal mehr die fehlenden Wasserflächen in Schwimmhallen und Freibädern auf die Füße.

Deutschlandweit findet ein flächendeckendes Bädersterben statt. Auch in Leipzig sehen wir am Beispiel des geplanten Neubaus einer Schwimmhalle am Otto-Runki-Platz, der an den Fördermitteln des Freistaates Sachsen hängt: Es geht viel zu langsam voran! Schwimmen (können) ist nicht „nice to have“ – es ist lebenswichtig!“

Ein Problem, auf das in seiner Stadtratsrede dann auch Martin Biederstedt (Grüne) noch einmal extra einging. Denn schon vor Corona fehlten in Leipzig freie Schwimmflächen. Viele Schwimmvereine haben höchste Not, die benötigten freien Flächen buchen zu können. Leipzig hat seit Jahren zu wenige Schwimmhallen. Während Corona aber kam es nicht nur zu Vereinsaustritten, es gingen den Vereinen auch viele Übungsleiter/-innen verloren, genau jene Menschen also, die jetzt dringend gebraucht werden, um den Schwimmunterricht für die Kinder abzusichern.

Ein Problem, das auch das Dezernat Jugend, Schule und Demokratie in seinem Verwaltungsstandpunkt so sah, den Adam Bednarsky dann für die Linke zur Abstimmung stellte. Denn das Anliegen war auch schon vor Antragstellung Verwaltungshandeln, auch wenn zu befürchten steht, dass es sehr schwer werden wird, den ausgefallenen Schwimmunterricht wirklich komplett nachholen zu können.

„Die Stadt Leipzig intensiviert in Zusammenarbeit mit dem Schulschwimmzentrum des Landesamtes für Schule und Bildung und der Sportbäder Leipzig GmbH ihre Planungen für die Durchführung von Schwimmkursen für Schüler/-innen der 2. und 3. Klassen in den Sommerferien 2021ff. und beginnen zeitnah die Öffentlichkeitsarbeit“, hatte die Verwaltung zusammengefasst, was sie in ihrem Standpunkt dann noch ausführlich erläuterte.

Und augenscheinlich sah es die Stadtratsmehrheit eben doch anders als Sascha Matzke: Unsere Schule ist eben doch dazu da, all das zu vermitteln, was die meisten Eltern aus eigener Kraft nicht können. Und zwar nicht nur das Vermitteln der Lerninhalte aus dem Homeschooling. Bildung ist eine soziale Frage. Das betonte in seinem kurzen Beitrag auch Linke-Stadtrat Marco Götze, der ja selbst Lehrer ist. Und viele Eltern verlassen sich natürlich darauf, dass ihre Kinder in der Schule auch Schwimmen lernen.

Die Stadt jedenfalls will die Angebote jetzt organisieren und auch öffentlich machen. Wobei Martin Biederstedt darauf verwies, dass die Angebote auf der Homepage der Stadt deutlich leichter zu finden sein müssen, gerade weil es jetzt tatsächlich an den Eltern liegt, ihre Kinder anzumelden, wenn die zusätzlichen Angebote in den Ferien liegen.

Teils war die Debatte also auch ein Klären der Details, teils aber doch mal wieder ein bisschen Scheingefecht zwischen Stadtratsfraktionen, die sich am Ende alle einig waren in der Frage, ob die Stadt jetzt helfen sollte, das riesige Loch beim Schwimmunterricht zu stopfen.

Von den anwesenden 56 Stadträt/-innen stimmten 56 für den Verwaltungsstandpunkt. Das kann man als Unterstützung der Verwaltung lesen, wie es Jessica Heller sah, oder auch als Bekräftigung, dass das Problem auf dem Tisch liegt und die Verwaltung jetzt in der Pflicht steht, wirklich alle Kapazitäten zu schaffen, die den nachgeholten Schwimmunterricht für die Kinder der 2. und 3. Klassen ermöglichen.

Die Debatte vom 19. Mai 2021 im Stadtrat

Video: Livestream der Stadt Leipzig

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