In der dritten Runde k.o. So beschrieb Michael Neuhaus, Sprecher für Umwelt der Fraktion Die Linke im Leipziger Stadtrat am Mittwoch, 19. Januar, den Ausgang des Antrags „No more Leuschis“. Im vergangenen Januar sorgten Baumfällungen auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz für Aufruhr. Noch bevor der Stadtrat überhaupt die Planungsgrundsätze für das Gebiet abgenickt hatte, wurden Maßnahmen durchgeführt, in deren Ergebnis mehrere Bäume – darunter ein Biotopbaum – abgeholzt wurden.

Allein dem Protest der Leipziger Umweltverbände ist es zu verdanken, dass die Maßnahmen erneut geprüft wurden. Ein Anwalt musste einschreiten. Die Polizei wurde hinzugezogen. Als die Baumfällungen gestoppt waren, waren freilich schon zwölf Bäume gefällt und 500 Quadratmeter Hecke beseitigt. Die Begründung: Baugrunduntersuchungen.Die wurden dann später tatsächlich durchgeführt. Aber die Fällung der Gehölze wäre dazu nicht notwendig gewesen.

Es war nicht das erste Mal, so kritisiert die Linksfraktion – „dass vorschnell und zum Nachteil des Umweltschutzes gehandelt wurde. Immer wieder werden Baufelder beräumt, obwohl die dazugehörigen Planungsgrundlagen noch nicht endgültig entschieden sind. Nicht selten werden dadurch Tatsachen geschaffen, die den weiteren Planungsprozess vorwegnehmen und die beteiligten Akteur/-innen vor vollendete Tatsachen stellen.“

Mit ihrem Antrag „No more Leuschis“ wollte die Linksfraktion nun erreichen, dass derartige Baumfällungen und Gehölzbeseitigungen weit vor der tatsächlichen Baugenehmigung nicht mehr stattfinden dürfen, es also regelrechte Veränderungssperren gibt, solange ein Bauherr keine Genehmigung zum Bauen hat.

Dass das sehr verzwickt ist und hier Naturschutzrecht und Baurecht kollidieren, wurde in der Diskussion in der Ratsversammlung am 19. Januar noch einmal deutlich. Zur Abstimmung sollte dort ursprünglich schon die dritte Fassung des Linke-Antrags stehen.

Doch am Dienstag, so berichtete Michael Neuhaus, hätte es dann auch eine neue Stellungnahme der Verwaltung gegeben, die auch noch einmal alle juristischen Probleme auflistete. All jene Probleme, die Neuhaus zuvor schon mit dem Rechtsamt diskutiert hatte. Am Ende musste er dann einsehen, dass es eine umfassende Veränderungssperre so nicht geben würde. Das war dann sein k.o.-Moment.

Aber andererseits war es auch ein kleiner Erfolg, dass die Stadtverwaltung das Anliegen des ursprünglichen Antrags dennoch weitestgehend übernommen hatte. Im Grunde läuft der Standpunkt der Verwaltung jetzt auf eine Selbstverpflichtung hinaus, möglichst keine Baufelder „frei zu machen“, wie es so schön heißt, solange keine Baugenehmigung erteilt wurde.

„Bei Baumaßnahmen, bei denen die Stadt Bauherr ist, soll die Beseitigung der Vegetation erst nach Erteilung der Baugenehmigung erfolgen. Dem Fachausschuss Umwelt, Ordnung und Klima wird jährlich eine Liste (mit Begründung) der Bauprojekte vorgelegt, bei denen von dieser Praxis abgewichen wurde“, lautet der erste Punkt des Verwaltungsstandpunkts, den Michael Neuhaus am Mittwoch dann auch zur Abstimmung stellte.

„Statt munter auf Ausgleichsmaßnahmen zu setzen und zerstörte Natur an anderer Stelle mühsam wiederherzustellen, soll künftig auch der Schutz der Vegetation ein zentraler Faktor der Planung sein!“, interpretiert er das dann vom Stadtrat mehrheitlich auch so Beschlossene. „Das ist nicht nur ökologischer, sondern schlichtweg auch weniger aufwendig. Nicht umsonst sind die Bäume durch die Leipziger Baumschutzsatzung und durch das Bundesnaturschutzgesetz geschützt.“

Die kleine Diskussion, an der sich dann auch die Stadträte Jürgen Kasek (Grüne), Andreas Geisler (SPD) und Sven Morlok (FDP) beteiligten, drehte sich dann einerseits um die Frage, ob der Vorstoß tatsächlich helfen würde, die vorsorgliche Abholzung schon weit vor Baubeginn zu verhindern, und ob die späte Baugenehmigung in der Vegetationsperiode dann nicht dazu führen würde, ausgerechnet städtische Projekte im Schul- und Kitabau unnötig zu verzögern.

„Bei Baumaßnahmen, bei denen die Stadt Bauherr ist, wird die Vegetation künftig erst nach Erteilung der Baugenehmigung beseitigt“, so Neuhaus. „Über alle Projekte, bei denen von dieser Regelung abgewichen wurde, wird der Fachausschuss Umwelt, Ordnung und Klima jährlich informiert.“

Der Verwaltungsstandpunkt benennt dann noch einmal deutlich den Konflikt, denn gebaut werden kann ja nur, wenn Vegetation beseitigt wird. Hier verliert das Naturschutzrecht seine Wirkung, weil es mit dem Baurecht des Bauherrn kollidiert, das in diesem Fall Priorität hat.

Aber sowohl Neuhaus wie Kasek wiesen auf das eigentliche Problem hin, das durch die rege Bautätigkeit in Leipzig entsteht: Im ganzen Stadtgebiet gehen auf diese Weise wertvolle Baumbestände verloren. Und Alternativflächen für Ersatzpflanzungen gibt es in diesem Ausmaß gar nicht. Da ist es besonders tragisch, wenn dann auch noch – wie am Wilhelm-Leuschner-Platz – eine Grünfläche abgeholzt wird, obwohl noch nicht mal eine Baugenehmigung in Sicht ist.

Die Debatte vom 19.01.2022

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