Seit einigen Wochen treibt eine Informationsvorlage zum Elster-Saale-Kanal durch die Ausschüsse, als gäbe es weder eine Alternative noch Kritik. Im Gegenteil. Man serviert das Papierhäppchen mit Mayonnaise. Attraktivitätssteigerung, Einkommenseffekt, Synergieffekt heißen die Phrasen, mit denen auch die Vorlage, die am 15. Mai im Leipziger Stadtrat abgestimmt werden soll, gespickt ist.

Und es ist nicht nur eine Informationsvorlage. Es ist auch ein Beschluss, das Projekt “Anbindung des Saale-Elster-Kanals an die Saale” zu unterstützen. Und da nur die bekannte “Potenzialanalyse” zum Ausbau des Kanals für 106 Millionen Euro dran hängt, kann es auch nur dieses Projekt sein, dass der Oberbürgermeister Leipzigs da dem Stadtrat zum Abnicken vorlegt. Andere “Variantenuntersuchungen” gibt es nicht. Auch wenn im Text ohne Gänsefüßchen zu lesen steht: “Bei der Untersuchung der Varianten und Ausbaustufen einer schiffbaren Verbindung kam – neben den technischen, touristischen und wirtschaftlichen Aspekten – den naturschutzfachlichen Belangen eine entscheidende Bedeutung im Hinblick auf die Umsetzungsfähigkeit zu.”

Dabei gibt man ehrlicherweise zu, worum es die ganze Zeit geht: “Die Dimensionierung des neu zu bauenden Kanals orientiert sich dabei an der Größe der Saale-Schleusen, so dass Sportboote, Fahrgastschiffe etc. mit einer Länge von bis zu 45 m den Kanal nutzen können.”

Wer dann nach Variantenuntersuchungen für kleinere Boote oder gar wirklich umweltschonenden Betrieb mit muskelbetriebenen Booten und einer Maximalzahl etwa von Leipzig Booten sucht, findet sie nicht. Sie wurden werden skizziert noch berechnet. So entstehen die berühmten deutschen Großprojekte, die die Steuermillionen verschlingen zum Ruhme einiger Weniger.

Dass es auch anders ginge, zeigt die Grobkalkulation für das geplante Großbauwerk: “Für den Bau des noch fehlenden Kanalabschnitts werden Investitionskosten von rund 106 Mio. Euro angeführt. Davon entfallen rund 39 Mio. Euro auf den Wasserbau und ca. 38 Mio. Euro auf den Bau eines Schiffshebewerkes. Für Straßen- und Wegebau, Ingenieurbau, Grunderwerb und Maßnahmen des Naturschutzes würden weitere ca. 29 Mio. Euro Kosten anfallen.”

Auch wenn es die Zahlen für ein wesentlich schlankeres Projekt ohne Luxusliner und Hebewerk nicht gibt, lassen diese Zahlen erahnen, dass man den Kanal auch für wesentlich weniger Geld bekommen könnte.

Dass nur diese Variante vorgelegt wird, hat auch seine Ursache in den spekulativ ermittelten Zahlen einer künftigen Nutzerfrequenz. Die aber in der Vorlage nicht mitgegeben wird. Es werden nur Zählungen vom Karl-Heine-Kanal angeführt, wo es an Spitzentagen 500 Bootsbewegungen gibt. Aber das sind vor allem muskelbetriebe kleine Boote und keine Motorboote außer der verkehrenden “MS Weltfrieden” und den Booten von Boots-Herold.

“Mit Fertigstellung des Saale-Elster-Kanals werden jährliche Unterhaltungskosten von rund 1,1 Mio. Euro erwartet”, heißt es noch in der Vorlage.

Und dann kommt die alte Rechnung als Anlage, mit der die Studienersteller versuchen, ihr Mega-Projekt als wirtschaftlich darzustellen. Was es nicht ist. “Dem gegenüber würde sich aus der Nutzung des fertiggestellten Kanals ein jährlicher Nettoumsatz von etwa 19 Mio Euro mit einem regionalen Einkommenseffekt von ca. 9 Mio Euro ergeben, von welchem die einheimische Wirtschaft in hohem Maße profitieren würde. Hinzu kämen weitere knapp 66 Mio Euro Wertschöpfung aus den Investitionen für den Kanalausbau (einmalig) sowie ca. 0,9 Mio Euro aus der jährlichen Unterhaltung.”

Mit einer Wirtschaftlichkeitsberechnung hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun. Der Kanal selbst generiert keine Einnahmen. Null Euro. Das ganze Projekt wird zum größten Teil aus Steuergeldern finanziert und betrieben. Oder wie es in der Vorlage so lax heißt: “Ein detailliertes Finanzierungskonzept für den Bau und die Baunebenkosten kann erst nach den weiteren Untersuchungen erarbeitet werden. Dabei sind verschiedene Fördermöglichkeiten, Stiftungen, privates Engagement usw. zu berücksichtigen.”

Fördergelder sind immer Steuergelder. Und man hat schon emsig vorgefühlt, welche Regierungsbehörde bereit wäre, hier das Geld in die Landschaft zu kippen: “Darüber hinaus erfolgte eine Präsentation und Diskussion der Ergebnisse in den zuständigen Ministerien beider Bundesländer – am 11.07.2012 vor Vertretern des SMI, des SMWA und des SMUL sowie am 15.08.2012 bei Herrn Minister Webel und weiteren Vertretern des MLV (Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr Sachsen-Anhalt). Es wurde bei beiden Terminen deutlich, dass man dem Projekt grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber steht. Jedoch sind für eine entgültig Positionierung für einen Mitteleinsatz weitergehende planerische Schritte notwendig.”

Den Schreibfehler mit dem “entgültig” lassen wir hier einfach stehen. Das ist ein klassischer Freud’scher Verschreiber.

Und was stimmt an den Wirtschaftlichkeitsberechnungen nicht? – Die großen Summen, die den Stadträten hier als “Wertschöpfung” verkauft werden, sind nichts anderes als die in der Region mit den eingesetzten Steuergeldern ausgelösten Aufträge: Aus den 106 Millionen Euro für den Kanalbau 66 Millionen Euro, aus den jährlichen Unterhaltungsmaßnahmen 0,9 Millionen. Michel Steuerzahler wird also mit Eifer das Geld aus der Tasche gezogen, um mit seinem Geld “Wertschöpfung” zu spielen.

Aber das hat mit der Wirtschaftlichkeit des Kanals nichts zu tun. Die tritt erst ein, wenn der Kanals die investierten Gelder wieder einspielt. Was er nicht tut.

Mehr zu diesem Teilthema gleich an dieser Stelle.

Der Text der Vorlage, die am 15. Mai in den Leipziger Stadtrat soll:

http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/529455CDE143D7ACC1257B1A002B46D1/$FILE/V-ds-2851-text.pdf

Die “Wirtschaftlichkeitsberechnung” für den gläubigen Michel:

http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/529455CDE143D7ACC1257B1A002B46D1/$FILE/V-ds-2851-anlage2.pdf

Mit dem Beschluss ist die Unterstützererklärung verbunden:

notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/529455CDE143D7ACC1257B1A002B46D1/$FILE/V-ds-2851-bsdbl-rv.pdf

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