Spaziert man als Fremder an einem sonnigen Sommertag durch den kleinen Ort Pödelwitz, wähnt man sich in einer heilen Welt: Alte, prächtige Bäume, viel Grün, sehr gepflegte Grundstücke, Fachwerkhäuser, eine schöne Kirche, die über allem thront, eben eine Idylle. Wäre da nicht der südliche Ortsausgang, wo man fast gegen das Firmenschild der Mibrag läuft.

Wie eine Spinne hockt da die Bergbaufirma, versteckt hinter altem Baumbestand und grünen Hecken. Und wie eine Spinne wartet das Bergbauunternehmen darauf, dass es sich auf seine Beute stürzen kann, die sich schon fest im Netz verheddert hat. All das, was sich hier über Generationen entwickelt hat, aufgebaut und gepflegt wurde, soll in ein paar Jahren schnöden, stählernen Baggerschaufeln zum Opfer fallen. So, wie es schon vielen Orten hier in der Gegend ergangen ist.

Und der Hunger nach der Braunkohle, die so viel Geld verspricht, ist noch lange nicht gesättigt. Auch der im Westen von Leipzig gelegene Ort Röcken soll dieses Schicksal ereilen. Der Philosoph Friedrich Nietzsche (1844 – 1900), der einst seine Kindheit in Röcken verbrachte, hätte angesichts der Gier des Kapitals sicher einige sarkastische Bemerkungen zum Besten gegeben.Aber selbst noch so feinsinnige, subversive Sätze hätten keine Chance gegen berechnende Betriebswirtschaftler, denen Philosophie ebenso fremd ist, wie die Vorstellungskraft, was es wohl bedeutet, wenn man aus seiner Heimat vertrieben wird. Wiewohl sie das am grünen Tisch eifrig betreiben. Und da wird schon mal gerne übersehen, dass doch nicht alle Pödelwitzer so ganz freiwillig in die Leimrute der großzügigen Umzugsangebote tappen wollen.

Bisher hieß es immer, dass lediglich sieben Familien des 130-Seelendorfes das Angebot der Mibrag abgelehnt haben, von ihrem angestammten Ort ins benachbarte Groitzsch umzuziehen. Dort wird auf erschlossenem Grundstück schon alles für die Neu-Pödelwitzer Umsiedler vorbereitet. Doch wie alle Statistiken verdient auch diese ein genaueres Hinsehen.Denn die sieben Familien, die sich gegen die Pläne der Mibrag auflehnen, repräsentieren immerhin 20 Prozent der Bewohnerschaft. Das hört sich doch gleich wieder ganz anders an. Und spricht man mit Vertretern der Bürgerinitiative “Pro Pödelwitz”, die im Frühjahr 2013 gegründet wurde, hört man Entschlossenheit aus den Stimmen. Entschlossenheit und die Überzeugung, dass man sich im Recht sieht, wenn man hier die “renitenten Wutbürger” gibt.

Im Innenhof des historischen Dreiseitengutes von Jens Hausner, dem Sprecher von “Pro Pödelwitz”, warte ich zusammen mit dem Hausherrn auf zwei weitere Vertreter der Bürgerinitiative, um mit ihnen ausführlich über die Problematik und die Hintergründe zu reden. Es sind seine Nachbarn, die sich schnell noch ein “gutes” Hemd anziehen, weil die Presse da ist.

Hausners Besitz ist ein alter, gepflegter Fachwerkhof. Hier haben sich im Laufe vieler Generationen unzählige Geschichten und Schicksale abgespielt. Weltkriege wurden schadlos überstanden so wie einige Jahrzehnte sozialistischer Mangelwirtschaft. Da muss schon die Mibrag kommen, um dem Ganzen zu Leibe zu rücken. Demzufolge soll das alles verschwinden, soll gelebte Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes in den Brennkammern des Lippendorfer Braunkohleriesen verheizt werden. Alles im Namen des schnöden Mammons. Eine Vorstellung, die Wut und Verzweiflung bei den nicht umzugswilligen Pödelwitzern hervorruft. Und Widerstand und Ablehnung gegenüber jeglichen Verhandlungsversuchen von Seiten der Mibrag.

Jens Hausner bekräftigt das: “Wenn die bei uns auftauchen würden, würden wir sie auffordern, sofort unseren Hof zu verlassen. Auf irgendwelche Gespräche lassen wir uns erst gar nicht ein. Es ist nämlich gar nicht so, wie es immer in den Medien dargestellt wird, dass alle Pödelwitzer das Gespräch mit der Mibrag suchen. Wir suchen das Gespräch nicht und es wird auch keine Gespräche mit der Mibrag geben, dazu fehlt auch die rechtliche Grundlage.”

Demnächst in der L-IZ: Der Fall Pödelwitz: “Hier wurde den Leuten was vorgegaukelt” – Warum sich die Bürgerinitiative im Recht sieht und auf die Landesregierung hofft (3)

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