Wie weiter an der Pleiße? Das ist noch völlig offen, kann nun der Grünen-Landtagsabgeordnete Wolfram Günther erst einmal feststellen. Der Einspruch des Leipziger Ökolöwen gegen die Störstellenbeseitung auf der Pleiße vom Connewitzer Wehr bis zum Agra-Wehr ist vorübergehend eingestellt, teilte ihm Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) auf Nachfrage mit. Man erinnert sich an die Grüne Keiljungfer.

Die ist nicht ganz neu im Gebiet, gehört zu den markanten Arten im Schutzgebiet südlicher Auewald. Genauso wie der Eisvogel. Das wissen eigentlich alle, die dort mit der Entwicklung des Gewässernetzes zu tun haben. Aber irgendwie hielt man das im Planfeststellungsbeschluss für diesen Pleißeabschnitt, auf dem künftig gewässerangepasste Boote pleißeaufwärts und irgendwann auch mal auf der “Wasserschlange” zum Markkleeberger See fahren sollen, nicht für so wichtig.

Dass man es irgendwie berücksichtigen müsste, dass man es beim Bereinigen der Gewässersohle, beim Beseitigen von Sandbänken und beim Befestigen von Ufern mit diversen typischen Vertretern der Auenwaldfauna zu tun bekäme, das steht schon im Planbeschluss – aber nur als “ergebnisoffene Prüfsystematik”, was immer die Verantwortlichen für das 1,7 Millionen Euro teure Projekt, für das im Herbst die Baugenehmigung drohte auszulaufen, sich gedacht haben mögen. Vielleicht als Uferbegehung während der Baggerarbeiten? Oder als Meldeverfahren für den Baggerkapitän, falls er mal eine Keiljungfer sichtet?

Irgendwie geht das so nicht. Das fand auch die obere Wasserbehörde, die Landesdirektion Leipzig, die aufgrund der Anzeigen des Ökolöwen zur Grünen Keiljungfer und zum Eisvogel erst einmal die Aufgabenträger zu einer Prüfung des Sachverhalts aufforderte.

Das sind die Stadt Markkleeberg und die Stadt Leipzig, die die Federführung für das Projekt an den Zweckverband Kommunales Forum Südraum Leipzig übertragen haben.

Es ist eben nicht nur eine Säuberung des Flussbetts, sondern ganz eindeutig Teil der Herstellung einer Befahrbarkeit. “Schiffbarmachung”, schrieb Günther.

Drei Flachstellen sollen entfernt werden, die Gewässersohle wird mit Steinschüttung befestigt. Unter den vier Brücken im Abschnitt (Eisenbahnbrücke, Goethesteig, Weißes Haus, Agra Park) sollen die Böschungen angepasst werden, dasselbe an diversen “Niederfahrten an den Ufern”, teilweise sollen Sohle und Böschung ganz neu profiliert werden. Lauter richtige Baumaßnahmen, die im Grunde eine intensive Beteiligung der Umweltverbände im Planungsvorlauf bedingen. Und eine naturschutzfachliche Grundlagenerhebung. Aber die scheint nicht erfolgt zu sein.

Sonst hätte die Obere Naturschutzbehörde der Unteren Naturschutzbehörde jetzt nach dem vorläufigen Abbruch der Arbeiten keine Prüfung zur Betroffenheit “besonders und streng geschützter Arten” aufgetragen. Darum geht es im südlichen Auenwald nun immer wieder. Und diese Prüfung betrifft nicht erst die beiden weiter flussaufwärts gelegenen Bauabschnitte, sondern zuerst einmal den Bauabschnitt 1, in dem für 213.000 Euro der untere Pleißeabschnitt bereinigt werden soll. Schon dort geht es direkt in den Siedlungsraum der beiden gemeldeten Arten.

Und eines ist jetzt schon wahrscheinlich: “Die Landesdirektion Sachsen geht aktuell davon aus, dass es im Ergebnis dieser Untersuchungen zu einem Antrag auf Planänderung kommen kann”, so Schmidt. Verbindlich könne er das noch nicht sagen. Es wird ja noch geprüft. Aber kommt es zu einem Planänderungsverfahren, ist die Beteiligung der Naturschutzvereinigungen gesetzlich wieder vorgeschrieben.

Und dann versucht Schmidt den Spagat, den auch die Entwickler des Projekts schon gemacht haben: Er verweist auf die im Planfeststellungsbeschluss eingeschriebnene “ergebnisoffene Prüfungs- und Vorgehenssystematik für den Fall des Antreffens besonders und streng geschützter Arten”. Eine Aussage, bei der die Leipziger Naturschützer wahrscheinlich Heul- und/oder Lachkrämpfe bekommen. Denn wenn man im Spätherbst anfängt zu bauen, trifft man die Arten natürlich nicht an. Und wenn man im Frühjahr schweres Gerät auffährt, erst recht nicht. Und die Grüne Keiljungfer sieht man auch erst im Hochsommer fliegen. Da wäre das Projekt längst durchgezogen.

Noch deutlicher wird dann Schmidts Aussage: “Die aktuell eingeleitete Überprüfung orientiert sich an dieser Systematik.”

Was ja wohl heißt: Wenn der Ökolöwe nicht Alarm gerufen hätte, wäre gar nichts passiert. Man hätte einfach drauflosgebaggert und niemand hätte “geprüft”.

Denn irgendeine Art von Verunsicherung lässt auch Schmidt nicht merken, als er Günther einfach mal erklärt: “Aktuell ist nicht zu erkennen, dass durch das Vorhaben ‘Störstellenbeseitigung in der Pleiße’ gegen geltendes Bundes- und EU-Recht wie die Natura-2000-Richtlinien und die EU-Wasserrahmenrichtlinie verstoßen wird.”

Natürlich nicht, wenn die hier agierenden Behörden einfach so tun, als müsse man hier nicht mit schützenswerten Arten rechnen. Und genau das haben sie getan. Das hat Wolfram Günther vom Minister nun schwarz auf weiß: “Vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses wurden keine artspezischen Untersuchungen der Tier- und Pflanzenwelt in und an derf Pleiße durchgeführt, da zu diesem Zeitpunkt keine spezifischen Hinweise auf das Vorkommen besonders und streng geschützter Arten vorlagen.”

Das wird man in der Unteren Naturschutzbehörde wohl völlig anders sehen als die Naturschutzverbände.

Die Vorhabenträger sollen jetzt Unterlagen vorlegen, “aus denen sich ableiten lässt, ob und in welchem Umfang besonders und streng geschützte Arten durch die Durchführung weitergehender Arbeiten im Gewässerbett beeinträchtigt werden könnten.” Und die Untere Naturschutzbehörde (das Amt für Umweltschutz) soll das dann fachlich bewerten.

Und dann wird die große Frage sein, ob die Landesdirektion einfach Grünes Licht gibt für die verbleibenden Bauabschnitte 2 und 3, oder ob sie die emsig bauenden Kommunen zwingt, die Pläne den natürlichen Gegebenheiten im Schutzgebiet anzupassen.

Kleine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Wolfram Günther.

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