Da kommt was auf ihn zu, den sächsischen Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). Reihenweise hat ihm sein Vorgänger Baustellen hinterlassen, auf denen er jetzt wieder Vertrauen herstellen muss. Doch hat er auch die Kraft dazu und den Mut? Bei ÖPNV und Energiewende sieht es bislang noch nicht so aus. Beim Fluglärm über Leipzig auch nicht. Gerade erst hat sein Ministerium eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Vorsitzenden der Fluglärmkommission, Manfred Heumos, abgeschmettert.

Soll es also einfach so weitergehen mit einer Fluglärmkommission, die ihren Namen nicht verdient und deren Zusammensetzung den Betreibern des Flughafens die Mehrheit beschafft? Da werden auch Anträge, die die so zäh errungenen Verbesserungen beim Lärmschutz zurückdrehen wollen, wieder versucht rückgängig zu machen. Und die Betroffenen aus den umliegenden Gemeinden und Städten sitzen am Katzentisch und sind mit einer Politik konfrontiert, die sich nicht einmal bemüßigt fühlt, das Thema ernst zu nehmen.

Zur Zusammensetzung der Fluglärmkommission schrieb L-IZ-Leser Dr. Matthias Gründig aus Böhlitz-Ehrenberg ein paar deutliche Worte, nachdem die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den CDU-Mann Manfred Heumos einfach kassiert worden war:

„Es ist schon ein starkes Stück von der Landesregierung in Dresden, sich beim Thema Fluglärmkommission (FLK) für etwas nicht verantwortlich zu fühlen, für das man nach Bundes- und Landesrecht die Zuständigkeit besitzt. Offensichtlich werden in der Landeshauptstadt wirtschaftliche Interessen gnadenlos zum gesundheitlichen Nachteil betroffener Bürger durchgesetzt. Wieso sind die betroffenen Ortschaften Burghausen, Lindenthal, Lützschena-Stahmeln etc. und die Bürgerinitiativen mit ihrer fachlichen Kompetenz nicht in der FLK vertreten?

Wieso hat Leipzig nur eine Stimme in dieser Kommission? Wirtschaftsvertreter wie die IHK sind vom Fluglärm nicht betroffen und haben in der FLK auch nichts zu suchen. In der aktuellen Besetzung der FLK hat die Flughafenlobby klar die Oberhand und somit ist ein Interessenausgleich zwischen Verursacher und Betroffenen des Fluglärms grundsätzlich ausgeschlossen und auch nicht gewollt.

Man ist unter sich und Leipzig ist dabei nur Statist. Die Anpassung der Zusammensetzung der FLK an die tatsächlichen Gegebenheiten ist dringend erforderlich. Nur eine paritätische Verteilung der Sitze auf Verursacher und Betroffene des Fluglärms ergibt Sinn. Andere Flughäfen wie z. B. Frankfurt und Hannover geben dafür gute Beispiele. Auch die oben beschriebene Arroganz von Politik und Verwaltung sowie deren Bemühungen, Demokratie zu verhindern, treiben die Bürger in diesen Tagen auf die Straße.“

Doch seit ein paar Wochen tingelt der Flughafen mit dem Vorhaben durch die Gremien, die Triebwerksprobleläufe, die seit 2012 nur noch in der dafür gebauten Halle stattfinden dürfen, doch wieder zum Teil im Gelände durchführen zu lassen.

Auch das landet jetzt auf dem Tisch von Verkehrsminister Martin Dulig, der seine ersten 100 Tage im Amt nicht wirklich genutzt hat, auch das Thema Fluglärm neu zu besetzen.

Paul Gabriels hat ihm als Sprecher der Bürgerinitiative Gegenlärm Schkeuditz jetzt einen entsprechenden Brief geschrieben. Erst am 30. Januar hatte die Bürgerinitiative bilanziert, dass bis Ende 2014 erst die Hälfte der versprochenen passiven Schallschutzmaßnahmen im so gern beschworenen Fluglärmschutzgebiet umgesetzt wurden – vor allem Lärmschutzfenster. Sieben Jahre für die Hälfte der Maßnahmen, die die direkt betroffenen Bürger ein wenig vom nächtlichen Fluglärm entlasten sollen? Das zeugt nicht gerade von einer straffen Umsetzung.

Aber dass die Flughafenbetreiber jetzt die lauten Probeläufe für Triebwerke zum Teil wieder ins Freie verlegen wollen und dazu auch schon mal im Schkeuditzer Stadtrat aufgeschlagen sind, das sorgt nun langsam auch dafür, dass auch die Schkeuditzer nicht mehr alles hinnehmen, wie es ihnen serviert wird. Und die in der letzten Woche entfachte Diskussion um die Übernahme von Anteilen des Flugbetriebs vom Flughafen Berlin/Schönefeld sorgt vielleicht bei einigen Unternehmen für frohe Erwartungen.

In Schkeuditz und Umgebung schürt das nur neue Ängste. Und dass Martin Dulig auch den Triebwerksprobeläufen im Freien zustimmen will, sorgt erst recht für Empörung. Da kommt dann wirklich irgendwann die Frage auf, an wen sich die Bürger noch wenden können, wenn selbst die gewählten Politiker sich nur noch als Sachwalter der großen Unternehmen sehen.

Der Brief von Paul Gabriels an den sächsischen Verkehrsminister Martin Dulig:

Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Herrn Staatsminister Martin Dulig

Postfach 10 03 29
01073 Dresden

Schkeuditz, 4. März 2015

Sehr geehrter Herr Minister Dulig,

Betr: Antrag der Flughafen Halle-Leipzig GmbH für zusätzliche Triebwerksläufe bei Nacht außerhalb der dafür festgelegten Halle

Der Flughafen Leipzig-Halle, ist derzeit bereits die lauteste siedlungsnahe nächtliche Lärmquelle, die zu Ihrem Verantwortungsbereich gehört.

In der Presse war zu erfahren, dass die Staatsregierung bzw. Sie, Herr  Minister Dulig,  planen, dem Antrag der Flughafen Leipzig-Halle GmbH auf nächtliche Triebswerksprobeläufe außerhalb der dafür rechtlich festgelegten Halle zuzustimmen.

Wirtschaftlichen Interessen wird hier u.E. klar und deutlich und ohne Skrupel gegenüber den lärmgeplagten Anwohnern vom Flughafen der Vorrang gegeben.

Wissenschaftlich belegte, durch Fluggerät verursachte gesundheitsschädigende Beeinträchtigungen für die Bevölkerung, werden damit wieder einmal ignoriert.

Das im Grundgesetz verankerte Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2, Abs. 2 GG) wird, wenn die Genehmigung erteilt werden sollte, erneut mit Füßen getreten.

Dabei können die beantragten zusätzlichen nächtlichen Triebwerk Probeläufe durchaus ohne nennenswerte wirtschaftliche Schäden tagsüber in der dafür eigens für viele Millionen DM gebauten Halle stattfinden.

Die Bevölkerung kann eine Genehmigung zur Aufweichung der entsprechenden Bestimmungen des Planfeststellungsbeschlusses vom 4. November 2004 (in der Fassung der 4. Änderung vom 10. Juni 2008) durch das eingeleitete Änderungsgenehmigungsverfahren (nach § 6, Abs. 4, Satz 2 Luftverkehrsgesetz) nicht nachvollziehen.

Die schon arg von Fluglärm geschädigten Menschen im Umfeld des Flughafens Halle/Leipzig werden eine evtl. erteilte Genehmigung auch nicht klaglos hinnehmen.

Wir verweisen, Herr Minister, auf Ihre eigene im Wahlkampf getätigte und immer wieder gerne von Ihrem Ministerium als Standardsatz verbreitete Aussage:

„Der Schutz der Menschen vor Fluglärm besitzt für das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) eine hohe Bedeutung. Deshalb nehmen wir Ihre Bedenken sehr ernst.“

Wir bitten Sie, dieses Versprechen einzuhalten.

Im Übrigen, sehr geehrter Herr Minister, ist es mehr wie bedenklich, wie die Flughafen Leipzig-Halle GmbH mit ihren eigenen Versprechen umgeht.

Zitat:

Im Unternehmens-Register vom 15.10.2012 findet sich der vom Flughafen selbst getätigte Eintrag „Das entsprechend Planfestellungsbeschluss für die Start- und Landebahn Süd mit Vorfeld vom 04. November 2004 festgesetzte passive Schallschutzprogramm wird trotz Erweiterung um ca. 20 % mit dem Ziel fortgeführt, BIS 2012 SÄMTLICHE ANTRÄGE AUF SCHALLSCHUTZ AUFZUNEHMEN UND BIS ENDE 2013 ABZUSCHLIESSEN“.

Zitat Ende.

Aber nicht einmal 50 % der Anträge, die seit 2008 von den betroffenen Bürgern ordnungsgemäß gestellt wurden, sind bis zum heutigen Tag abgeschlossen!!

Dass der Flughafen angesichts der Nichteinhaltung seiner eigenen Versprechen die dringlichen Lärmschutzmaßnahmen für die Bevölkerung nicht zeitnah zu realisieren vermag, dann aber einen Antrag mit der Folge weiterer Lärmbelästigung den Menschen zumutet, erscheint uns als zu tiefst Menschenverachtend. Wirtschaftsinteressen wird auch hier gegenüber Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen der Vorrang gegeben.

Wir hoffen sehr, Herr Minister, dass Sie mit der Ablehnung des o.g. Antrags Ihrem Amtseid und Ihren Wahlversprechen gegenüber der Bevölkerung nachkommen werden.

Paul Gabriels

Sprecher der Bürgerinitiative Gegenlärm Schkeuditz

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