Ab und zu findet auch das Wassertouristische Nutzungskonzept (WTNK) die Aufmerksamkeit der einen oder anderen Stadtratsfraktion. Diesmal war es die Grünen-Fraktion, die ihre Bauchschmerzen deutlich machte, dass der Gewässerverbund auf Grundlage eines nirgendwo demokratisch legitimierten Papiers vorangetrieben wird. Also hat sie der Stadtverwaltung ein kleines Fragenpaket serviert. Der Umweltbürgermeister hat geantwortet.

Immerhin hatten die Grünen in ihrer Anfrage festgestellt, dass das Wassertouristische Nutzungskonzept (WTNK) eigentlich keine gesetzliche Planungsgrundlage darstellt.

“Für die Region Leipzig wurde vor ca. zehn Jahren ein Wassertouristisches Nutzungskonzept (WTNK) erarbeitet. Dieses Konzept ist weder genehmigt noch von einem demokratisch legitimierten Gremium beschlossen worden. Auf Grundlage dieses Papiers werden sehr zahlreiche Einzelmaßnahmen zur Beförderung des Gewässertourismus mit sehr weitreichenden Eingriffen und Wirkungen auf den Naturhaushalt ausgelöst. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung aus dem Jahr 2007 (2. Phase) ist inzwischen deutlich veraltet und genügt nicht den Anforderungen des novellierten Bundesnaturschutzgesetzes von 2010 und der rechtlichen Konkretisierung der FFH-Richtlinie”, stellten sie fest.

Immerhin eine Kritik einer demokratisch legitimierten Ratsfraktion, auf die die Leipziger Verwaltung dann auch eingehen musste.

Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke) zu dem für die meisten Leipziger bis heute nicht begreifbaren Konstrukt, mit dem der Gewässerausbau im Neuseenland seit 2007 gesteuert wird:

“Das Wassertouristische Nutzungskonzept (WTNK), beauftragt durch den Grünen Ring Leipzig in Zusammenarbeit mit dem Zweckverband Kommunales Forum Südraum Leipzig (ZV KF SL) und der LMBV 2005, wurde im Jahr 2007 mit der Natura 2000-Verträglichkeitsuntersuchung für ausgewählte Bereiche fertiggestellt. Der Prozess war sehr offen angelegt und alle anerkannten Naturschutzvereine, Sportvereine und einschlägigen Behörden in den Prozess involviert”, erläutert er.

Wer ist eigentlich der Grüne Ring?

Im Grünen Ring haben sich Leipzig und die umliegenden Gemeinden und Landkreise 1996 zusammengetan, um Aufgaben der Landschaftsentwicklung, touristischen Wegeplanung oder der Gewässerunterhaltung gemeinsam zu koordinieren. Eigentlich hätten sie dafür einen Zweckverband gründen können, sie haben aber lieber einen freiwilligen Zusammenzuschluss gebildet – die Planungshoheit (anders als bei einem Zweckverband) bleibt bei den Kommunen. Der Grüne Ring kann also nicht beschließen. Das müssen dann, wen man sich abgestimmt hat, die Kommunen auf ihrem Gebiet selber tun.

Was natürlich auch heißt: Wenn die Leipziger auf ihrem Gebiet ein Projekt nicht wollen, können sie im Leipziger Stadtrat dagegen stimmen.

Das WTNK gehört nicht dazu. Das haben die Verwaltungsspitzen quasi in Eigenregie als Grundlage ihrer Arbeit angenommen und dann im nächsten Schritt versucht in die geltenden gesetzlichen Rahmenpläne in der Region einzubauen. Das sind:

– der Regionalplan von 2008 (mit dem der Regionale Planungsverband Westsachsen arbeitet)

– die Braunkohlepläne (mit denen sich vor allem die LMBV als Sanierer beschäftigt)

– und die Flächennutzungs- und Landschaftspläne der Kommunen.

Nach Vorstellung und Annahme des WTNK “durch Vertreter der Behörden und Institutionen im Leipziger Neuseenland wurde sich einerseits darauf verständigt, zur Umsetzung der Schlüsselmaßnahmen eine kommunale und behördliche Grenzen übergreifende Steuerungsgruppe zu gründen (arbeitsfähig seit 2007, Sprecher: Herr Landrat Dr. Gey, Geschäftsstelle: Landkreis Leipzig). Andererseits wurde festgelegt, die Ergebnisse in die einschlägigen Planungsgrundlagen einzuarbeiten. Dies erfolgte u. a. im geltenden Regionalplan 2008, in den Braunkohleplänen als Sanierungsrahmenpläne für die verschiedenen Tagebaubereiche und in den Flächennutzungs- und Landschaftsplänen der Kommunen, so auch in der Stadt Leipzig. Weiterhin flossen die Ergebnisse in das SEKo und in die Umsetzung des Integrierten Gewässerkonzeptes Leipzig ein.”

Mit der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland hat man also die nächste Organisation, die von den Behörden im Raum Leipzig gebildet wurde, um die Gewässerentwicklung gemeinsam abzustimmen. Ein behördliches Abstimmungsgremium also. Auch nicht demokratisch gewählt. Alles, was hier beschlossen wird, muss dann wieder in den kommunalen Parlamenten beschlossen werden.

Stadtrat wurde 2008 über das WTNK informiert

“Der Stadtrat von Leipzig wurde mit der DS Nr. IV/2742 in der Ratsversammlung am 17.12.2008 umfassend über das WTNK informiert”, so Rosenthal. Den Text der damaligen Stadtratsinformation haben wir unten mit verlinkt. Und Rosenthal betont auch noch etwas, was selbst Leipzigs Stadträten oft nicht bewusst ist: “Für jede einzelne Maßnahme wurden und werden Genehmigungsverfahren nach Bau- und Wasserrecht, Planfeststellungsverfahren, Beschlüsse des Stadtrates etc. durchgeführt bzw. eingeholt.”

Denn natürlich hat die Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland kein eigenes Geld. Sie kann nur auf Ämter- und Dezernatsebene die nächsten Projekte zur Entwicklung des Gewässerverbundes abstimmen – die demokratische Legitimation dafür müssen sich die Landräte und Bürgermeister bei ihren jeweiligen Kommunalparlamenten holen. Mitsamt dem Geld. Denn das haben nun einmal nur die anerkannten Gebietskörperschaften. Und auch nur sie bekommen (wenn es welche gibt) die nötigen Fördermittel.

Rosenthal: “Die Finanzierung erfolgt über Eigenmittel der Stadt Leipzig bzw. der Bauherren, diverse Fördermittel (§ 2 und 4 V. / VI. VA BKS, GA-Infra, FRW, SDP, Jessica, SUO, SEP, KStB etc.) sowie private Investoren.”

Noch ein Mitspieler: das Kommunale Forum Südraum Leipzig

Was so auch noch nicht ganz stimmt. Denn wenn Bauprojekte über Kommunalgrenzen hinausgehen, wird auch wieder nicht Leipzig als Bauträger aktiv, sondern überlässt das Projekt einem extra gegründeten Zweckverband. Der heißt Kommunales Forum Südraum Leipzig. Hier sind praktisch dieselben Kommunen versammelt, die auch im Grünen Ring Leipzig vertreten sind. Mit dem Unterschied, dass das Kommunale Forum eigene Planverfahren vorantreiben kann. Das betrifft zum Beispiel die Störstellenbeseitigung auf der Pleiße, die im Winter gestoppt werden musste, weil das artenschutzrechtliche Gutachten nicht aktuell vorlag (Stichwort: Grüne Keiljungfer, Eisvogel).

Es ist also kein Wunder, dass sich die Leipziger und anderen Bewohner des Neuseenlandes nicht mehr wirklich zurechtfinden, wenn es um die Verantwortung im Gewässerverbund geht. Zu viele Gremien arbeiten da scheinbar nebeneinander und durcheinander, obwohl sie im Kern nicht nur die selben Kommunalverwaltungen versammeln, sondern meist auch die selben Personen. Den Neuseenländern wäre tatsächlich geholfen, wenn all diese Parallelstrukturen in einer einzigen sichtbar verknüpft werden.

Dann könnte man auch eine einzige gemeinsame Informationsplattform schaffen, auf der jeder nachvollziehen kann, was alles von welchem Geld und mit welchem demokratischen Beschluss gebaut und finanziert wurde.

Jetzt müssen die Akteure der Steuerungsgruppe selbst sammeln, wie Heiko Rosenthal noch anmerkt: “Derzeit wird eine Vorlage zum Leipziger Neuseenland erarbeitet, welche u. a. die aktuellen Umsetzungsstände der Baumaßnahmen aufzeigt.”

Die Grünen hatten sich speziell zu den Konflikten des WTNK mit den aktuellen Naturschutzgesetzen erkundigt.

Dazu gleich mehr an gleicher Stelle.

Die gesamte Antwort zur Grünen-Anfrage zum WTNK.

Die Information zum WTNK für den Stadtrat aus dem Jahr 2008.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar