Oft kritisiert und trotzdem ein Mysterium ist das Wassertouristische Nutzungskonzept (WTNK), das Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des NuKla e. V., genauso seltsam findet wie die Unübersichtlichkeit der diversen Steuerungsgruppen im Neuseenland. Für ihn sind das alles Instrumente zum Aushebeln demokratischer Mitwirkung. Zweiter Teil des Interviews.

Aber auch das WTNK wird ja von Ihnen kritisiert, weil es den Wassertourismus auch in sensiblen Bereichen des Auwaldes durchsetzt. Braucht es da eigentlich andere Steuerungsgremien als die von Ihnen kritisierten Grüner Ring Leipzig und Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland?

Sie haben den Zweckverband Kommunales Forum Südraum Leipzig, den Regionalen Planungsverband Westsachen und vielleicht noch einige andere Gremien vergessen.

Grundsätzlich gibt das WHG (Wasserhaushaltgesetz) und darauf aufbauend das Sächsische Wassergesetz die Gewässernutzung vor. Und diese ist grundsätzlich unmotorisiert. Völlig gleichgültig, welches Gremium eine touristische Nutzung in welcher Form anstrebt. Was im Übrigen auch für den Auwald selbst, mit dem Bundesnaturschutzgesetz und darauf aufbauend dem sächsischen Naturschutzgesetz gilt.

Die Steuerungsgruppe gibt sich den Anschein einer Behörde, ist jedoch ein rechtliches Nullum. Was zur Folge hat, dass Gesetze, wie zum Beispiel die sächsische Gemeindeordnung keine Anwendung finden. Selbst Informationsrechte nicht vorhanden sind. Geschweige denn irgendeine Form der Mitgestaltung. Das ist schlicht behördliche Willkür.

Der sogenannte Grüne Ring Leipzig existiert durch einen interkommunalen Vertrag. Dessen Formulierung der Verwaltung so gelungen ist, dass sich der GRL seine Aufgaben selbst gibt. Erstaunlicherweise stört das die Stadträte nicht sonderlich. Können sie den im GRL avisierten Planungen doch keinerlei Ziel vorgeben. Allerdings haben die jeweiligen Kommunen ihr Planungsrecht nicht an diesen abgetreten. Was allerdings auch nicht nötig ist, werden im GRL doch Planungen entwickelt, die rechtlich keine Planungen sind, in den kommunalen Gremien dann aber doch als solche behandelt und dann beschlossen werden. Wenn das kein gelungenes Outsourcing von Demokratie ist?

Diesem Ansatz folgend, ist das WTNK ein rechtliches Nichts, das jedoch Grundlage für eine regionale Tourismusplanung ist. Daran ändert auch die gebetsmühlenartige Wiederholung der Beteiligung der Umweltverbände nichts. Diese scheinen über die rechtlichen Konsequenzen des WTNK getäuscht worden zu sein. Die Bürger selbst wurden überhaupt nicht beteiligt.

Es stellt sich somit nicht die Frage nach einem neuen Gremium, sondern danach, wie den bestehenden Gremien eine Arbeitsgrundlage gegeben wird, die den Gepflogenheiten eines demokratischen Rechtsstaates entsprechen.

Allerdings ist zwingend die Konzentration auf ein einziges Gremium erforderlich! Derzeit überblickt wahrscheinlich nicht einmal mehr die Verwaltung, welches Gremium sich denn gerade womit beschäftigt. Das ist nicht nur ineffektiv, sondern in höchstem Maße undemokratisch.

Braucht es überhaupt klare Regeln, die zum Beispiel Motorboote im Auwald generell verbieten?

Es gibt klare Regeln sowohl für die Gewässer- als auch die Nutzung des Auwaldes. Das sind sowohl das sächsische Wasser- als auch das Wald- und Naturschutzgesetz. Diese Gesetze verbieten Motorboote im Auwald. Übrigens auch auf den Tagebaurestlöchern. Lediglich für Sonderfälle vorgesehene Öffnungsklauseln gestatten den Betrieb von Motorbooten. Von den Behörden willkürlich und somit rechtswidrig zum Normalfall ausgeweitet. Oder, wie bei den Tagebaurestlöchern ohne jeden sachlichen Grund per Gesetz zugelassen.

Es gibt diese Regelungen also. Sie müssen nur angewandt und kontrolliert werden. Der letzte Männertag war hierfür symbolträchtig. Die Verwaltung hat überhaupt kein Interesse daran, geltende Regelungen umzusetzen.

Sinnigerweise steht im juristischen Teil des WTNK, verfasst vom Institut für Umwelt- und Planungsrecht der Uni Leipzig, dass es für die Umsetzung geltenden Rechts der Umweltgesetze und des Sächsischen Polizeigesetzes bedarf. Gerade nicht der Erklärung der Schiffbarkeit und der Sächsischen Schifffahrtsordnung! Obwohl letzteres gerade von der Verwaltung gebetsmühlenartig wiederholt wird. Jetzt unterstelle ich mal, dass auch die Verwaltung des Lesens mächtig ist und überlasse dem Leser das geneigte Urteil…

Die Motorboote waren ja auch Thema in den Bürgerwerkstätten im Neuseenland. In Borna sprach sich eine deutliche Mehrheit gegen die Freigabe der Seen und Gewässer  für spritbetriebene Motorboote aus. Genügt Ihnen das Versprechen der Steuerungsgruppe, künftig den Elektroboot-Betrieb zu favorisieren?

Wie die Eröffnung des Zwenkauer Sees und die dort zelebrierte Beweihräucherung ungezügelten Motorbootwahns zeigt, sind diese Versprechen nichts wert. Der Chef der ominösen Steuerungsgruppe Neuseenland, der sich noch letztes Jahr für eine Nutzung von elektrisch motorisierten Booten aussprach und weiß, dass es diese nur geben wird, wenn der Regionalplan entsprechend umformuliert wird, und zwar für alle Tagebaurestlöcher, will auch vergaserbetriebene Motorboote. Dessen Worte sind also nichts wert.

Drei Viertel der in der Bürgerumfrage zur Charta Befragten sprachen sich für sanften Tourismus aus und auch deutlich gegen die Zulassung von Verbrennungsmotoren (“nur in Ausnahmefällen”). Dürfen denn die einfachen Bürger auch einfach demokratisch abstimmen? Oder gerät damit nicht ein ganzes wassertouristisches Konzept ins Kippen?

Die Bürger selbst wurden doch nie befragt. Erst jetzt. Nachdem alle Weichen für eine motorisierte Nutzung der Gewässer gestellt worden sind.

Darüber hinaus gibt es keinen Wasser-Tourismus. Es gibt Naherholung am Gewässer und es gibt einen Stadt- und Kulturtourismus, in dessen Rahmen es auch der eine oder andere Tourist nicht versäumt, die Entwicklung der Tagebaurestlöcher zu betrachten oder auch ganz einfach eine geführte Tour durch den Auwald zu machen. Das ist alles andere als Gewässertourismus. Also ein Tourismus, der über die Gewässer nach Leipzig gelangt. Dieser soll ja erst geschaffen werden. Die Verwaltung zieht die Öffentlichkeit mit einem logischen Zirkelschluss am Ring in der Nase durch die Manege. Denn die Grundlagen für einen Gewässertourismus sollen mit dem Gewässerausbau ja erst geschaffen werden. Es gibt Wasserwanderer, für die die Bezeichnung Wassertourist zutreffen mag. Deren Zahl bildet jedoch keine ernsthafte Grundlage für das WTNK.

Doch halt, am Störmthaler See wurde 2005 eine repräsentative Bürgerumfrage im Rahmen einer Diplomarbeit erstellt. Schon dort haben sich die Anlieger zu 75 % für eine sanften Tourismus ausgesprochen. Von denen wiederum 25 % überhaupt keinen Tourismus befürworten. Die Reaktion der Bürgermeisterin Lantzsch war sinngemäß: Ich habe es vernommen, aber es interessiert mich nicht. Das, was am Störmthaler See passiert (Highfield, Motocross, Amphibienfahrzeug, Motorboote etc.) hat mit sanfter Seenutzung rein gar nichts zu tun. Gleichwohl hätte das Signal von den Behörden vernommen werden müssen. Statt dessen wurde es negiert und nicht beachtet. Insofern ist nicht verwunderlich, dass dieses Umfrageergebnis seine Bestätigung fand. Verwunderlich ist nur, dass die Behörden und „Akteure“, die mehrheitlich gegen die Bürger und Anlieger das Gegenteil einer sanften Seennutzung priorisieren, sich nunmehr vor dem Scherbenhaufen ihrer Politik sehen.

Wie sollte der Leipziger Stadtrat mit der “Charta” umgehen, die ihm jetzt zur Abstimmung vorliegt? Ist das Papier nicht ein gutes Rahmenwerk für eine sanfte Entwicklung des Neuseenlandes?

Der Leipziger Stadtrat hat in Unkenntnis der Gesamtheit der geplanten, umfassenden Entwicklung einzelnen Vorhaben zugestimmt. Würde der Stadtrat dieser Charta zustimmen, würde er damit willkürliches Verwaltungshandeln und die Veralberung der Bürger mit diesem vermeintlichen Beteiligungsprozess nachträglich absegnen und zum Normalfall politischer Willensbildung und demokratischer Prozesse machen.

Statt dessen wäre eine umfassende Aufarbeitung, des gesamten Prozesses erforderlich, eine klare Positionierung für die Einhaltung geltender Gesetze und deren Anwendung bei der Nutzung bestehender Natur. Was mitnichten der Fall ist. Insbesondere wäre eine klare Positionierung gegen die unsinnige und unsägliche Schiffbarkeit auf den hiesigen Gewässern erforderlich.

Wie sollte eigentlich eine Gesamtstrategie für den Auwald aussehen, wenn schon die Akteure vom SMUL über die Stadt bis hin zu den Naturschutzverbänden alle in eine andere Richtung ziehen?

Für diese Gesamtstrategie macht sich unser Verein seit seinem Bestehen stark: Die Ausweisung des Leipziger Auwaldes als UNESCO-Welterbe. Von uns bezeichnet als das „Grüne Band entlang der Weißen Elster“. Wobei uns klar ist, dass der Weg das Ziel ist. Auf diesem Weg müssen alle Leipziger und alle weiteren Anlieger aufmerksam gemacht werden, was da eigentlich vor iherer Haustür für ein ökologischer Schatz liegt, den es zu bewahren und zu schützen gilt. Und der vor einer Übernutzung oder einer Umgestaltung als Öko-Disneyland zu schützen ist. Auch und insbesondere für die nachfolgenden Generationen.

Der Auwald ist eben nicht nur „grün“. Er ist viel mehr!

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Gibt es denn keine Möglichkeit, als Privatperson oder Interessenverein, Strafanzeige gegen Herrn Jung als oberster und damit verantwortlicher Bürgermeister der Stadt zu stellen, oder wenigstens eine Unterlassung jeglicher weiterer Handlungen diesbezüglich zu bewirken?
Dieses in den beiden Teilen des Artikels beschriebene Unrecht darf doch nicht unbemerkt fortgeführt werden.
Ist hier denn kein juristisch gebildeter Mensch, dessen Herz für diese Stadt schlägt, dessen Seele für diese Gegend brennt, den es ebenso wie viele andere schmerzt
zu sehen, welche Willkür seiner Heimat widerfährt.
Das beschriebene offensichtliche Unrecht gehört gestoppt und bestraft.
Danach hat unverzüglich die Renaturierung eingeleitet zu werden.

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