Leipzig hat bei der Schaffung von Asylunterkünften einen Vorteil: Die Stadt kann allein entscheiden, wo auf die Schnelle Unterkünfte aus dem Boden gestampft werden. Schon in den angrenzenden Kommunen sieht es anders aus. Zwar sind einige quirlige Bürgermeister engagiert, dem zuständigen Landkreis geeignete Standorte zu empfehlen. Doch der Landkreis will dann oft anders. Auch gern mal ohne ausreichende Brandschutzausstattung. Beispiel Markranstädt.

Dort stimmten sich am 14. Januar die Fraktionsvorsitzenden des Stadtrates der Stadt Markranstädt mit dem Bürgermeister und der ersten Beigeordneten zu einer gemeinsamen Position zum Thema Asylunterkunft Hotel Gutenberg ab, nachdem Bürgermeister Jens Spiske zuvor einen langen Brief an alle Fraktionsvorsitzenden geschrieben hatte, in dem er die Haltung der Stadt zu möglichen Standorten für Asylunterkünfte in Markranstädt im allgemeinen und die Haltung zum Hotel Gutenberg im Speziellen erläutert hatte.

Das Treffen war kurzfristig auf Bitten des Ältestenrates einberufen worden. Fraktionsübergreifend war man sich dann einig, dass das Hotel sich nicht als Unterkunft für bis zu 180 Menschen eignet. Aus zwei guten Gründen – der eine ist die von Spiske ausführlich erläuterte offene Frage des Brandschutzes, der andere ist natürlich der Erhalt eines Hotels für den nicht ganz unwichtigen Tourismus in der Stadt am Westufer des Kulkwitzer Sees.

“Wir lehnen diese Lösung ab und fordern den Landkreis Leipzig auf, erneut über die bereits unterbreiteten Alternativvorschläge nachzudenken”, benannte Spiske die einhellige Meinung. Nach der Beratung stellten sich die Fraktionsvorsitzenden gemeinsam mit dem Bürgermeister den Fragen der auf dem Marktplatz versammelten Bürgerinnen und Bürgern.

“Wir stehen solidarisch zu den Menschen unserer Stadt, deren Ängste und Sorgen und werden alles versuchen, um das Hotel als Hotel zu erhalten”, erklärten Dr. Kirschner (CDU), Kirsten Geppert (FWM), Heike Kunzemann (Linke), Frank Meißner (SPD) und Bürgermeister Spiske.  Sie versprachen außerdem bei der nächsten “Donnerstagsdemo” anwesend zu sein und sich den Fragen der Bürgerinnen und Bürger zu stellen.

Der von Jens Spiske am 11. Januar an die Fraktionsvorsitzenden geschriebene Brief:

Sehr geehrte Damen und Herren Fraktionsvorsitzende,

Die Meldungen der örtlichen Presse werfen bei Ihnen möglicherweise einige Fragen auf, die ich gerne schon auf diesem Wege beantworten möchte.

Der heutigen LVZ können Sie entnehmen, dass der Landkreis feststellt, alle Bürgermeister des Landkreises seien seit September informiert, dass Kommunen über 5000 Einwohner mit zentralen Flüchtlingsunterkünften zu rechnen hätten.

Dazu stelle ich fest, dass diese Aussage mir so nicht erinnerlich ist. Unabhängig davon sind wir als Stadt über konkrete Pläne zu keiner Zeit informiert worden. Meinerseits ist gegenüber dem Landrat seit seinem Amtsantritt wiederholt Bereitschaft zum konstruktiven Dialog in der Unterbringung von Flüchtlingen angeboten worden. Seitens des Landkreises erfolgte keinerlei Annahme dieses Angebotes.

Es ist zu lesen, dass Dr. Voigt gesagt habe, es wäre nie zu der Hotellösung gekommen, hätte die Stadt annehmbare Vorschläge gemacht.

Dazu stelle ich fest, dass wir dem Landratsamt frühzeitig bereits Anfang 2015 konkret die DRK-Wiese als Standort vorgeschlagen haben. Wieso nun Markranstädt zwei Gemeinschaftsunterkünfte erhalten soll, bzw. muss, kann ich nicht sagen. Insofern entspricht diese Behauptung Voigts nicht den Tatsachen! Bei frühzeitiger Kommunikation mit der Stadt und rechtzeitiger Planungen wäre das Hotel als Asylunterkunft in der Tat nicht notwendig gewesen.

Nach Bekanntwerden der konkreten, kurz vor Abschluss stehenden Verhandlungen, hat die Stadt sofort reagiert und konkrete Angebote gemacht. Dabei standen die von mir dargestellten Alternativen zur Diskussion, wurden jedoch abgelehnt: Dennoch schreibt die LVZ am 09.01.16:  „Wurden sie auch nicht alle. Voigt hatte Donnerstagabend angekündigt, dass es ums DRK-Gelände schon nächste Woche Verhandlungen gebe, um es eventuell ab März als Containerunterkunft nutzen zu können“.

Dazu stelle ich fest, dass das DRK-Gelände zu diesem Zeitpunkt als eine STATT und nicht als eine ZUSÄTZLICHE Lösung angeboten wurde. Alles Weitere ergibt sich aus dem vorher genannten.

Zum Thema Brandschutz stelle ich fest, dass der Stadt Markranstädt lediglich ein Schreiben des Hotels vom 16.01.15 nachträglich vorgelegt wurde, in welchem es gegenüber dem Landratsamt die Abstellung der 2014 festgestellten Mängel meldet. Ein Prüfbericht, der die tatsächliche Abstellung vor Ort zum Inhalt hat, liegt der Stadt nicht vor! In einem Schreiben vom 20.03.2015 (Unterzeichnerin Späth) wird lediglich auf das bereits vorgenannte Schreiben des Hotels eingegangen und die dort getätigten Aussagen bewertet. Ein Großteil der, zum Teil gravierenden, Mängel gilt jedoch als nicht abgestellt. In Aktenvermerken vom 24.09.15 und 27.10.2015 wird festgestellt, dass die Mängelabstellung noch nicht abgeschlossen sei (24.09.15) bzw. werden wenige, teils vage, Aussagen getroffen.

Aus meiner Sicht ergibt sich daraus, dass der Brandschutz weder für genehmigte 72 Hotelgäste noch für bis zu 180 Asylbewerber/Flüchtlinge gewährleistet ist. Im Übrigen wird im genannten Schreiben des Landratsamtes eindeutig unter „1. Mangel“ festgestellt: „Die innere Brandwand, welche das Gebäude brandschutztechnisch abtrennt, ist nicht wie genehmigt ausgeführt.“

In einer Email vom 07.01.16 (14:56 Uhr) stellt Herr Wendrich fest: „Über die Mängelabstellung wurde auch die Brandschutzbehörde* informiert.“ Das steht im Widerspruch zur Aussage des Landrates in seinem Schreiben vom 06.01.16 in dem er schreibt: „ (…) die schriftliche Mängelabstellung kam der Stadt Markranstädt nicht zur Kenntnis (…)“.

*Stadt Markranstädt

Gegenseitige Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen helfen uns letztlich nicht weiter. Dennoch sei mir eine Bemerkung gestattet: Grundsätzlicher Schwerpunkt war immer die dezentrale Unterbringung. Aus meiner Sicht hat der Landkreis die Wohnungsangebote nur sehr zögerlich in Anspruch genommen. Einige private Vermieter wurden durch die Ausländerbehörde überhaupt nicht zu ihren Offerten kontaktiert oder erst Monate später. Auch das Angebot unserer stadteigenen MBWV, die zum „Harz IV-Satz“ vier Wohnungen angeboten hatte, wurde monatelang gar nicht reagiert.

Ich bin der Überzeugung, dass auch in Markranstädt die Belegungsquote bis zum Jahresende 2016 ohne das Hotel erfüllt werden kann durch

– Belegung weiterer Wohnungen (bis zu insgesamt 100 Personen)

– Umsetzung des DRK- Geländes am Schwarzen Weg (bis ca. 200 Personen)

– Aktivierung weiterer Alternativen wie z.B. Fehrer, Nußbaumbau, unbebaute Gewerbeflächen bis ca. 200 Personen

Voraussetzung ist eine sachbezogene Kommunikation zwischen Landkreis und Stadt zur Vermeidung von kostenintensiven Schnellschüssen. Dazu bin ich selbstverständlich bereit.

Mit freundlichen Grüßen

Jens Spiske

Bürgermeister

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