In diesem Fall war’s mal das „Neue Deutschland“, das ein hörbares Unbehagen aus der mitteldeutschen Provinz aufgegriffen hat. Am Mittwoch, 27. Juli, berichtete die Zeitung unter dem Titel „Nichtsnutz voller Wasser“ über den Saalekanal. Nicht den Elster-Saale-Kanal, sondern jenen Saale-Durchstich, mit dem einige Lobbyisten in Sachsen-Anhalt erst einmal den Druck aufbauen wollen, dass ein Durchbruch beim Saale-Elster-Kanal, wie er dort heißt, notwendig wird.

Jedenfalls aus der Sicht von Leuten, die gern den Steuerzahler dafür bezahlen lassen wollen, dass ihre ganz persönlichen Pläne vom Wasserparadies gebaut werden. Vom Staat natürlich, dem großen Spendierhosenträger. Und wer seit Jahren den Argumenten dieser Leute folgt, der merkt, wie jedes einzelne millionenteure Bauteil ihrer Zukunftsvision den Bau aller anderen geradezu erzwingt. Denn jedes einzelne Stück für sich allein funktioniert nicht.

Der Ausbau des Elster-Saale-Kanals für 106 Millionen Euro macht keinen Sinn, wenn nicht auch noch das Schiffshebewerk für 40 Millionen Euro gebaut wird. Und das steht dann dumm in der Gegend herum, wenn keine Motorboote die Saale heraufgeschippert kommen.

Denn dafür ist die Saale nicht ausgebaut. Deswegen wird von wassertrunkenen Akteuren in Sachsen-Anhalt seit Jahren um den Bau eines Durchstich-Kanals gekämpft, der von der Saale kurz vor ihrer mäanderreichen Mündung in die Elbe – schifffahrtstauglich direkt zur Elbe führt. Nutzbar für Lastkähne und die schnieken Motorboote der Flusskapitäne. „Knapp zehn Kilometer lang, drei Meter tief und mehr oder weniger schnurgerade“, schreibt das „Neue Deutschland“. „Bei Barby soll er in die Elbe münden. Ein Segen für die darbende Schifffahrt auf der Saale, sagen die einen. Ein nichtsnutziges Monstrum, sagen die anderen.“

In den „Weiteren Bedarf“ herabgestuft: der Saalekanal. Ausschnitt aus dem Entwurf zu Bundesverkehrswegeplan.
In den „Weiteren Bedarf“ herabgestuft: der Saalekanal. Ausschnitt aus dem Entwurf zu Bundesverkehrswegeplan.

Mittlerweile auch das Bundesverkehrsministerium. Das hat dieses Kanalprojekt im Entwurf zum Bundesverkehrswegeplan 2030 jetzt nämlich zurückgestuft, aus der Kategorie „Vordringlicher Bedarf“, was eigentlich schon die dritte Kategorie ist – hinter den „laufenden Projekten“ und den „zugesagten Projekten“. Vordringlich heißt: Das Projekt könnte die Chance haben, vor 2030 in Angriff genommen zu werden. Was für den Saale-Abkürzungs-Kanal chancenlos ist, wenn man sieht, wie viele Bauprojekte allein an stark frequentierten Wasserstraßen noch in der Warteschleife stecken. Und das mit einem Kosten-Nutzen-Verhältnis von teilweise über 30. Die Planer wissen also schon, dass sie für jeden Euro, den sie in so eine Maßnahme stecken, mit 30 Euro Nutzen rechnen können.

Jedes Bauprojekt, das unter den Wert 1 fällt, ist ein absolutes Zuschussgeschäft.

Logisch, dass das Bundesverkehrsministerium fast alle angemeldeten Wasserprojekte, die das Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1 nicht erreichen, herabgestuft hat in die Kategorie weiterer Bedarf. Dazu gehört auch der „Bau eines Saalekanals bei Tornitz“, den man derzeit auf 133 Millionen Euro Kosten taxiert. Geld, das nie wieder eingespielt wird. Denn der Güterverkehr auf der Saale leidet ja nicht nur unter dem Fluss, den schon andere Regierungen immer wieder gemieden haben, für Güterverkehr auszubauen.

Denn tatsächlich fängt das Problem beim Ãœbergang auf die Elbe erst an. Auch die Elbe hat immer öfter lange Phasen, in denen aufgrund des Wasserstandes keine Schifffahrt mehr möglich ist. Zu Recht befürchtet Andreas Liste, der Vorsitzende des Umweltvereins AHA, dass der Bau des Seitenkanals zum Druckmittel werden soll, dann auch die Elbe weiter zu vertiefen und anzustauen. Was weitere hunderte Millionen Euro kosten wird. Und das für einen Transportweg, der länger dauert als alles, was den mitteldeutschen Unternehmen mittlerweile an Logistik zur Verfügung steht – gerade in Mitteldeutschland sind Eisenbahn, Autobahn und Flughafen besser und dichter vernetzt als in allen anderen Teilen Ostdeutschlands.

Logisch, sagt sich das Bundesverkehrsministerium. Da wird man nicht mit einem Güterverkehr rechnen können, der die Investitionssumme von 133 Millionen Euro wieder einspielt. Als Kosten-Nutzen-Verhältnis nimmt man nur eine 0,2 ein. Was bedeutet: Nur ein Fünftel der Summe wird durch Frachtverkehr wieder eingespielt. Damit ist der Saalekanal das unwirtschaftlichste Projekt, das im Bereich Wasserstraßen angemeldet wurde. Nur wollen sich gerade die konservativen Mitglieder der sachsen-anhaltinischen Regierung von diesem Uralt-Traum einiger ihrer Lieblingsunternehmer nicht trennen.

Einige von diesen Lieblingen sitzen in Halle, wo sie seit Jahren wacker für den Ausbau des Halleschen Güterhafens kämpfen. Natürlich mit der Begründung, dass man den braucht, damit endlich der Saalekanal ausgebaut wird. Ein Wunschtraum hängt am anderen. Jeder einzelne funktioniert nur, wenn auch alle anderen gebaut werden. Denn der Saale-Elster-Kanal macht ja auch keinen Sinn, wenn nicht die Marinas in Halle und Leipzig auch noch gebaut werden. In Leipzig ist man mittlerweile wenigstens so klug, die Marina im Lindenauer Hafen von privat bauen lassen zu wollen. Denn man weiß ja: Wenn Private bauen, müssen sie darauf schauen, dass sie die Investitionskosten hinterher wieder einspielen.

Was beim Elster-Saale-Kanal nicht mal ansatzweise der Fall, ist. Deswegen wollen die mitbeteiligten Bürgermeister ja jetzt versuchen, über einen Zweckverband die Fördergelder einzuwerben.

Fördergelder aber sind Steuergelder. Es hat schon eine gewisse Chuzpe, wenn ein paar motorbootverliebte Leute sich ihre Träume im Revier vom Steuerzahler bauen lassen wollen. Entsprechend blumig sind alle Verheißungen.

Aber wenn Politiker von großen Projekten träumen können, dann verlieren sie ja gern jedes Maß für wirtschaftliche Vernunft. Nur die Medien haben dann eine Menge zu schreiben, wenn das Geld der Steuerzahler wieder in ein gigantisches Projekt versenkt wird, das nie das hält, was alle möglichen Traumtänzer versprochen haben.

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