Der Werbeliner See ist zu wertvoll, um ihn nun auch noch mit all den Wassersportangeboten zu überfrachten, die andere Seen in der Leipziger Bergbaufolgelandschaft schon teilweise zum Rummelplatz machen. Nabu und Ökolöwe haben sich schon deutlich für die Unterschutzstellung des Werbeliner Sees ausgesprochen. Der NuKLA e.V. geht noch weiter: Er vergleicht das Vorgehen des Landkreises Nordsachsen mit dem der Stadt Leipzig in Bezug auf den Floßgraben.

Im Namen des Naturschutz und Kunst – Leipziger Auwald e.V. (NuKLA) hat Hannes Hansmann einmal versucht, die Vorgänge um den Werbeliner See sowohl aus Delitzscher als auch aus Leipziger Sicht zu beleuchten.

Lieber Rendite statt Natur am Werbeliner See? Delitzscher Bade- und Geldnöte

Hannes Hansmann, NuKLA e.V.

Das aktuelle Delitzscher Freibad in der Elberitzstraße ist alt. Laut der Website der Stadt Delitzsch wurde es ursprünglich 1900 errichtet und genau hundert Jahre später einmal (!) in der ganzen Zeit umfassend saniert (da hatte man offenbar gerade Fördermittel übrig), nun nagt der Zahn der Zeit an den Mauern der Schwimmbecken. Von schweren Schäden war schon 2015 die Rede, als mögliche Ursachen nannte man damals „bergbau(folge)bedingte Schwankungen des Grundwasserspiegels“. Haushaltsgespräche im Juli 2015 brachten das Ergebnis hervor, dass verschiedene Handlungsoptionen untersucht werden sollen. Würde eine Sanierung der alten Becken günstiger sein oder sollte man lieber gleich ein neues Schwimmbad an anderem Standort bauen? Würde es Fördervarianten geben? Laut der Website der Stadt Delitzsch sollte es im Herbst 2015 eine öffentliche Information zu den Ergebnissen der Untersuchung geben.

Gemäß eines Artikels in der LVZ vom 12.07.15 deutete die Stadtverwaltung jedoch schon letztes Jahr im Juli an, dass eine Sanierung zu teuer wäre und sie einen Neubau favorisieren würden. Aber es gab auch Bestrebungen in der Bürgerschaft, den alten Standort zu erhalten – die Zeichen standen auf Streit.

Nichtsdestotrotz hat das Freibad nun am 1. Juni 2016 die Saison eröffnet, wenn auch mit Hängen und Würgen, so man einem weiteren Artikel der LVZ vom 31.05.16 Glauben schenken darf, in dem von gesperrten Nichtschwimmerbecken und einem Mangel an Rettungsschwimmern die Rede ist.

Der Juni brachte es dann laut LVZ-Artikel vom 12.07.16 ans Licht: Die o.g. Untersuchung ergab (hat also etwas länger gedauert) erste Zahlen. Ein Neubau wird etwa 8,5 Millionen Euro kosten (aber dann wäre ein Lehrschwimmbecken möglich), die Sanierung ca. 3 Millionen (aber keinen Platz für mehr Parkplätze und das Lehrschwimmbecken) – eine Machbarkeitsstudie soll nun bis September klären, welche Option man wählen wird (vielleicht kommt die auch mit einem Jahr Verspätung?). Bei einer Sanierung würde es für zwei Jahre kein Freibad in Delitzsch geben, bei einem Neubau könnte man für die Zwischenzeit das alte Schwimmbad weiternutzen, so es denn solange überhaupt durchhält.

Da käme ein Badesee vor der Haustür doch ganz recht! Den Werbeliner See haben die Delitzscher schon länger im Auge, will man doch schon seit Jahren auch vom umliegenden Leipziger Neuseenland profitieren und nicht nur mittendrin sitzen zwischen den südlichen Leipziger Seen und der Goitzsche im Norden. Während das am Schladitzer See so halbwegs funktioniert (Schladitzer Bucht, Biedermeierstrand) und man sich nicht lumpen ließ, sogar eine bisher kaum genutzte 3,7-Millionen-teuere Südumfahrung in die idyllische Landschaft zu zimmern (teilweise gefördert vom Freistaat), wurden die Wünsche der Delitzscher Stadtobersten von einem Tourismus-Hotspot am Werbelliner See nicht erfüllt. Was soll da nicht alles hin! Ein Reitsportzentrum, ein Campingplatz, ein Strandbad und sicher auch Gastronomiemöglichkeiten dazu – wo doch schon der Investor mit der kruden Idee eines keltischen Themen- und Landschaftsparks (!?) 2012 von Bord ging sowie ein weiterer Investor mit der nicht minder eigenen Idee eines Streichelzoos inklusive Wellnessfarm (ungeklärt, ob die Wellnessfarm für die Streicheltiere oder die Menschen gedacht war) 2014 auch die Segel strich.

Für 1,1 Mio. Euro hat man 2014 jedenfalls schon mal eine nördliche Zufahrtsstraße inklusive eines bisher nur spärlich genutzten, überdimensionierten Großparkplatzes in die Brutgebiete bedrohter Vogelarten hineinasphaltiert, da sie, man staune, Teil des Fernradwegs sei (offenbar rechnete man damit, dass die Radfahrer nicht weit fahren, sondern mit großen Autos zahlreich aus der Ferne anreisen).

In der Delitzscher Erklärung vom 6. Juli 2016 fordern die Bürgermeister von Schkeuditz, Rackwitz, Wiedemar und Löbnitz jedenfalls die Möglichkeit zu einer naturnahen Erholung, die für sie offenbar Sportzentren, Campingplätze und Bademöglichkeiten bedeuten (die zwangsläufig in Zukunft auch Gastronomieangebote, Sanitäreinrichtungen und noch mehr Zufahrtsstraßen nach sich ziehen würden).

Weiterhin ist in dieser Erklärung die Rede von den Hemmnissen und Hindernissen, die von der Unteren Naturschutzbehörde des Landratsamtes Nordsachsen aufgebaut werden bezüglich der Erholungsmöglichkeiten am Werbeliner See. Dazu sei erstens gesagt: zahlreiche Menschen nutzen schon jetzt gänzlich ungehemmt und ohne Hindernisse den Werbeliner See zur Erholung, Radfahrer, Jogger, Spaziergänger, Rollerskater, Hundebesitzer und Naturfreunde. Zu einem großen Teil kommen diese extra an den Werbeliner See, da es dort eben ruhiger ist als am Schladitzer See, wo man gerade am Ostufer im Bereich der Schladitzer Bucht als Sportler nur mit Mühe am Wochenende joggen, Rad fahren oder rollerskaten kann, denn die Wege sind voll – vor allem im Sommer; und Ruhe findet sich dort auch nicht. Es ist ganz schön, dass es einerseits den belebteren See gibt, aber auch den ruhigeren See zum Entspannen.

Dazu sei zweitens gesagt: nicht die Untere Naturschutzbehörde baut Hemmnisse und Hindernisse auf. Die UNB macht einfach ihre Arbeit, für die sie schlicht (gesetzlich so festgelegt) da ist. Und das ist: Natur zu schützen und zu bewahren sowie vor allem dafür zu sorgen, dass geltende Naturschutzgesetze eingehalten werden. Und wo sich nun einmal 26 Vogelarten nach Sächsischem SPA-Fachkonzept (Anhang I-Arten der EG-Vogelschutzrichtlinie, Kategorie 1 und 2 der Roten Liste Sachsens) angesiedelt haben und der Werbeliner See zudem ein bedeutender Rastplatz für zahlreiche weitere Arten geworden ist, ist es einfach die Aufgabe der UNB, genau das zu tun, was sie getan hat – nämlich die Sicherstellung des beabsichtigten Naturschutzgebietes „Werbeliner See“, welche nur zu begrüßen ist!

Solche Schutzgebiete werden auch nicht aus Willkür festgelegt von irgendwelchen Beamten oder Naturschützern. Es ist seit Jahren gesetzlich festgelegt (europaweit durch Natura 2000, deutschlandweit nochmals fixiert im Bundesnaturschutzgesetz), welches Land wo und wie viel Anteil seiner Fläche als Schutzgebiet auszuweisen hat. Wenn ein Land sich nicht an diese gesetzlichen Festlegungen hält, dann droht diesem ein Vertragsverletzungsverfahren, welches saftige Geldstrafen nach sich ziehen wird. Und wozu diese ganzen Gesetze? Weil wir gerade das größte Artensterben in der Geschichte dieses Planeten erleben – verursacht durch uns Menschen.

Wir haben in Nordsachsen schon den Feldhamster als eines der seltensten Säugetiere Deutschlands, das generell vom Aussterben bedroht ist, so gut wie verloren. Unter anderem für ein Gewerbegebiet. Müssen wir jetzt in Sachsen noch weitere bedrohte Arten verlieren für ein Reitsportzentrum und ein kurzes sommerliches Badevergnügen?

Für eine bisher kaum befahrene Südumgehung des Schladitzer Sees waren in den letzten Jahren 3,7 Millionen Euro da, für eine Zufahrtsstraße und einen bisher wenig genutzten Großparkplatz am Werbeliner See 1,1 Millionen. Anstatt ihre stadteigenen Einrichtungen wie das Freibad zu pflegen und zu sanieren, hat man diese offenbar verfallen lassen – und nun wird gejammert, man hätte kaum Badegelegenheiten. Um Investitionsdruck auf ein Schutzgebiet aufzubauen, hatte man offenbar Geld genug.

Übrigens ist es ist die Schladitzer Bucht bestens von Delitzsch aus über Radwege zu erreichen und dort besteht bereits ein Campingplatz, eine Reitschule, ein Ponyhof und eben zwei Bademöglichkeiten.

Ebenfalls gut mit dem Rad erreichbar ist das Bitterfelder Meer mit mehreren Badestellen, einem Campingplatz und zahlreichen Wassersportmöglichkeiten.

Beides jeweils nur 10 – 15 Kilometer von Delitzsch entfernt.

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