Es gibt viele Möglichkeiten, den Fluglärm am Flughafen Leipzig/Halle zu drosseln. Wenn man nur will. Im Sächsischen Landtag sind es die Grünen, die immer wieder vorpreschen und Anträge zur Lärmminderung im Leipziger Norden stellen und an einer Mauer der Gleichgültigkeit abprallen. Jetzt macht mal wieder der Flughafen in Frankfurt vor, wie es gehen könnte, wenn Politiker und Flughafenbetreiber nur ein bisschen Rückgrat haben.

Der Betreiber des Frankfurter Flughafens FRAPORT hat dort eine neue Entgeltordnung bei der hessischen Landesregierung zur Genehmigung eingereicht. Die Frankfurter Flughafenentgelte sind im Vergleich zum Flughafen Leipzig/Halle bereits heute deutlich mehr nach dem Grundsatz gespreizt: „Laut zahlt mehr als leise.“ Schwere, laute Maschinen zahlen deutlich mehr Start- und Landeentgelte als leise Flugzeuge.

Für die Nutzung der Infrastruktur der deutschen Flughäfen müssen die Fluggesellschaften Entgelte entrichten. Der exakte Betrag ist von verschiedenen Faktoren abhängig, wie dem Höchstgewicht des Flugzeuges, der Anzahl der Passagiere, der Frachtmenge und der Lärmkategorie des entsprechenden Flugzeugs. Diese Faktoren werden je nach Flughafen unterschiedlich gewichtet.

Ab 2017 will FRAPORT die lärmabhängigen Start- und Landeentgelte nochmals um durchschnittlich 15 Prozent erhöhen. Besonders laute Maschinen sollen überdurchschnittlich belastet werden. FRAPORT will so Anreize schaffen, dass die Fluggesellschaften schon aus wirtschaftlichem Interesse ihre leisesten Flugzeuge einsetzen.

„Die hessische Landesregierung und der Flughafen Frankfurt belohnen Anstrengungen für mehr Lärmschutz. Davon können sich Sachsen und der Flughafen Leipzig/Halle eine dicke Scheibe abschneiden“, sagt dazu Wolfram Günther, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag. „Für Sachsen besteht jetzt aktueller Handlungsbedarf. Der Flughafen Leipzig/Halle hat aktuell sehr niedrige Start- und Landegebühren, speziell für Nachtflüge und hier insbesondere auch für besonders laute Flugzeuge. Wenn das nicht verändert wird, wird Leipzig im bundesweiten Flughafendumpingwettbewerb ‚immer mehr der billige Jakob‘.“

Erst im März diesen Jahres hat die CDU/SPD-Koalition den Landtagsantrag der Grünen ablehnt, der auch verschärfte lärm- und verbrauchsabhängige Start- und Landeentgelte am Flughafen Leipzig/Halle gefordert hatte.

„Das ist ein Armutszeugnis. Damit lassen die sächsische CDU und SPD die lärmgeplagten Menschen in der Region Leipzig/Halle allein. Die Koalition duckt sich beim Thema Lärm einfach weg. Das ist feige und ein Kotau vor DHL. Dass es anders geht, zeigt die schwarz-grüne Koalition in Hessen.“ Günther widerspricht auch einer Meldung der Landesdirektion Sachsen, nach der eine Neuregulierung des nächtlichen Fluglärms am Flughafen Halle/Leipzig nicht notwendig sei. Die hat am Dienstag, 4. September, wieder eine Meldung zur Nachtfluglärmbelastung am Flughafen Leipzig/Halle veröffentlicht. Gemessen hat sie da nichts. Sie nimmt einfach die Daten, die der Flughafen liefert zur Zeit- und Bahnverteilung und dem Anteil lauter Flugzeuge. Fertig der Lack. Ergebnis für 2015: „Ergebnis der diesjährigen Überprüfung ist, dass es gegenwärtig keiner weiteren Regelungen zum Schutz vor nächtlichem Fluglärm durch die Landesdirektion bedarf.“

Was nicht wirklich stimmt, sonst hätte der regionale Planungsverband Westsachsen keine Erweiterung des Lärmschutzgebietes in Auftrag gegeben. Besonders die Gemeinden östlich des Flughafens sind seit Inbetriebnahme der Startbahn Süd deutlich stärker mit Nachtlärm belastet als erwartet. Dazu gehören auch Teile des Leipziger Nordens.

Aber das Ergebnis der Landtagsanhörung passt ins nun seit 2004 anhaltende Hase-und-Igel-Spiel.

„Die Anhörung im Umweltausschuss zu unserem Antrag hatte deutlich gezeigt, dass Handlungsbedarf besteht und dass Sachsen großen Gestaltungsspielraum hat. Allein dieser Spielraum wird nicht genutzt“, findet Wolfram Günther. „Uns Grünen geht es um einen fairen Ausgleich der sich widerstreitenden wirtschaftlichen Interessen des Flughafens und der lärmgeplagten Anwohnerinnen und Anwohner.“

Und er benennt etwas, was den Verantwortlichen scheinbar fremd ist: Dass man – wenn man schon auf einem exzessiven Nachtflugbetrieb besteht – dabei auf das Ruhebedürfnis der Anwohner weitestgehend Rücksicht nehmen muss. Wer in der Stadt mit Beschallungsanlagen solche nächtlichen Lärmpegel von 60, 70, 80 dB(A) erzeugt, bekommt es in der Regel mit der Polizei zu tun.

„Im Fokus steht für uns der zunehmende nächtliche Luftfrachtbetrieb. Wir wollen, dass die Belange der Bevölkerung endlich angemessen berücksichtigt werden“, benennt Günther diese Selbstverständlichkeit. Aber da sich nun sichtlich über Jahre nichts getan hat, waren die Grünen konsequent und haben auch schon mal das Maximum gefordert: „Eine wirkliche Entlastung und damit ein spürbarer Beitrag für den Gesundheitsschutz der Menschen rund um den Flughafen wäre nur mit einem Ende der Nachtflüge im Frachtbetrieb zu haben. Wir wollen ein Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr für den Flughafen Leipzig/Halle festsetzen. Dazu ist die Staatsregierung als Vertreterin des Freistaates Sachsen als Hauptgesellschafterin der Mitteldeutschen Flughafen AG und als Gesellschafterin der Flughafen Leipzig/Halle GmbH in der Lage.“

Nur ob die Regierung das will, steht in den Sternen. Auch Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) wird sehr zurückhaltend zu dem Thema, wenn er schon mal Stellung nehmen soll. Zu wichtig scheint der Flughafen als logistisches Zentrum für die Region Leipzig. Aber gerade dann sollten Politiker ja eigentlich ein Interesse daran haben, die Interessen vor Ort auszugleichen. Kneifen und Weglaufen ist ja wirklich keine Lösung.

„Ich hatte erwartet, dass CDU und SPD wenigstens unserer Forderung nach deutlich verschärften lärm- und verbrauchsabhängigen Start- und Landeentgelten am Flughafen Leipzig-Halle als finanziellen Anreiz für Lärmschutz zustimmen“, erklärt Wolfram Günther. „Aber auch diese Chance haben CDU und SPD bisher verpasst. Wir sehen die Staatsregierung in der Pflicht, endlich im Interesse zehntausender lärmgeplagter Bürgerinnen und Bürger zu handeln. Durch den derzeitigen Nachtbetrieb des Flughafens Leipzig/Halle nimmt die Gesundheit zehntausender Betroffener, darunter tausender Kinder, zugunsten einzelner Unternehmen wie DHL einen enormen Schaden.“

Der Fehler der Grünen war möglicherweise, dass sie beide Forderungen in einen Antrag geschrieben haben. Auf beide Forderungen gleichzeitig wird die sächsische Staatsregierung mit hoher Wahrscheinlichkeit nie eingehen. Und da der Antragspunkt „Nachtflugverbot zwischen 22 bis 6 Uhr“ gleich der erste war, hat man den Punkt zu den Startgebühren gar nicht mehr groß beachtet.

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