Wer bei der großen Hasenjagd dabei sein will, der macht jetzt Werbung für sich. Denn profitieren vom Leipziger Bevölkerungswachstum werden zuerst jene Städte im Umland, die erstens schon ans S-Bahn-Netz angeschlossen sind und zweitens auch schon einen Namen haben bei all jenen, die in Leipzig keine Wohnung finden und möglichst nah ein Zuhause suchen. Geht ganz fix, wie der Eilenburger OBM am Mittwoch ausprobierte.

Was Eilenburgs Oberbürgermeister Ralf Scheler da mit der Radiomoderatorin Freddy am Mittwoch, 9. November, veranstaltete, war Teil der groß angelegten Werbekampagne „Lieblingsstadt Eilenburg“. Mit knapp zwei Minuten Vorsprung gewann Radiomoderatorin Freddy Holzapfel das Rennen gegen Eilenburgs Oberbürgermeister Ralf Scheler zum Leipziger Marktplatz. Freddy startete um 10:05 Uhr am Allee-Center in Leipzig-Grünau mit der S-Bahn, Ralf Scheler zum gleichen Zeitpunkt am Eilenburger Hauptbahnhof. Knapp 30 Minuten später erreichten beide ihr Ziel Leipzig-Markt. Womit bewiesen war, was aus Schelers Sicht wichtig ist: dass gerade in puncto Fahrtzeit für Pendler Eilenburg als Wohnstandort attraktiv sein kann.

Mit der Werbekampagne „Lieblingsstadt Eilenburg“ wirbt Eilenburg genau um diese Klientel.

Schon in den letzten Jahren hat sich das ans S-Bahn-Netz Mitteldeutschland angeschlossene Eilenburg als Ausweichwohnort für zahlreiche Menschen erwiesen, die in Leipzig einer Arbeit nachgehen.

Zogen 2013 etwa 70 Leipziger nach Eilenburg, waren es 2014 schon in etwa 100 und 2015 rund 150. Im Jahr 2016 lag der Zuzug bei bislang 115 Leipzigern, so dass die Vorjahreszahlen voraussichtlich dieses Jahr wieder erreicht werden. Auch die Zahl der verkauften städtischen Flächen für Eigenheime stieg an. 2014 gab allein die Stadt Eilenburg 22 Grundstücke, 2015 bereits 25 Grundstücke an neue Eigentümer ab. In diesem Jahre wechselten bis Oktober 23 Flächen den Besitzer. Für sechs weitere gibt es konkrete Kaufanfragen – 5 davon aus Leipzig.

Es findet hier also mancher Großstädter, der noch den Traum vom Eigenheim träumt, einen Platz zum Bauen. Was ja auch bedeutet: Der enger gewordene Markt für Eigenheime in Leipzig befeuert die jetzt spürbare neue Welle der Suburbanisierung.

Und ganz ähnlich wie Delitzsch, das ebenfalls neue Baugebiete für Eigenheime vermarktet, setzt Eilenburg auf den Ausbau seiner Bauflächen. Derzeit läuft die Entwicklung von vier Potentialflächen für Bauträger oder Projektentwickler am Jacobsplatz, Dübener Landstraße, Rollenstraße, „Grüner Fink“ (in diesem Fall kein städtisches Eigentum), meldet die Eilenburger Stadtverwaltung. Aber auch für zukünftige Mehrfamilienhäuser stehen Projektentwicklern unter anderem in der Puschkinstraße, Am Anger, Hartmannstraße und Hallesche Straße Potentialflächen zur Verfügung. Aktuell befinden sich insgesamt rund 44 Flächen für Einfamilienhäuser auf dem Markt. Weitere Areale für eine mittelfristige Erschließung befinden sich in der Prüfung.

„Kommendes Jahr entwickelt an der Martinstraße ein Investor Flächen für die Ansiedlung von Eigenheimen. Dies wurde bereits vom Stadtrat beschlossen. Parallel läuft die Anbieteransprache von externen Immobilienanbietern“, erklärt dazu OBM Scheler.

Die Marketingkampagne ist also eng verquickt mit der Entwicklung von Wohnbau in der Stadt nordöstlich von Leipzig, die 2015 ihre Einwohnerzahl von 15.392 auf 15.452 steigern konnte.

Ob die Maßnahmen Erfolg haben, wo das Angebotssegment nachgebessert werden kann und unter welchen Bedingungen sich Leipziger für Eilenburg entscheiden, das evaluiert gerade die Studie der Berufsakademie Sachsen. Rund 30 Studenten der Staatlichen Studienakademie Leipzig sind den ganzen November in Eilenburg und Leipzig unterwegs. Ihr Ziel: Zu erforschen, unter welchen Bedingungen Leipziger sich eine Wohnung in Eilenburg suchen würden und was Eilenburger in ihrer Stadt hält.
Geschäftsführerin Birgit Bendix-Bade: „Aktuell werden große Wohnungen für junge Familien verstärkt nachgefragt. Doch wird das so bleiben? Und welche Bedürfnisse gibt es noch? Wir müssen nicht jedem Trend folgen, sondern nur dem, der für Eilenburger und Leipziger relevant bei der Wohnungssuche ist“, erklärt sie ihr Engagement für die BA-Studie.

Das kleine Wettrennen am Mittwoch machte darauf aufmerksam, dass eine gute ÖPNV-Verbindung die wichtigste Voraussetzung dafür ist, dass die Städte im Leipziger Umfeld am Wachstum der Großstadt teilhaben können.

Im Halbstundentakt verbindet die S-Bahn binnen 25 Minuten beide Städte. Dazu Stefan Lehmann, Geschäftsführer des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes (MDV): „Im Jahr 2015 beförderten wir im Vergleich zum Verbundstart in 2001 rund 20 Mio Fahrgäste mehr. Die stets wachsenden Fahrgastzahlen – trotz sinkender Einwohnerzahlen in den ländlichen Regionen – zeigen, wie sehr ein gut vertaktetes und abgestimmtes Nahverkehrsangebot von den Bewohnern in Mitteldeutschland geschätzt wird. Mit nur einem Fahrschein können Zug, S-Bahn, Straßenbahn und Bus genutzt werden“.

Und da das Wettrennen mit Ziel unterm Leipziger (Weihnachts-)Markt so gut geklappt hat, wird die Werbekampagne auch weitergehen.

Offizieller Start für die Kampagne war am 30. August. Seitdem meldeten sich 17 Firmen und weitere Vereine, die als Sponsoren die Wohnstandortkampagne unterstützen.

„Ich freue mich, dass wir in etwas mehr als zwei Monaten eine so positive Resonanz hatten“, betont Oberbürgermeister Ralf Scheler. Insgesamt kamen in den ersten acht Wochen nach dem Kick Off feste Zusagen für ca. 20.000 Euro Sponsorengelder zusammen. Und was will Eilenburg damit anstellen? – Klare Antwort:  Damit will Eilenburg vor allem in Leipzig um mehr Einwohner werben, Baugrundstücke ausbauen und vom Wachstum der Großstadt profitieren.

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