Eigentlich wünscht sich der Ortschaftsrat Böhlitz-Ehrenberg nur eins: dass die diversen „kurzen Abkurvungen“ am Flughafen Leipzig/Halle in der Nacht einfach unterlassen werden. Beide sorgen dafür, dass der Lärm startender Flugzeuge direkt ins Leipziger Stadtgebiet einstrahlt. Aber die Fluglärmkommission lehnte einen entsprechenden Antrag kurzerhand ab. Nun will es die Stadt Leipzig noch einmal versuchen.

Sie hat nur ein Problem. Eigentlich wird sie in der Fluglärmkommission genauso behandelt wie der Ortschaftsrat Böhlitz-Ehrenberg. Denn ihr eigener Antrag war in der Fluglärmkommission vor zwei Jahren mit der Stimmenmehrheit der Flughafennutzer ebenso abgelehnt worden.

Darauf kommen das Umweltdezernat und das Wirtschaftsdezernat jetzt in ihrem Alternativvorschlag für den Antrag des Ortschaftsrates Böhlitz-Ehrenberg zu sprechen.

Denn die Kommunen im Einzugsgebiet des Leipziger Flughafens sitzen in dieser Kommission am Katzentisch. Selbst bei den Flugverläufen, die direkt über ihre Wohngebiete gehen. Zwar war im Planfeststellungsbeschluss von 2004 klar geregelt, wo die Flugzeuge auch nachts fliegen dürfen. Aber aus eigener Entscheidungsgewalt legte die Deutsche Flugsicherung mehrere Abkürzungen fest, die diese eigentlich planfestgestellten Vorgaben aushebeln.

Seitdem werden auch die Böhlitz-Ehrenberger aus dem Schlaf gerissen, wenn die nächtlichen Frachter über den Ortsteil im Leipziger Westen dröhnen.

Was die beiden Leipziger Dezernate dazu sagen, klingt schon sehr hilflos: „Die Flugverfahren zur kurzen westlichen und östlichen Nordabkurvung von der südlichen und nördlichen Start- und Landebahn sind vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung per Rechtsverordnung festgelegt und genehmigt worden. Somit ist deren Anwendung auch rechtmäßig.“

Genehmigt sind die kurzen Abkurvungen aber eigentlich nur tagsüber und für Maschinen mit weniger als 30 Tonnen Gewicht.

Da aber die Mehrheit in der Fluglärmkommission auf die nächtlichen Abkürzungen nicht verzichten will, ergibt sich eigentlich ein gordischer Knoten. Den beschreibt die Stellungnahme der Stadt so: „Allerdings beschäftigt sich die Fluglärmkommission im Rahmen der Diskussion zur Änderung der nächtlichen Bahnverteilung derzeit mit Umsetzungsvarianten und deren Nutzen bzw. Auswirkungen. Unter anderem prüfte die Fluglärmkommission, welche Betroffenheiten sich ergeben, wenn im Nachtzeitraum zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr alle nach Norden abfliegenden Luftfahrzeuge von der Nordbahn starten. Im Ergebnis der Betroffenheitsanalysen verschiedener nächtlicher Bahnnutzungsvarianten empfahl die Kommission der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) bei Ostbetrieb (Ostwind) nach Norden abfliegende Luftfahrzeuge von der nördlichen Start- und Landebahn starten zu lassen. Damit können Anwohnerinnen und Anwohner östlich des Flughafens von Fluglärm entlastet werden. Dies entspricht zum Teil dem Antrag des Ortschaftsrates Böhlitz-Ehrenberg bezüglich der Aussetzung der kurzen östlichen Nordabkurvung von der Südbahn in der Nachtkernzeit.“

Man versucht also eine nicht stimmige Lösung durch neue Behelfskonstrukte zu entschärfen. Mit dem erwartbaren  Ergebnis: „Dem analogen Verfahren bei Westbetrieb (Westwind) konnte die Kommission aufgrund von Gebieten mit neu betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern nicht zustimmen.“

Und das andere Problem, das dabei entsteht, sorgt ja für weitere Verrenkungen: „Eine Umsetzung der Empfehlung der Fluglärmkommission steht aufgrund von Sicherheitsrisiken durch Bahnkreuzungen aus. Die Systempartner Flughafen Leipzig/Halle GmbH, DFS und DHL wurden in der Sitzung der Fluglärmkommission am 2. November 2016 beauftragt, ein Umsetzungskonzept zur Verringerung der Risiken bei Bahnkreuzungen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und flugsicherheitstechnischen Aspekte zu erarbeiten.“

Was jetzt auch die Leipziger Verwaltung zu der Einsicht bringt, dass sie die ganzen Spielchen der Flughafengemeinschaft eigentlich nicht mehr mitspielen kann. Sie übernimmt den Kern des Antrages des Ortschaftsrates Böhlitz-Ehrenberg, der ja mit seinem Antrag bei Manfred Heumos, dem Vorsitzenden der Fluglärmkommission, abgeblitzt war. Nur die Stadt Leipzig könne – mit Auftrag des Stadtrates – so einen Antrag stellen. Das sieht Leipzigs Verwaltung jetzt genauso.

„Eine bisher nicht in der Fluglärmkommission untersuchte Variante ist die gänzliche Untersagung von Starts über die kurzen westlichen und östlichen Nordabkurvungen in der Kernnacht von beiden Start- und Landebahnen und bildet daher den Inhalt des Alternativvorschlages“, stellen die beiden Dezernate fest. Und wollen das auch genauso beschließen lassen: „Die Deutsche Flugsicherung GmbH wird gebeten, die Untersagung von Starts über die kurze westliche und östliche Nordabkurvung in der Nachtkernzeit zwischen 00:00 Uhr und 05:00 Uhr zu prüfen.“

Zumindest als Prüfung, wie man hier lesen kann. Ob dabei etwas herauskommt, ist völlig offen. Denn 2014 hatten ja sowohl der Ortschaftsrat Böhlitz-Ehrenberg als auch die Stadt Leipzig schon den Antrag auf Aussetzung der „Kurzen Südabkurvung“ gestellt. Beides wurde von der Schkeuditzer Kaffeerunde abgelehnt.

Die Stellungnahme der Leipziger Verwaltung zum Antrag des Ortschaftsrats Böhlitz-Ehrenberg.

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