Die Weihnachtszeit war für viele Leipziger im Norden keine ruhige Zeit. Und es waren nicht die Päckchenflieger, die die Nächte besonders zermürbend machten, auch wenn es davon noch allemal genug gab. Wo private Frachtkutscher die Nacht zum Tag machen können, darf es die Bundeswehr schon lange und ließ uraltes Fluggerät aufheulen in der Nacht. Was nun wieder den Leipziger Stadtrat beschäftigen wird.

Vielleicht nur kurz, wie üblich. Denn wie das so ist mit diesem speziellen Flughafen in Mitteldeutschland: Eigentlich ist keiner wirklich verantwortlich, wie es aussieht. Und wer nur ein paar alte Mühlen hat, darf fliegen und lärmen, wann immer er mag.

Thema für eine nur zu berechtigte Einwohneranfrage von Heike Blum.

„Seit ca. zwei Wochen starten fast jede Nacht Rüstungstransporte der Bundeswehr nach Mali, so letztmalig in der Nacht zum 26.12.2016. Diese Transporte erfolgen mit uralten russischen Militärtransportern vom Typ AN22 (Erstinbetriebnahme 1967), eine 5-motorige Propellermaschine die einen extremen halbstündigen Dauerlärm von über 60 Dezibel in der Warmlauf-/Startphase verursacht. Zudem verursacht dieses Flugzeug beim Warmlaufen ein tieffrequentes Dauerbrummen, was die Wirkung des Dauerschallpegels noch verstärkt.“

Davon sind auch andere Flughafenanrainer aus den Betten gescheucht worden. Der Flughafen wurde mit Beschwerden überschüttet. Aber die werden wohl so kommentarlos abgeheftet wie alle Beschwerden zuvor.

Dahinter steckt ein Bundestagsbeschluss. Aber wie man weiß, fehlen der Bundeswehr tüchtige Transportflieger. Also bucht man sie da, wo man sie bekommt. In diesem Fall wieder altes russisches Flugmaterial.

„Diese Flüge erfolgen nach meinem Kenntnisstand auf der Grundlage eines jüngst verabschiedeten Haushaltsbeschlusses des Bundestages, mit einem Budget von € 100 Millionen für diesen Auftrag an die neu gegründete Antonov Salis GmbH“, so Heike Blum. „Der neue Vertrag mit der Antonov Salis GmbH (es handelt sich um eine Regelungen für einen Dauercharter von strategischen Lufttransport-Kapazitäten der NATO) kann nicht ohne Einbeziehung und Zustimmung der Mitteldeutschen Flughafen AG (Aufsichtsratsmitglied OBM Herrn Jung) und der Flughafen Leipzig/Halle GmbH (Aufsichtsratsmitglied Herr Albrecht) erfolgt sein. Der Startlärm und das vorherige bis zu 30 min andauernde Warmlaufen vor allem dieser alten Fluggeräte AN 22 belastet die dicht besiedelten Gebiete im Leipziger Nordwesten (Wahren, Lindenthal, Lützschena-Stahmeln, Böhlitz-Ehrenberg, Burghausen, Rückmarsdorf usw.). Zudem erhöht die verstärkte militärische Nutzung des Flughafens die Gefahr terroristischer Angriffe auf den Flughafen und unsere Stadt.“

Und dann weist sie auf die Verantwortung hin, die man ja nicht einfach an eine Frachtfluggesellschaft abgeben kann: „Die Verwaltung einer Stadt mit ihren gewählten Vertretern im Stadtrat hat die ureigene Aufgabe, die Bevölkerung vor unnötigen Gefahren zu schützen. Diese militärischen Transporte, wie beschrieben, laufen dieser Aufgabe entgegen. Der Schutz der Menschen einer Stadt muss über den wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen stehen!“

Und dann hat sie ein paar Fragen, die sie in der Ratsversammlung am 18. Januar gern beantwortet haben möchte:

„1. Welche Auflagen enthält der Vertrag mit der Antonov Salis GmbH zum Schutz der Anwohner vor diesen extremen Lärmereignissen von bis zu über 60 Dezibel Dauerlärm?

  1. Wann wurde diese Ausweitung der militärischen Flüge mit dem Flughafenbetreiber abgestimmt und zu welchen Konditionen?
  2. Welche Sicherheitsvorkehrungen gegen terroristische Angriffe (s. Berlin Breitscheidplatz) gibt es seitens des Flughafenbetreibers, wenn der FLH sichtbar zunehmend als NATO/Bundeswehrstandort für Militäreinsätze genutzt wird?
  3. Was wird die Stadtverwaltung unternehmen, um die Leipziger zukünftig vor dem 30-minütigen nächtlichen Startlärm der AN22 zu schützen?“

Das  Büro für Ratsangelegenheiten hat schon einmal darauf hingewiesen, dass die Fragen 1 und 3 von der Leipziger Stadtverwaltung nicht beantwortet werden. Was im Fall der Frage 1 schon verblüfft. Mehrfach verblüfft, denn weder können Militärflüge für sich in Anspruch nehmen, unter dem Express-Druck von Postfliegern zu stehen, noch kann eines der verantwortlichen Gremien Sonderkonditionen gerade für laute Uralt-Flieger genehmigen, ohne Rücksicht auf das Umfeld zu nehmen. Wenn es aber bei solchen Einsätzen keine Abstimmung mit den umliegenden Kommunen gibt, dann läuft etwas gewaltig falsch an diesem Flughafen.

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Es gibt 6 Kommentare

André, genau diese Frage stellt Susann:
Weshalb haben wirtschaftliche Interessen Vorrang vor der Gesundheit der Menschen?!

Susann, weil Antonov-Airlines ein FRACHT-Unternehmen ist, für die ist es wahrscheinlich günstiger/wirtschftlicher Nachts zu starten. Und weil ihr alle eure Weihnachtspäckchen pünktlich haben wolltet.

Kathrin, Dein technisches Wissen spielt inhaltlich zu dem Artikel keine Rolle, denn es geht doch um den Frage, warum eine alte und laute Militärmaschine nachts an einem zivilen Flughafen starten muss.

Ich will ganz sicher niemandem auf die Füße treten, aber wenn der Brief wirklich so an die entsprechende(n) Stelle(n) geschickt wurde …
Einfach ein wenig mehr Recherche würde manchmal schon helfen.

“russischen Militärtransportern vom Typ AN22 (Erstinbetriebnahme 1967), eine 5-motorige Propellermaschine”

1. war es ein einziger Flieger vom Typ AN-22A (mehr in Betrieb stehende gibt es nämlich nicht. Es ist so gesehen also eine Rarität),
2. stammt die Maschine aus dem Jahr 1974,
3. sind auch auf dem Bild sehr schön die 4 Turboprop-Triebwerke zu sehen und nicht 5 und
4. Antonov Airlines ist ein ukrainisches Unternehmen und kein russisches.

Jetzt hab ich mich bestimmt so richtig schön unbeliebt gemacht, aber damit kann ich leben.
Ein schönes Wochenende noch.

Mit welcher Begründung werden die Fragen nicht komplett beantwortet? Wer wundert sich da noch über Politikverdrossenheit?

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