Erstaunlich viel Hoffnung setzt die Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ auf die nächste Sitzung der Fluglärmkommission des Flughafens Leipzig/Halle. Am Mittwoch, 26. April, setzt die sich wieder zusammen und hat auch mal wieder drei Anträge aus Leipzig auf dem Tisch.

„Auf der ersten Sitzung der Fluglärmkommission in diesem Jahr wird es (hoffentlich) heiß und konstruktiv im Sinne der Anwohner hergehen“, formuliert Matthias Zimmermann, Pressesprecher der Bürgerinitiative, die Erwartungen. „Die Stadt Leipzig wird gleich drei Anträge in die Fluglärmkommission einbringen. Wichtigster Antrag ist zweifelsfrei die von den Bürgerinitiativen gegen Fluglärm schon seit Jahren favorisierte zeitlich versetzte Nutzung der Start-/Landebahnen Nord und Süd in der Nacht, um mit dieser, im Planfeststellungsbeschluss verankerten, gleichmäßigen Bahnverteilung eine Lärmentlastung der Anwohner durch Lärmpausen zu erreichen.“

Ein ähnliches Modell sei kürzlich bereits am Frankfurter Flughafen als verbindliche Betriebsregelung festgelegt worden.

„Eine Umsetzung der vorgeschlagenen Pistenstrategie könnte sich aus Sicht der Bürgerinitiativen zudem wesentlich einfacher als in Frankfurt gestalten und wäre auch in kurzer Zeit realisierbar, da sich in Leipzig die vorliegende Sachlage hinsichtlich Start- und Landebahnen zu beteiligender Fluggesellschaften, zu beteiligender/berücksichtigender Regionen und möglicher Varianten an Pistenstrategien um ein Vielfaches übersichtlicher darstellt als in Frankfurt am Main,“ zählt Zimmermann auf.

Aber dann ist da der seltsame Zustand, dass sich trotzdem niemand so richtig verantwortlich fühlt und Sitzungen der Fluglärmkommission ausgehen wie das Hornberger Schießen.

Eigentlich, so Zimmermann, gibt es ja klar geregelte Zuständigkeiten: „Da die Deutsche Flugsicherung stets im Rahmen der Betriebsregelungen über die Abwicklung des Flugverkehrs entscheidet und für diese Betriebsregelungen für den Flughafen Leipzig-Halle wiederum das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr verantwortlich zeichnet, hat unsere Bürgerinitiative begleitend zu diesem Antrag bereits im März jeweils einen Brief an Staatsminister Dulig und Ministerpräsident Tillich gesandt.“

Die letzte Antwort auf eine Landtagsanfrage des grünen Abgeordneten Wolfram Günther aber deutet darauf hin, dass sich der Wirtschaftsminister ganz und gar nicht zuständig fühlt für diese Regelungen am Flughafen Leipzig/Halle.

Die meisten Auskünfte stimmten nicht. Im SMWA jedenfalls fasst man das Thema nur mit Fingerspitzen an. Und der Ministerpräsident? Den bewegt augenscheinlich nur das selbstorganisierte Problem, dass der Flughafen noch immer keine schwarzen Zahlen schreibt.

Und wo es keine Rückendeckung durch den Hauptanteilseigner Sachsen gibt, agieren selbst die Kommunen in der Kommission hilflos.

Auch wenn jetzt ein Antrag doch noch den Weg ins Verfahren gefunden hat, den die Kommission eigentlich nicht haben wollte.

Zimmermann: „Ein weiterer Antrag basiert auf dem Antrag des Ortschaftsrates Böhlitz-Ehrenberg zur Untersagung von Starts über die westliche und östliche Nordabkurvung in der Nachtkernzeit von 00:00 bis 05:00 Uhr. Der dritte Antrag greift eine Einwohneranfrage im Januar 2017 zur Abwicklung der Mali-Bundeswehr-Einsätze am Flughafen Leipzig-Halle und die damit verbundenen Sicherheitsbedenken und zusätzlichen nächtlichen Lärmbelastungen durch die AN22 auf.“

Ebenso ungelöst ist das Problem der lauten, alten Frachtflieger. Ein Problem, das alle Eiertänze bei den Bahnverteilungen noch in den Schatten stellt. Denn die verwandeln die Nacht tatsächlich in eine Hölle. Was die beigegebene Messreihe zeigt. Sie stammt aus Göbschelwitz, das östlich des Flughafens liegt und sogar schon ein Stück entfernter als Rackwitz, wo Thomas Pohl wohnt. Aber selbst dort werden Lärmspitzen von über 80, sogar bis zu 90 dBA gemessen – und zwar in der Nachtkernzeit. Dann, wenn Menschen eigentlich im Tiefschlaf liegen wollen, weil sie am nächsten Tag wieder erholt auf die Arbeit wollen.

Was auch damit zu tun hat, dass es keine wirklich wirksamen Start- und Landegebühren gibt.

Thomas Pohl: „Noch viel gravierender, als dass es am Flughafen Leipzig/Halle keine Einteilung der Flugzeugtypen in Lärmklassen gibt, ist die Tatsache, dass keinerlei Nachtzuschläge für Starts und Landungen erhoben werden. Dies gibt es an keinem anderen Flughafen! Überall muss nachts mehr bezahlt werden als am Tag. Die (Fracht-)Fluggesellschaften haben damit überhaupt keinen Anreiz aus Kostengründen lieber am Tag als in der Nacht zu fliegen. Und so starten eben die weit über 30 Jahre alten Boeing 747-400 von Kalitta Air auch in der einzigen halbwegs ruhigen Nacht zum Sonntag meist gegen 1:00 Uhr und gegen 4:30 Uhr mit schöner Regelmäßigkeit ab Leipzig.“

Und für das persönliche Empfinden heißt das: „Damit ist auch diese Nacht durch eine gestörte Nachtruhe (abruptes Erwachen mit plötzlichem Herzrasen!) gekennzeichnet. Eine absolute Frechheit ist das, was der Flughafen bzw. das SMWA als Genehmigungsbehörde mit den Menschen hier machen! Der passive Lärmschutz mit dem ausschließlichen Einbau von Schallschutzfenstern – selbst bei Fertigteilhäusern – ist bei diesem furchtbaren Nachtfluglärm absolut unzureichend! Bei Starts ab etwa 2:00 Uhr ist es im Schlafzimmer unter dem Dach fast ebenso unerträglich laut wie vor dem Fenster! An ein Schlafen ist da nicht zu denken! Damit wird permanent gegen den Planfeststellungsbeschluss verstoßen! Kein Wunder also, dass die 39,5 Mio. Euro für den passiven Schallschutz am Flughafen Leipzig/Halle absolut lächerlich sind. Im Gegensatz zu Berlin, wo die Kosten für den passiven Schallschutz auf bis zu 1 Milliarde steigen werden. Aber in Berlin hat man ja auch noch ein generelles Nachtflugverbot!“

Da ist er dann nicht der einzige, der „endlich und zeitnah wirksame Maßnahmen seitens der Genehmigungsbehörde“ fordert, „die dafür sorgen, dass ein Schlafen im Nachtlärmgebiet (verharmlosend auch Nachtschutzgebiet genannt) wieder möglich sein wird!“

Anfrage von Wolfram Günther (Grüne) „Lärm- und Umweltrelevanz der Start- und Landeentgelte am Flughafen Leipzig/Halle“. Drs. 629

Anfrage von Gisela Kallenbach (Grüne) „Flughafen Leipzig/Halle – Entgelte für Nachtflüge“. Drs. 5 / 4138

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