Die Diskussion um die Leipziger Stromkonzessionen hat schon gezeigt, wie schwer es Kommunen in Sachsen mittlerweile fällt, Entscheidungen in eigener politischer Verantwortung zu fällen, ohne dabei mit EU-Vorgaben und juristischen Grauzonen in Konflikt zu geraten. Auf EU-, Bundes- und Landesebene arbeiten Vertreter der Wirtschaftslobbys unermüdlich daran, die Kommunalwirtschaft den Bedingungen des freien Marktes zu unterwerfen. Ein neues Gesetz bringt nun Sachsens Kommunen zusätzlich in Bedrängnis.

“Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalrechts” heißt diese Vorlage von CDU und FDP, die Gewand eines versprochenen Bürokratieabbaus tatsächlich tief in die wirtschaftliche Autonomie der Kommunen im Freistaat eingreift.”Der Gesetzentwurf ‘Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalrechts’ ist ein Anschlag auf kommunale Unternehmen”, wirft Eva Jähnigen, innenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, CDU- und FDP-Fraktion vor.

Wenn dem Entwurf am heutigen Donnerstag, 5. September, im Innenausschuss zugestimmt wird, kommt es am 19. September in der Landtagssitzung zur Schlussabstimmung des Gesetzes.

“Die Regierungskoalition will mit dem Gesetzentwurf die wirtschaftliche Tätigkeit von Kommunen einschränken”, kritisiert Jähnigen. “Ich verstehe nicht, warum sich die CDU zum Handlanger für pure FDP-Ideologie hergibt. Vor gar nicht langer Zeit wurde populistisch ein Paragrafenpranger zum Abbau von Bürokratie betrieben, heute schafft man ohne Not ein Bürokratie-Monster.”

Jähnigen bezeichnet die im Gesetz vorgeschlagene Regelungen “eine gezielte Schwächung kommunaler Unternehmen”. Danach sollen zu allen wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen zukünftig alle Kammern und Berufsgruppen angehört werden müssen. “Nicht einmal Kultur- und Sozialbetriebe sind ausgenommen. Nur noch Wasser-, Abwasser- und Müllunternehmen dürfen künftig wettbewerbsfrei sein.”
Wer wird sich da alles zu Wort melden, wenn es um Strom und Wärme in Leipzig geht? Oder um den ÖPNV, dessen Leistungsvergabe in Leipzig schon einmal zur Diskussion stand, weil auch in der Leipziger Politik einige Leute der Überzeugung sind, private Anbieter könnten Verkehrsleistungen billiger anbieten.

Der Gesetzentwurf scheint auch bestens dazu geeignet, politische Weichenstellungen auszuhebeln. Denn was kann ein Stadtrat noch entscheiden, wenn das EU-Vergaberecht gilt und nur noch Kriterien der effizienteren Leistungserbringung gelten?

Oder die Kommunalbetriebe ein wesentlicher Teil der Eigenvorsorge und der finanziellen Planungen sind? Einige sächsische Gemeinden haben in den letzten Jahren gerade erst eigene Stadtwerke gegründet, um endlich unabhängig von den dominierenden Energiekonzernen eine unabhängige Energieversorgung aufzubauen. Sind ausgerechnet diese jetzt das Ziel eines scheinbar lediglich auf Wettbewerb angelegten Gesetzes?

Es steht zu befürchten.

Eva Jähnigen fordert die CDU-Fraktion deshalb auf, ihr Stillhalten zu überdenken. “Haben Sie eigentlich einmal Ihre Bürgermeister gefragt? Wer diesem Gesetz zustimmt, kann sich vor Ort bald nicht mehr blicken lassen. Wenn dieses Gesetz beschlossen wird, werden wir öffentlich daran erinnern, dass CDU und FDP für die Beschränkung kommunaler Betriebe verantwortlich sind.”

Der Gesetzentwurf von CDU und FDP ‘Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalrechts’ (Drs 5/11912)
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=11912&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=1

Zu beachten ist dabei insbesondere der neue eingeschobene § 94a, zu finden ab Seite 15.

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