Im neuen Bundesverkehrswegeplan 2015 steht es Schwarz auf Weiß: Von den 70 angemeldeten sächsischen Straßenprojekten haben nur sieben eine Chance, in den nächsten zehn Jahren gebaut zu werden. Dazu gehören der Neubau der Autobahn A 72, die Erweiterung der A 14, die Ortsumfahrungen Grimma, Göltzschtal und Flöha sowie Teile der B 178. Und fest steht auch: Das Geld im Bundeshaushalt reicht nicht einmal für diese sieben Projekte.

Schon allein für die im Bau befindlichen zwei Abschnitte der A 72 sind rund 200 Millionen Euro aufzubringen. Zusammen mit den sechs anderen als “gesetzt” geltenden Vorhaben in Sachsen, die noch einmal 75 Millionen Euro kosten, ist Sachsens Anteil an den Bundesmitteln für den Fernstraßenbau damit über zehn Jahre gebunden, stellt der Bundestagsabgeordnete Stephan Kühn (Bündnis 90/Die Grünen) fest. Er hat schon in der vorhergehenden Bundestagslegislatur die üppigen Projektanmeldungen aus Sachsen kritisiert und das sächsische Verkehrsministerium zu Augenmaß aufgefordert. Doch jede neue Anmeldeliste war genauso üppig wie die vorhergehende. Und das, obwohl die Bundesmittel für Straßenneubau radikal abschmelzen. Denn auch in Berlin hat man mittlerweile begriffen, dass die Gelder viel dringender gebraucht werden, um die bestehende Infrastruktur zu sanieren und in Stand zu halten.

Alle anderen von Sachsen wieder angemeldeten Fernstraßen-Projekte werden in der Grundkonzeption des Bundesverkehrswegeplans in die Kategorie “zu untersuchende Vorhaben” eingeordnet. Dazu zählen unter anderem in der Öffentlichkeit immer wieder diskutierten Vorhaben wie die Ortsumfahrung Freiberg, die Ortsumfahrung Pirna (B 172n) und der vierstreifige Neubau der B87n – eins der Lieblingsprojekte des sächsischen Verkehrsministeriums. Mit dem Beharren auf einem vierstreifigen Ausbau der Strecke und einer Trassenführung durch die Parthenaue hat der sächsische Verkehrsminister nun genau das erreicht, was niemandem etwas nützt: Eine Vertagung des Projekts mindestens ins Jahr 2025. Selbst der Regionale Planungsverband hatte eine andere Trassenführung und eine Beschränkung auf die Entschärfung der bestehenden Engpässe auf der bestehenden B87 gefordert, was nicht nur den Planungszeitraum deutlich verkürzt, sondern auch die Kosten deutlich gesenkt hätte.

“Die sächsischen Projektvorschläge für den Bundesverkehrswegeplan waren nur eine Aneinanderreihung der Wünsche von Staatsregierung, Wahlkreisabgeordneten von Bundestag und Landtag, Landräten und Bürgermeistern”, kritisiert Stephan Kühn, der auch Sprecher für Verkehrspolitik seiner Bundestagsfraktion ist. “Wie nicht anders zu erwarten, wurden die meisten vom Bund nur nachrichtlich übernommen. Die fast 70 Vorhaben aus Sachsen mit einem Investitionsvolumen von rund 1,8 Milliarden Euro wären bei Fortschreibung der jetzigen Investitionen durch den Bund ein Programm für mehr als 80 Jahre.”

Oder noch deutlicher gesagt: Die Zeit der großen Straßenbauprojekte in Sachsen ist vorbei. Jede Staatsregierung wäre gut beraten, sich auf die Instandhaltung des bestehenden Streckennetzes zu beschränken.

“Der Erhalt der Substanz des bestehenden Straßennetzes wird künftig den Löwenanteil der verfügbaren Investitionsmittel absorbieren. Bei Neu- und Ausbau ist daher eine strikte Projektauswahl absehbar: Die Bundesmittel werden zur Engpassauflösungen im überlasteten Autobahnnetz konzentriert. Und die liegen im Westen der Republik”, benennt Kühn die längst getätigten Weichenstellungen. Nur in Sachsen scheint man davon noch nichts gehört zu haben.

“Wirtschaftsminister Sven Morlok und der Staatsregierung hat der politische Wille zur konsequenten Priorisierung der sächsischen Vorhaben nach ihrem Nutzen gefehlt. Beim Bund bleiben nun nur noch die Projekte übrig, die tatsächlich in der Laufzeit des Bundesverkehrswegeplans auch finanziert werden können und für die tatsächlich auch langfristig ein Bedarf begründbar ist”, so Kühn. “Für alle anderen Vorhaben wird auf Grund einer regionalen Verkehrsprognose eine neue Nutzen-Kosten-Ermittlung durchgeführt. Die seit Juni vorliegende neue Bundesverkehrsprognose ‘Verkehrsverflechtungsprognose 2030’ zeigt eine Abnahme des Verkehrs – mit Ausnahme der Städte Dresden und Leipzig. Für Projekte wie die B 87n dürfte mit der Überprüfung durch den Bund das letzte Stündlein schlagen. Wenn die Verkehrsprognose dort einen Rückgang des Verkehrsaufkommens um bis zu 20 Prozent sieht, wird die Wirtschaftlichkeit des Neubaus der B 87n in den Keller fallen.”

“Wir brauchen einen Neuanfang in Sachsens Verkehrspolitik. Es muss Schluss damit sein, den Menschen weiter Ortsumgehungen zu versprechen, obwohl diese nicht mehr finanzierbar sind. Die dringend notwendige Sanierung des Straßennetzes muss Schwerpunkt der Politik werden, denn sie nutzt allen”, kommentiert das Ganze die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, Eva Jähnigen. “Die bisherigen Staatsregierungen haben bisher Planungsmittel in Millionenhöhe für Projekte ohne jede Realisierungschance verschwendet. Denn das Geld für die Planungen fließt vom Bund nur nach Sachsen zurück, wenn die Projekte wirklich gebaut werden. Auch in der Planung muss die Bestandssanierung an die Stelle überdimensionierten Neubauten treten.”

Grundkonzeption für den Bundesverkehrswegeplan 2015 – Projektvorschläge Bundesfernstraßen Sachsen: www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/ua/Bundesfernstrassen_Projektvorschlaege_BVWP2015_Sachsen_2014-07.pdf

Grundkonzeption für den Bundesverkehrswegeplan 2015 Textteil: www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/ua/Grundkonzeption-2015_BVWP_Kurzfassung_2014-07.pdf

Bundesverkehrsprognose 2030: www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/UI/verkehrsprognose-2030.html?nn=121406

Verkehrsverflechtungsprognose 2030 (Zusammenfassung): www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/ua/Verkehrsverflechtungsprognose-2030_Zusammf_los-3_2014-07.pdf

Verkehrsverflechtungsprognose 2030 (Karte Quell- u. Binnenverkehr): www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/ua/Verkehrsverflechtungsprognose-2030_QuelluBinnenverkehr-motor_2014-07.pdf

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