Er ist nicht ganz unschuldig an dem, was da in Dresden nun Montag für Montag als "Pegida" spaziert: Markus Ulbig (CDU), sächsischer Innenminister und in dieser Funktion immer wieder durch Befürwortung eines noch härteren Durchgreifens bei Asylbewerbern auffällig. Kurz nachdem er sich selbst gelobt hatte, dass Sachsens Behörden noch schneller abschieben als die Bayern, verkündete er im November, er wolle "Polizeisondereinheiten für straffällige Asylbewerber" installieren.

Ulbig hatte in einem Interview am 25. November 2014 in der Dresdner Morgenpost angekündigt, Polizeisondereinheiten für straffällige Asylbewerber einzurichten und erläutert, dass es nicht sein darf, “dass einer, der kein Recht auf Asyl hat und dann noch schwer straffällig geworden ist, durch das Zusammentreffen von Strafprozessordnung und Ausländerrecht am Ende mit einer Art Bleiberecht belohnt wird”.

Von einem Minister darf man eigentlich erwarten, dass er die Zahlen kennt und nicht einfach aus populistischen Gründen noch mehr Einsatz gegen eine Bevölkerungsgruppe fordert, die eigentlich den Schutz des gastgebenden Landes und ihrer Behörden braucht. Tatsächlich aber weiß er über “straffällige Asylbewerber” nichts, rein gar nichts, wie nun seine Antwort auf eine Nachfrage der Grünen ergab.

Die Forderung des sächsischen Innenministers Markus Ulbig nach einer Sondereinheit für straffällige Asylbewerber bricht in sich zusammen, stellt die Landtagsabgeordnete Eva Jähnigen fest, nachdem sie nun die Antwort des Innenministers auf ihre Anfrage lesen konnte.

“Wer fünf Mal im Jahr schwarzfährt, ist ein straffälliger Intensivtäter. Wenn er dann noch Asylbewerber ist, wird er künftig von einer Sondereinheit der Polizei betreut. So könnte die Antwort des Innenministers vereinfacht zusammengefasst werden”, kritisiert Jähnigen, die auch rechtspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag ist.

“Es ist erschreckend, wie Innenminister Ulbig einen Intensivtäter definiert. Für ihn ist das ein Tatverdächtiger, der mehr als fünf Mal im Jahr in Erscheinung getreten ist, egal ob er schwarzgefahren ist oder eine Körperverletzung begangen hat. Wer Interesse daran hat, das Bild vom straffälligen Asylbewerber in den Köpfen der Menschen zu verankern, der legt solche Maßstäbe an. Ulbig hat mit seinen markigen Ankündigungen Öl in das Feuer von Rassisten gegossen. Die Errichtung einer Sondereinheit für straffällige ausländische Intensivtäter ist blanker Populismus”, kommentiert Jähnigen die verbale Unverfrorenheit des Ministers, der so gern Oberbürgermeister von Dresden werden möchte. “Innenminister Markus Ulbig sollte sich künftig mit solchen unverantwortlichen Äußerungen zurückzuhalten.”

Mit solchen Äußerungen hat Ulbig auch immer wieder gern begründet, warum Sachsen für eine schnellere Abschiebepraxis ist. Denn wenn man der Welt suggeriert, dass es da nur um kriminell gewordene Menschen geht, die sich das Bleiberecht gar erschwindeln wollten, dann ist das natürlich Wasser auf die Mühlen derer, die eine weitere Verschärfung des Asylrechts in Deutschland fordern, obwohl es schon längst kein umfassendes Asylrecht mehr ist, so sehr wurde es seit 1992 (Stichwort: Rostock-Lichtenhagen) demontiert und durchlöchert. Es ist eher zu einem Gnadenrecht deutscher Behörden geworden.

Dass schon der kleinste Vorfall zur Abschiebung führt, musste nun auch Markus Ulbig zugestehen.

Eva Jähnigen: “Ulbig muss in seiner Antwort auch einräumen, dass es kein rechtliches Bleiberecht für straffällig gewordene Asylbewerber gibt, wie er im November behauptete. In Wahrheit kann die Staatsanwaltschaft selbst entscheiden, ob sie einen straffälligen Täter abschieben lassen oder ihm einen Prozess machen will. Bei Bagatelldelikten wie dem einfachen Diebstahl, dem Betrug, der Erschleichung von Leistungen, dem Fahren ohne Fahrerlaubnis oder der Beleidigung, wird generell abgeschoben und nicht angeklagt. In Sachsen wird kein straffälliger Asylbewerber mit ‘einer Art Bleiberecht belohnt’.”

Dass der Minister trotzdem solche Behauptungen in die Welt setzt, kann mit blanker Unwissenheit nicht erklärt werden. Das ist schon ganz amtliches Zündeln.

“Tatsächlich stieg die Anzahl der Straftaten von sogenannten Intensivtätern in den letzten Jahren zwar an”, stellt Eva Jähnigen fest. “Bei genauem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass Asylbewerber nicht häufiger straffällig sind als sächsische Bürgerinnen und Bürger. Wie das Sächsische Innenministerium per Twitter-Meldung – und leider nicht auf meine Kleine Anfrage – mitteilte, wurden die 1.635 Mehrfach-Straftaten durch lediglich 162 Tatverdächtige begangen. Bei den für das Jahr 2013 aufgeführten Mehrfachtaten handelt es sich zudem bei mehr als der Hälfte der Straftaten um sogenannte Bagatelldelikte (Schwarzfahren etc.).”

Heißt im Klartext: Die scheinbar großen Zahlen von aufgeklärten Diebstählen oder Rohheitsdelikten entstehen, weil einer kleinen Zahl von Tatverdächtigen eine ganze Reihe von Straftaten zugewiesen werden konnte. Und dass auch 276 Fälle von Schwarzfahren (“Beförderungserschleichung”, die Worte des deutschen Strafrechts sind selbst schon entlarvend genug) hier auftauchen, macht die Statistik erst recht dubios.

Die Zahl der 162 Straftäter, denen allein 1.635 Straftaten zugeordnet werden können, stammt übrigens auch aus dem SMI – von Martin Strunden, dem Pressesprecher des SMI, der die Zahl am 7. Januar auf Twitter bekannt gab.

Der SMI.Twitter:

https://twitter.com/SMI_tweets
Die Kleine Anfrage “Äußerungen des Innenministers in Bezug auf Vorschlag einer Sondereinheit für straffällige Asylbewerber” als PDF zum download.

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