Dass irgendetwas nicht stimmt in der Verteilung der Einnahmen und Ausgaben in Deutschland, das hat sich ja herumgesprochen. Bund und Länder sparen sich gesund auf Kosten der Kommunen. Und die sind auch in Sachsen in großen Teilen längst handlungsunfähig. Die ihnen aufgebürdeten Sozialkosten schnüren ihnen die Luft zum Atmen ab. Und zwar nicht nur den Großstädten.

Über die diesbezügliche Anfrage der sozialpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, Susanne Schaper, haben wir ja schon berichtet. Aber besonders drastisch hat sich die Situation in den Landkreisen entwickelt. Die Sozialausgaben der sächsischen Landkreise sind zwischen 2009 bis 2014 um 290 Millionen Euro auf 1,6 Milliarden Euro gestiegen. Spitzenreiter ist heute der Landkreis Görlitz mit 253 Millionen Euro, die niedrigsten Sozialausgaben fallen mit 100 Millionen Euro in Nordsachsen an. In den drei kreisfreien Städten stiegen die Sozialausgaben seit 2009 um 141 Millionen auf 724 Millionen Euro. Fast die Hälfte – 345,8 Millionen Euro – wurden dabei 2014 von der Stadt Leipzig ausgegeben.

“An dieser Entwicklung ist besonders problematisch, dass immer größere Teile der Gesamthaushalte von Landkreisen und kreisfreien Städten für Sozialausgaben gebunden werden müssen. Das folgt aus der Tatsache, dass die kommunalen Einnahmen nicht entsprechend steigen. Seit 2009 stiegen diese Anteile bei den Landkreisen um rund 6 Prozent auf durchschnittlich fast 50 Prozent (2014), bei den kreisfreien Städten um über 4 Prozent auf rund 25 Prozent”, rechnet Susanne Schaper vor, nachdem sie die Zahlen für 2014 beim zuständigen Innenminister abgefragt hat.

Und was das für die Haushalte der Landkreise bedeutet, machen schon die simplen Prozentzahlen deutlich. Susanne Schaper: “Die Landkreise Erzgebirgskreis, Bautzen, Görlitz und Leipzig geben mehr als 50 Prozent ihres Gesamthaushaltes für Sozialausgaben aus. Im Landkreis Leipzig liegt dieser Anteil mittlerweile schon bei 62,36 Prozent. Die Städte Chemnitz und Leipzig liegen mit 26,55 Prozent bzw. 27,31 Prozent Anteil am Haushaltsvolumen weit vor der Landeshauptstadt Dresden (20,21 Prozent).”

Die beiden Städte, in denen in jüngster Zeit die heftigsten Asylproteste passierten, liegen nicht ganz zufällig in den ländlichen Regionen: Freital zwar im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, wo die Belastung des Haushalts mit Sozialkosten mit 40,29 Prozent noch (im Vergleich) relativ niedrig ist. Aber Schneeberg liegt im Erzgebirgskreis und der hat eine Sozialkostenbelastung von mittlerweile 53,85 Prozent. Da ist kaum noch Bewegungsfreiraum, um die sozialen Bedingungen oder Infrastrukturen im Kreis zu stärken und zu verbessern. Ganz zu schweigen davon, dass damit auch die direkte Abwanderung junger Leute zusammenhängt. Sie gehen dahin, wo im Freistaat Sachsen noch Luft zum Atmen und Spielraum für Investitionen ist, in die Großstädte.

Der Reformkomplex “Hartz IV” als Kostentreiber für die Kommunen

“Trotz sinkender Arbeitslosigkeit steigen die Sozialausgaben, auch weil der Bund sein häufig gegebenes Versprechen, seine Ko-Finanzierung von Sozialausgaben aufzustocken, weiter bricht. Würde er dies beispielsweise im Fall der Altersgrundsicherung endlich tun, könnte das die Situation entspannen. Einstweilen belasten wachsende Altersarmut oder steigende Ausgaben für Hilfen zur Erziehung die kommunalen Haushalte immer stärker”, stellt Susanne Schaper fest. Aber sie appelliert nicht nur an den Bund, sondern auch an den Freistaat, der auf seine Weise gern die Gelder, die für Kommunen und ihre Aufgabenerfüllung gedacht sind, im eigenen Etat behält.

“Die Zahlen zeigen, wie wichtig eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen ist. Werden die Kreise und Gemeinden mit den steigenden Sozialausgaben alleingelassen, büßen sie Schritt für Schritt ihren finanzpolitischen Handlungsspielraum ein”, nennt Schaper das nüchterne Resultat, das nicht mal in Ansätzen in den langwierigen und ziellosen Demografie-Debatten auf Landesebene vorkommt. Statt rechtzeitig nach dem Jahr 2005 umzusteuern und die Handlungsfähigkeit der Kommunen zu sichern, hat man selbst auf Landesebene völlig unbegründete Sparprogramme aufgelegt, das Land auch von Polizisten und Lehrern entblößt und damit die Lage in den Kreisen noch verschärft. Ganz abgesehen davon, dass den Landkreisen damit auch eine selbstverantwortliche Haushaltspolitik genommen wurde. Im Grunde schnüren sie allesamt ihre jährlichen Haushaltspläne nur noch nach den strikten Vorgaben der kontrollierenden Landesdirektion.

Möglicherweise appelliert Susanne Schaper sogar an die Falschen, wenn sie sagt: “Die Staatsregierung ist gefordert, die kommunale Ebene finanziell auskömmlich auszustatten. Ein erster Schritt könnte darin bestehen, ein Konzept für eine Sozialkomponente im kommunalen Länderfinanzausgleich zu entwickeln.”

Doch jede Äußerung der Landesregierung zum kommunalen Finanzausgleich zeigt, dass man auf hoher Ebene gar nicht gewillt ist, die Kommunen aus der scharfen Kontrolle und der rigiden Haushaltsführung zu entlassen. Normalerweise wäre eine logische Folge so eines Denkens, sämtliche Landkreise in Sachsen einfach abzuschaffen und das  Land zentral über die Landesdirektionen zu steuern. Aber vor dieser Konsequenz scheuen die Pragmatiker im Regierungskabinett noch zurück.

Die Anfrage von Susanne Schaper zu den Soziallasten in den Landkreisen.

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Möglicherweise appelliert Susanne Schaper sogar an die Falschen, wenn sie sagt: „Die Staatsregierung ist gefordert, die kommunale Ebene finanziell auskömmlich auszustatten. Ein erster Schritt könnte darin bestehen, ein Konzept für eine Sozialkomponente im kommunalen Länderfinanzausgleich zu entwickeln.“

Eine sehr gut aussehende Frau.

Ich wäre schon froh, wenn “Die Linke” in Sachsen eine Reform der kommunalen Finanzkontrolle auf die Tagesordnung bringen würde. Das wäre ein hoffnungsvoller Anfang zur Lösung derartiger Probleme.

Gerne würde ich Frau Schaper persönlich zu dieser Thematik beraten. Auch deshalb, weil dazu die Finanzexperten der Linken im Sächsischen Parlament unfähig sind.

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