Nicht nur in Leipzig wundern sich derzeit ein paar Leute und stellen auch mal etwas nervige Anfragen an den Stadtrat und die Stadtverwaltung, wozu eigentlich diese ganzen Beiräte gut sind. Die werden immer mit einem Riesentamtam ins Leben gerufen, mit lauter Experten besetzt. Und dann? Dann hört man jahrelang nichts mehr von ihnen. Zum Beispiel vom Tierschutzbeirat der sächsischen Landesregierung.

Den hatte eigentlich niemand vermisst, auch wenn er eigentlich genug zu tun gehabt hätte in letzter Zeit: Skandale um Schweinemastanlagen, sinkende Bestände von Hasen, Hamstern und Rebhühnern, weil ihre Zufluchtsorte verschwinden, schwindende Lebensräume für Mauersegler und Eulen, Jägerei auf Wölfe usw. Der Beirat hätte schon gut zu tun. Aber das 1992 von der Regierung erlassene Statut verdonnert auch die Tierschützer zum Schweigen. Wahrscheinlich bekommen die Protokolle einen VS-Stempel, und wenn sie einer an die Presse gibt, bekommt er eine Anklage wegen Landesverrat.

Je länger man den Umgang der sächsischen Bürokratie mit der Öffentlichkeit und eigentlich öffentlichen Gremien wie dem Tierschutzbeirat betrachtet, umso deutlich wird, welche Panik in Ämtern und Behörden herrschen muss, dass auch nur ein Sterbenswörtchen über das hinter verschlossenen Türen Geäußerte nach draußen dringen könnte.

Die Frage steht nicht nur in Leipzig: Was sind Beiräte eigentlich, wenn sie nicht mal öffentlich Bericht erstatten über die Fragen, mit denen sie sich beschäftigen, und die Lösungen, die sie vorschlagen? Debattierklubs? Klostervereinigungen? Feigenblätter?

Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, Volkmar Zschocke, tendiert zu Letzterem, nachdem er auf seine Kleine Anfrage “Arbeit des Sächsischen Tierschutzbeirates” lauter ärgerliche Antworten von Sozialministerin Barbara Klepsch bekommen hat.

“Es war ja zu ahnen, nun habe ich es schwarz auf weiß: Der Tierschutzbeirat der Staatsregierung ist nur ein Feigenblatt. Die höchstens zweimal pro Jahr geladenen Mitglieder werden über die Arbeit des Ministeriums informiert und können ihre Meinung sagen. Ihre wichtigste Aufgabe scheint jedoch zu sein, die Gewinner der Sächsischen Tierschutzmedaille auszuwählen”, stöhnt er. Und hat recht. Das letzte Lebenszeichen des sächsischen Tierschutzbeirates stammt aus dem Jahr 2011. Staatsministerin Christine Clauß zeichnete damals im Oktober Karin Oettmeier und Dr. Wolfgang Paul mit der Johann-Georg-Palitzsch-Medaille, Sachsens Tierschutzpreis, aus, meldete der Pressedienst der Regierung. Karin Oettmeier wurde für die Gründung des Tierschutzvereins Plauen und Umgebung e.V. gewürdigt. Und Dr. Wolfgang Paul war Amtstierarzt der Stadt Leipzig und hat ein Kastrationsprogramm für 30.000 wildlebende Katzen in Leipzig initiiert – und das Katzenhaus mit aufgebaut.

Aber ansonsten schwieg und schweigt das Gremium wie fast alle anderen Beiräte in Sachsen. Die Mitglieder schweigen fein still, als würden sich öffentliche Themen mit der Besprechung in Sitzungssälen in Staatsgeheimnisse verwandeln. Man weiß also nicht, was sie tun, beraten und vorschlagen. Und die Mitglieder lassen sich die Schweigerei gefallen. Also sind sie eigentlich überflüssig, findet Zschocke. Der Tierschutzbeirat auf jeden Fall.

“Tiere brauchen in Sachsen endlich eine stärkere Vertretung. Dafür schlage ich eine/n sächsische/n Tierschutzbeauftragte/n vor”, meint der Grünen-Fraktionschef. “Sie oder er soll bei der Erarbeitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die den Tierschutz betreffen, beteiligt werden. Als Beratung der Ministerien und der nachgeordneten Behörden zu Tierschutzfragen ist ihr bzw. ihm Akteneinsicht zu gewähren. Außerdem soll sie bzw. er der Verwaltung als Experte mit Rat und Tat zur Seite stehen und die Arbeit des ehrenamtlichen Tierschutzbeirates anleiten.”

Was er von der derzeitigen Schweigerunde hält, sagt er auch recht deutlich, wenn auch nicht direkt: “Damit der Tierschutzbeauftragte nicht nur eine Marionette der Staatsregierung wird, muss sichergestellt werden, dass er in seiner Amtsausübung unabhängig, weisungsfrei und nur dem Gesetz unterworfen ist.”

Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Volkmar Zschocke “Arbeit des Sächsischen Tierschutzbeirates” (Drs. 6/2002).

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