Briefeschreiben war ja 2015 ganz groß in Mode. Auch Sachsens Regierung hat immer wieder Briefe geschrieben - mal an die schwedische Regierung, mal an den deutschen Energieminister. Immer wieder ging es darum, dass man die Kohlebranche in der Lausitz unbedingt behalten wolle. Am 15. Dezember hat auch der BUND Sachsen mal einen Brief geschrieben: an die Landesregierung. Offen und unzufrieden.

Dabei bezog man sich vor allem auf die gemeinsame Kabinettssitzung der Landesregierungen von Sachsen und Sachsen-Anhalt am 24. November in Merseburg. In dem Brief kritisiert der Verband öffentliche Verlautbarungen bezüglich der gemeinsamen Kabinettssitzung der sachsen-anhaltinischen und sächsischen Landesregierung in Merseburg. So wurde die Braunkohle als „Partner der Energiewende“ bezeichnet und die Vertiefung der Elbe auf 1,60 m Fahrtiefe an 345 Tagen im Jahr gefordert.

“Sollten sich die beiden Landesregierungen tatsächlich in dieser Form zu einer Reihe von Umwelt- und Naturschutzfragen geeinigt haben, bedeutet das einen großen Rückschritt in beiden Ländern für den Umwelt- und Naturschutz”, kommentiert das zumindest über den Presseverteiler der sächsischen Regierung verteilte Ergebnis der Nachhaltigkeitsforscher und BUND-Landesvorsitzende Prof. Dr. Felix Ekardt. “Nur wenige Tage vor Beginn der Weltklimakonferenz in Paris, bei der es ja eben darum ging, die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren, um die Klimaerwärmung zu begrenzen, den ‘Schutz der Braunkohle’ als CO2-intensivstem fossilen Energieträger zu fordern, ist fehl am Platz. In einem Offenen Brief an Tillich formulieren wir unsere Alternativkonzepte. Beide Bundesländer agieren auch zuweilen ausgesprochen hilflos in der aktuellen sogenannten Flüchtlingskrise – seriöse Prognosen sagen jedoch voraus, dass sich bis Mitte des Jahrhunderts bei andauerndem Klimawandel mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht befinden werden – das sind dreimal so viele wie heute. Wer also heute kein Konzept für eine verantwortungsvolle Flüchtlingspolitik hat, sollte sich zumindest der künftigen Haupt-Fluchtursache Klimawandel entschlossen entgegenstellen und den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Braunkohle einleiten.“

Aber nicht nur bei der Kohle verfolgen die Bundesländer eine Strategie, die aus dem letzten Jahrhundert stammt. Dasselbe trifft auf die Flughafenstrategie und die mögliche Nutzung der Elbe zu. Tatsächlich wirkte das Treffen wie aus der Zeit gefallen. Kein einziges Zukunftsthema wurde angesprochen. Und die Prinzipien, nach denen die beiden Landesregierungen Wirtschaftspolitik machen, wirkten völlig antiquiert.

Oder ignorant, wenn man an die Verlautbarungen zur Entwicklung des Flughafens denkt. So soll der Flughafen Leipzig/Halle weiterentwickelt werden, hieß es, obwohl schon heute die Schallschutzmaßnahmen in der Region nicht ausreichen. Kein Wort falle dagegen darüber, systematisch den Öffentlichen Verkehr auszubauen, um so einem klimafreundlichen und demokratischen Verkehrsmittel die Vorfahrt einzuräumen, kritisiert der BUND Leipzig. Gerade die Inbetriebnahme der ICE-Strecke zwischen Erfurt und Halle / Leipzig hat ja selbst den verträumtesten Anrainern endlich klar gemacht, dass die seit 25 Jahren gefahrene Strategie der Schnellstrecken vielleicht ein paar Knotenpunkte in Mitteldeutschland überregional einbindet – aber ein gut vertaktetes regionales Bahnnetz, das die komplette Region erfasst, fehlt.

Die SPD hatte es vor einem Jahr eigentlich in den Koalitionsvertrag geschrieben. Aber auch die mittlerweile heikle Diskussion um die Regionalisierungsmittel zeigt, dass sich nicht nur Sachsen bei der Finanzierung des Schienenverkehrs heillos verfranzt hat. Auch das kritisiert der BUND Sachsen und mahnt endlich eine zukunftsfähige Bahnstrategie an.

Den Koalitionsvertrag ganz bei Seite lasse das sächsische Kabinett aber schließlich beim Elbe-Ausbau, kritisiert der BUND. Während dieser im Koalitionsvertrag abgelehnt wird, fordere die Landesregierung nun wieder mal eine 1,60 m-Fahrtiefe. Dabei wird Sachsen für solche Pläne nicht mal einen müden Euro vom Bund bekommen, der die Elbe schon lange nicht mehr als möglicherweise ausbaufähige Wasserstraße betrachtet.

Lars Stratmann, stellvertretender Vorsitzender des BUND Sachsen und Gewässerexperte, dazu: “Mit dem diesjährigen EuGH-Urteil zur Weservertiefung hat die europäische Wasserrahmenrichtlinie eine umfassende Stärkung erhalten. Es besteht für Gewässer nun ein präzise gefasstes Verschlechterungsverbot. Eine Vertiefung der Elbe – unabhängig von der technischen Umsetzung – würde sehr wahrscheinlich eine Verschlechterung des Gewässerzustandes der Elbe bedeuten.“

Und so nebenbei hatten ja die Kabinettskollegen aus Dresden und Magdeburg sich auch  fürstlich für ihre gelungene Hochwasserpolitik gelobt. Aber auch da sieht es nicht zum Besten aus, stellt Stratmann fest: “Auch bezüglich des Hochwasserschutzes hätten wir uns konkretere Aussagen für mehr vorbeugenden und naturnahen Hochwasserschutz gewünscht. Bisher wurden Projekte, die den Gewässern mehr Raum in Form von Deichrückverlegungen geben und die naturnahen Funktionen der Flussauen stärken, nur in geringem Umfang umgesetzt.“

Dafür wurden für Milliarden Euro seit 2002 eine Menge Deichsysteme gebaut, die eine Nutzung der einstigen Überschwemmungsflächen der Flüsse auf Jahrzehnte verunmöglichen. Und das Programm der Deichrückverlegungen geht nur zögerlich voran, so dass der Druck auch bei künftigen Hochwasserereignissen “im System” bleibt und die Deiche an den Unterläufen der Flüsse in Gefahr bringt.

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