Am Dienstag, 15. November, hat der Sächsische Rechnungshof wieder eine seiner sinnfreien Meldungen veröffentlicht. Der 2. Band des Jahresberichtes 2015 liegt nun vor. Und nicht nur Landtagsabgeordnete fassen sich an den Kopf: Denn während viele Kommunen Probleme haben, ihre Einnahmen zu generieren, spielen Staatsregierung und Rechnungshof das Tennis-Doppel um die Doppik, die auch noch teurer ist als die alte Kameralistik.

“Wie der aktuelle Rechnungshofbericht dokumentiert, ist die Umstellung der kommunalen Buchführung von der Kameralistik auf die Doppik ein einziges Fiasko. So haben zwei Jahre nach Abschluss des Umstellungszeitraumes von 2007 bis 2013 37 Prozent der Kommunen noch immer keine Eröffnungsbilanz. Für das Jahr 2013 hatten bis Ende 2014 weniger als sieben Prozent der Gemeinden einen Jahresabschluss. Von einer Steuerungsfunktion durch die Doppik kann also nicht einmal ansatzweise die Rede sein”, erklärt der kommunalpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke, André Schollbach. “Der Hauptgrund für die Einführung der Doppik, die behauptete bessere Darstellung des Ressourcenverbrauches in den Kommunen, setzt voraus, dass das gesamte Vermögen der Kommunen genau bewertet wird. Diese Bewertungen wurden mit einem erheblichen personellen, zeitlichen und finanziellen Aufwand und auf der Basis zweifelhafter Annahmen betrieben, ohne dass heute hinreichende Ergebnisse vorliegen.”

Tatsächlich kommen die Kommunen in neue Nachweiszwänge.

“Auch nach der Einführung ist die Doppik auf Dauer wesentlich teurer als das frühere kamerale Rechnungswesen. So müssen die Abschreibungen zwingend erwirtschaftet werden, was den Finanzbedarf der öffentlichen Hand nur weiter nach oben treibt”, stellt Schollbach fest. “Angesichts der ‘Zeiten rückläufiger Finanzmittel und sinkender Bevölkerungszahlen’, auf die der Rechnungshof selbst hinwies, dürfte dies für viele Kommunen zu einem großen Problem werden. Der Gewinn an Transparenz durch die Doppik ist ebenfalls umstritten, für ehrenamtliche Gemeinderäte wurden Haushalte und Jahresabschlüsse eher weniger transparent.”

Und welche Rolle spielt da nun der Rechnungshof? Eigentlich sitzt er nur am Spielfeldrand und vergibt Haltungsnoten. Er fragt nicht mal, wie sinnvoll die verordnete Einführung der Doppik in Sachsen war und was sie gekostet hat.

Schollbach: “Anstatt in den Kommunen die Umsetzung der Doppik penibel zu kontrollieren, sollte der Rechnungshof besser den enormen Aufwand für die Einführung der Doppik, gemessen am tatsächlichen Nutzen, kritisch prüfen.”

Tatsächlich ist der Zwischenstand, dass die Staatsregierung nicht wirklich weiß, wie es um die Kommunen bestellt ist. Die Doppik sorgt da nicht ansatzweise für eine Erhellung.

Denn wie formuliert es der Rechnungshof so schön? – “Ein großer Teil der Einnahmen ist jedoch wirtschaftskraftabhängig und damit grundsätzlich Schwankungen unterworfen. Auch machen sich regionale Besonderheiten in den Kommunen bemerkbar: Nicht alle Kommunen konnten beispielsweise an der positiven Entwicklung der Steuereinnahmen partizipieren. Knapp 28 % der sächsischen Kommunen gelang es nicht, ihre Steuereinnahmen zu steigern.”

Da nutzt dann die schönste Doppik nichts, wenn vorne nicht reinkommt, was hinten eigentlich investiert werden müsste. Auch wenn sich Franziska Schubert, haushalts- und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, sicher ist, dass die doppische Rechnungsführung “grundlegende Informationen zur Beurteilung der kommunalen Finanzlage” gibt.

Möglicherweise sogar so klar, dass die Finanzmisere der Kommunen dann etwas offenkundiger wird. Vielleicht würde es auch die Traumtänzerei der Regierung beenden, die glaubt, mit neuen Förderpaketen etwas Gutes zu tun, obwohl die Kommunen dringend auf die ganz normalen FAG-Mittel angewiesen sind.

“Angesichts der Entscheidungen, die die Staatsregierung momentan bezüglich der kommunalen Finanzen trifft, ist das problematisch. Sei es beim Gesetz zur Stärkung der Investitionskraft oder bei den Neuverhandlungen über die künftige Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs. Es liegen für aktuelle Entscheidungen und die Haushaltsplanung nur unzureichende valide Ist-Daten vor. Das ist keine gute Grundlage”, sagt dazu Franziska Schubert. “Ein weiterer Punkt, der mich auch umtreibt, sind die Folgekosten von Investitionen und die Frage nach einer sinnvollen Investitionsquote. Von den Steuermehreinnahmen wird in den meisten Kommunen nicht viel übrig bleiben. Die 2014 vorhandenen Mehrausgaben für laufende Kosten und soziale Leistungen zehren das auf. Das heißt, die Kommunen sind weiter auf Förderprogramme angewiesen, um entweder neu zu bauen, oder, was viel wichtiger ist, zu erhalten oder instand zu setzen. Reine Investitionsförderprogramme sind daher viel zu kurz gegriffen, da sie de facto die Schulden für die Zukunft bilden. In den kommunalen Haushalten werden Investition und Erhaltungsaufwand konsequent abgegrenzt. Erstere führen zu Abschreibungen, die erwirtschaftet werden müssen, sie sind sozusagen jährliche Belastungen; letztere werden anders gebucht und entlasten die kommunalen Haushalte unmittelbar.”

Aber irgendwie ist die Landespolitik reineweg begeistert davon, die Kommunen zum Investieren drängen zu wollen. Irgendwie hat man das wohl mal so gelernt: Hohe Investitionsquoten sind etwas Gutes.

Aber was ist, wenn das Geld eigentlich aus dem täglichen Bedarf der Kommunen abgezweigt wird? Eine Frage, die den Rechnungshof nicht mal interessiert. Der schwimmt einfach auf der Investitionswelle mit, obwohl man eigentlich ganz genau sieht, wo es in den Kommunen jetzt schon fehlt.

Prof. Dr. Karl-Heinz Binus, Präsident des sächsischen Rechnungshofes: „Weil 2019 der Solidarpakt II endet, wird sich der finanzielle Handlungsspielraum der Kommunen zunehmend verringern. In Zeiten rückläufiger Finanzmittel und sinkender Bevölkerungszahlen die Haushalte zu konsolidieren und trotzdem Zukunftsinvestitionen zu tätigen, bleibt eine enorme Aufgabe. Die durch die wachsende Zahl an Asylbewerbern entstehenden finanziellen Mehrbelastungen sind noch nicht abzusehen.“

Ein Wort wie Zukunftsinvestitionen ist immer schnell gesagt.

Dabei geht es in den meisten Kommunen um schlichten Substanzerhalt, wie Fanziska Schubert anmerkt: “Der richtige Weg aus meiner Sicht, die der Rechnungshof auch im vorliegenden Band bestätigt, sind Förderungen, die sich nicht nur auf reine Investitionen, sondern auch auf den Erhalt der Infrastruktur beziehen. Erhalt vor Neubau, das ist seit Jahren eine grüne Kernforderung. Die künftige demografische Entwicklung muss zwingend berücksichtigt werden. Bei den aktuellen Entscheidungen der Staatsregierung vermisse ich den Weitblick deutlich.”

Denn das eigentliche Problem benennt ja der Rechnungshof sogar – und daran ändert auch die Einführung der Doppik nichts: “Der Anteil der kommunalen Eigenmittel an den Sachinvestitionen hat in den letzten Jahren nicht wesentlich zugenommen. Dies unterstreicht zum einen die Bedeutung der investiven Zuweisungen für die Investitionstätigkeit der Kommunen und zum anderen die Wichtigkeit, entsprechende Eigenmittel zu erwirtschaften, um die erforderlichen Investitionen tätigen zu können.”

Ein zumindest seltsamer Satz, wenn die Landespolitik seit Jahren darauf zielt, Kommunen von privatwirtschaftlichen Engagements abzuhalten. Wo sollen da schrumpfende Kommunen noch zusätzliche Eigenmittel erwirtschaften?

Irgendwie haben wohl auch die Rechner des Rechnungshofes da gemerkt, dass das eine ziemlich sinnfreie Empfehlung ist. Also haben sie sich noch eine andere ausgedacht: “Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit sollte das vorhandene Potenzial interkommunaler Zusammenarbeit und weiterer Gemeindefusionen ausgeschöpft werden. Zielsetzung muss nach Ansicht des SRH letztlich sein, dass die notwendigen kommunalen Leistungen regional dauerhaft vorgehalten werden können.”

Das ist genau das Rezept, nach dem der Freistaat seit 20 Jahren agiert. Mit fatalen Folgen für die ländlichen Räume.

Es zeugt von einer sehr oberflächlichen, rein betriebswirtschaftlichen Sicht auf ein Land, in dem nicht mehr gefragt wird, warum die Rezepte seit Jahren den Patienten nur immer mehr schwächen. Aber bestimmt werden sich einige Bürgermeister und Landräte den Spaß machen, den neuen Rechnungshofbericht in lauter Fidibusse zu verwandeln.

Die Pressemiteilung des Rechnungshofes.

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“So müssen die Abschreibungen zwingend erwirtschaftet werden, was den Finanzbedarf der öffentlichen Hand nur weiter nach oben treibt“, stellt Schollbach fest”

Diese Behauptung ist Murks. Absoluter Murks.

Das ist so, wenn man bei dieser Thematik wie ein “Schweinchen in das Uhrwerk schaut”, was bei 99,0 % aller Politiker der Fall ist. Als Entschuldigung gilt jedoch, dass die Umstellung der Buchführung ein heißes Eisen ist und weiter sein wird. Sie ist nach wie vor sehr umstritten. Ich halte diese Umstellung nicht für positive, auch weil diese riesige Beträge gekostet hat. Mir sind jedoch auch Ansichten von tatsächlichen Fachleuten in Kommunen bekannt, welche die vollständige Erfassung von Aufwendungen und Erträgen für sinnvoll halten.

Ich will deshalb nichts weiter anmerken.

Nur so viel: Eine Kommune ist kein Wirtschaftsunternehmen. Das ist es auch nicht mit Einführung der Doppik geworden. Hier liegt überwiegend der falsche Denkansatz.

Dieser Beitrag ist jedoch eine grandiose Einleitung zur nächsten Folge meiner Serie, wo es um den Sächsischen Rechnungshof geht. Welch ein Zufall (hihihi)! Ich habe dafür viele Stunden aufgewendet. Es wird ans Eingemachte des Sächsischen Rechnungshofs gehen, zu 100,0 %!
Ich hoffe, dass Sie, sehr geehrte Leserinnen und Leser aus nah und fern, zufrieden sein werden. Nach meinen Informationen soll morgen bzw. spätestens übermorgen die Folge beginnen.

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