Das aktuelle Problem in Deutschland sind nicht die Flüchtlinge, auch wenn sich alle möglichen Leute auf diese Menschen eingeschossen haben. Das Problem sind all jene Strippenzieher und Dunkelmänner, die die Situation - wie 1992 - ausnutzen und die Stimmung aufheizen und Ängste schüren. Und in deren Dunstkreis sind wieder vermehrt Gewalttäter unterwegs, die ihren Rassismus brutal ausleben. Auch mit in Kauf genommenen Todesfällen.

“Bei Anschlägen auf Unterkünfte von Asylsuchenden werden wiederholt Todesopfer in Kauf genommen. Das ist auch das Ergebnis von Ermittlungen und die Einschätzung mehrerer Staatsanwaltschaften, wie meine Anfrage im Sächsischen Landtag ergab”, äußert sich die Sprecherin für antifaschistische Politik der Linksfraktion im Landtag, Kerstin Köditz, zu den besorgniserregenden Ausmaßen rechter und rassistischer Gewalt in Sachsen.

Zumindest zwei Fälle aus dem vergangenen Jahr werden nach der erfolgten Auskunft von Innenminister Markus Ulbig als Tötungsversuche eingestuft. Das betrifft zum einen den Anschlag mit Sprengmitteln am 13. Februar 2015 auf eine Asylunterkunft in Freiberg, wobei sieben Menschen verletzt wurden. Dieses Verfahren wurde zwischenzeitlich eingestellt, da es nicht zur Ermittlung eines Tatverdächtigen führte.

“Die Staatsanwaltschaft Chemnitz spricht hier von versuchtem Totschlag – es ist äußerst bedauernswert, dass er vermutlich ungesühnt bleiben wird”, sagt Köditz dazu. “Von versuchtem Mord geht die Staatsanwaltschaft Zwickau nach dem Brandanschlag auf eine Asylunterkunft am frühen Morgen des 12. November 2015 in Crimmitschau aus. Drei Beschuldigte befinden sich deshalb in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen, die hier wegen versuchten Mordes laufen, stehen kurz vor dem Abschluss. Das ist ein gutes Zeichen.”

In den Vorjahren 2014 (Drucksache 6/612) und 2013 (Drucksache 5/13481) hatte es keine vergleichbaren Ermittlungsverfahren in Sachsen gegeben. Offenbar nimmt inzwischen nicht nur die Zahl rechtsmotivierter Angriffe rapide zu, sondern auch die Mittel der Täter werden immer rabiater, vermutet die Abgeordnete.

Kerstin Köditz: “Obwohl diese Entwicklung niemandem verborgen bleiben kann, gibt es bis heute kein überzeugendes Konzept der Staatsregierung für ein konzertiertes Vorgehen. Der Rechtsstaat muss einschreiten, noch bevor Rassisten zuschlagen können!”

Andererseits gehören die Anschläge auf Asylbewerber und ihre Unterkünfte auch in das Muster anderer Anschläge, die sich oft genug “nur” gegen solche Einrichtungen oder gegen Politiker demokratischer Parteien richten. Die extreme Rechte in Sachsen hat nicht nur verbal aufgerüstet und steckt hinter den meisten sogenannten Bürgerinitiativen und Bürgerwehren, die gegen Asylbewerberunterbringungen mobil machen, sie steckt auch hinter diversen Gewaltaufrufen, die auch in den fremdenfeindlichen Umzügen von Pegida und Legida vermehrt Widerhall finden. Da radikalisiert sich nicht nur ein Milieu, da nutzen Feinde der Demokratie die Gelegenheit, die Stimmung auch mit Gewalttaten anzuheizen und damit das Klima der Unsicherheit zu verstärken.

Im Grunde wäre da eine ruhige, belastbare Staatspolitik wichtig. Aber auch die staatlich Verantwortlichen lassen sich vom aufgeheizten Klima treiben. Und mit der Verfolgung rechtsextremer Gewalttäter und ihrer Netzwerkstrukturen tut sich Sachsen bis heute schwer.

Anfrage zu den Vorfällen im Jahr 2015.

Anfrage zu den Vorfällen 2014.

Anfrage zu den Vorfällen 2013.

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