Zu Recht nahmen Linke und Grüne an, dass es in der am Freitag, 26. Februar, anberaumten Sitzung des Innenausschusses des Sächsischen Landtags um ganz andere Themen gehen würde als um das, was am Montag in der Sondersitzung des Landtags angesprochen werden muss. Denn Clausnitz und Bautzen sind nur zwei Einzelfälle aus einem großen und augenscheinlich systematischen Staatsversagen.

Die Linken kritisierten nach der gestrigen Sitzung schon, dass der „Chemnitzer Polizeipräsident Reißmann offenbar einen Maulkorb von Innenminister Ulbig umgehängt bekommen“ hatte und auf der Sitzung den Abgeordneten nicht Rede und Antwort stehen durfte.

Aber es kamen wohl doch genügend Fakten auf den Tisch, die deutlich machten, dass die Pöbeleien in Clausnitz mit Ansage kamen, dass die Polizei hätte Bescheid wissen müssen – und trotzdem mit zu wenig Leuten anrückte. Was natürlich zwei Deutungen zulässt: Entweder hat man es „drauf ankommen lassen“. Oder es war schon reine Gleichgültigkeit. Beides eigentlich keine gute Voraussetzung für den Job, erst recht, wenn nach dem ganzen Gebrülle auch noch die verängstigten Flüchtlinge aus dem Bus als Täter angezeigt werden.  Auch wenn die weitere Strafverfolgung nun nicht stattfinden soll, ein skurriler Vorgang.

Selten wurde so offen deutlich, wie wenig Sachsens Polizei für diese Aufgaben mental gerüstet ist. Das gravierende Personalproblem einer heruntergesparten Polizei kommt noch hinzu. Ein wenig verriet zumindest der innenpolitische Sprecher der Grünen, Valentin Lippmann, nach der Sondersitzung des Innenausschusses von dem am Freitag Besprochenen.

„Die fremdenfeindlichen Proteste und Blockaden gegen die Ankunft der Asylbewerber waren offenbar von langer Hand geplant. Vor diesem Hintergrund hat die Polizeidirektion Chemnitz einen vollkommen unzureichenden Polizeikräfteeinsatz vorbereitet. Es war lediglich der Einsatz von zwei Polizeibeamten vorgesehen“, nennt er die blanken Zahlen. „Aufgrund dieser Fehleinschätzung ist es der Polizei in den zwei Stunden von Ankunft des Busses bis zur Verbringung der Flüchtlinge in die Unterkunft nicht gelungen, ausreichende Kräfte vor Ort zu sammeln, die gegen die gewaltbereite Menge von Menschen vorgehen konnte. Dies zeigt, in welchem desaströsen personellen Zustand sich die sächsische Polizei derzeit befindet.“

Und augenscheinlich spielte der vor Ort verantwortliche Vertreter des Landratsamtes wenn nicht eine unrühmliche, dann doch zumindest eine gefühllose Rolle.

„In Folge dieses geringen Kräfteaufgebots sah sich die Polizei vor Ort nicht in der Lage, gegen den Mob, sondern nur gegen die Asylbewerber vorzugehen. Die gewaltsame Verbringung dreier Flüchtlinge aus dem Bus, die nicht aussteigen wollten und sich im Bus festklammerten, erfolgte, nachdem offenbar ein Vertreter des Landratsamtes angeordnet hatte, die Asylbewerber trotz des Mobs vor der Tür in die Unterkunft zu verbringen“, nennt Lippmann die Fakten. „Ich erachte sowohl diese Anordnung als auch das Vorgehen der Polizei für unverhältnismäßig und erwarte eine Klärung dieser Frage im Innenausschuss nächste Woche, zu der das zuständige Landratsamt eingeladen werden soll.“

Hauptschuldiger ist für ihn der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU), der Hauptverantwortliche für die 2011 verkündete „Polizeireform 2020“, die vor allem eine massive Ausdünnung der Polizeikräfte in den ländlichen Räumen zur Folge hatte.

„Ich fordere den Innenminister auf, Polizeieinsätze endlich so vorzubereiten, dass es zu solchen menschenunwürdigen Situationen für Asylbewerber in Sachsen nie wieder kommen wird. Zudem brauchen wir dringend eine personelle Aufstockung der ländlichen Reviere“, sagt Lippmann. „Es gibt definitiv zu wenig Polizei vor Ort, wenn auch mit größter Anstrengung innerhalb von zwei Stunden nur 28 Beamte angefordert werden können. Dass die Polizei verängstigte Frauen und Kinder gegen ihren Willen aus einem Bus zerren muss, ist auch Folge des jahrelangen Stellenabbaus bei der Polizei. Allein in den umliegenden Revieren von Clausnitz wurden in den vergangenen sieben Jahren 17 Prozent des Personals eingespart.“

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Donnerstagabend, kurz vor 20 Uhr, Tagesschauzeit, Abendbrotzeit. Da will wohl keiner so richtig raus, und wer draußen ist will schnell heim. Also nun macht doch mal hinne, die Kartoffeln werden kalt, los, raus aus dem Bus, hopp hopp und dalli.

Auch wenns angekündigt war: die paar Dorfis sind doch friedlich, die tun doch nix. Mensch, der Kurt ist doch der Nachbar von meiner Omma, den kenn ich schon ewig und drei Tage, der tut niemandem was, da reichen 2 Leute, das geht schon gut.

Ging es nicht, denn auch ansonsten harmlose Dorfis sind wie viele andere Männer auch: in der Gruppe stark, mutig, unbezwingbare Helden.
Und eben weils oftmals Nachbarn sind, weil der Kurt den Julian schon von den Windeln an kennt, wird der Kurt auf den Julian nicht hören und ihn auslachen und ihm am nächsten Sonntag beim Schwatz übern Gartenzaun sagen, dass das so nicht gemeint war, man wird sich die Hände reichen, vielleicht ein Bier trinken und alles ist wieder gut.

Wäre ja vielleicht auch gutgegangen, Presse war keine da. Man hätte es also fein vertuschen können. Wenn die nicht selber ein Video gedreht hätten und es als Siegesbeweis ins Internet gestellt hätten. So doof muss man erstmal sein.

Nein, es ist gut, dass die so doof waren (sind). Denn so kommt wenigstens ans Licht, wie die Dorfidylle wirklich ist: braun, sumpfig, grausam. Und sie haben ja immer gewonnen, Neulinge und Andersdenkende konnten noch immer in die Flucht geschlagen werden. Und im schlimmsten Fall werden Kurts Stammtischbrüder jeden Eid schwören, dass sie unschuldig sind, der Chemnitzer Polizeichef wirds schon bestätigen, man kennt sich doch …

PS: Namen sind frei erfunden. Und wer Sarkasmus findet darf ihn behalten

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