Zuerst war es nur André Schollbach, der kommunalpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, der verblüfft war über die Aktion der Dresdner Staatsanwaltschaft am 2. Mai, als diese per Presseerklärung verkündete, man werde nicht wegen Meineids gegen die Fraktionsvorsitzende der AfD, Frauke Petry, ermitteln. Die Generalstaatsanwaltschaft reagierte ja bekanntlich gleich am nächsten Tag. Und die Linksfraktion fragte lieber noch mal nach.

Die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft vom 3. Mai, die Ermittlungen wegen Meineids doch zuzulassen, war im Grunde eindeutig. Aber irgendwie seltsam war das Agieren der Dresdner Staatsanwaltschaft am Vortag – nicht nur, weil diese dem Wahlprüfungsausschuss das Recht absprach, Aussagen unter Eid abzunehmen, sondern auch wegen der auffälligen Parallelität – denn am selben Tag saß genau dieser Ausschuss beisammen und befragte zum selben Fall den parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Uwe Wurlitzer. Das sah beinah wie ein abgekartetes Spiel aus, war aber keins, stellt nun Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) fest, eher wohl so eine Art Zusammentreffen wundersamer Ereignisse.

Wie das aber da am 2. und 3. Mai genau ablief, das wollte der verfassungs- und rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Klaus Bartl, schon genauer wissen. Doch so ganz konnten die Antworten des Justizministers auf seine Fragen seine Zweifel augenscheinlich nicht ausräumen.

„Just während der Wahlprüfungsausschuss den Generalsekretär der Sachsen-AfD und Parlamentarischen Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Uwe Wurlitzer, vernahm – in Behandlung zweier Einsprüche gegen die Gültigkeit der Landtagswahl – versandte die Staatsanwaltschaft Dresden eine Pressemitteilung. Anzeigen gegen Frauke Petry wegen des Verdachts des Meineides werde nicht stattgegeben. Der Wahlprüfungsausschuss sei keine zur Abnahme von Eiden zuständige Stelle. Die Generalstaatsanwaltschaft Sachsen kassierte tags darauf diese Entscheidung. Inzwischen sind förmliche Ermittlungen auch dem Landtagspräsidenten angezeigt“, kommentiert er den Vorgang.

Und er zeigt sich auch unzufrieden damit, dass der Justizminister die Vorgänge in der Staatsanwaltschaft Dresden, die scheinbar nur auf die emsigen Fragen mehrerer Journalisten mit einer Pressemitteilung reagierte, als so selbstverständlich darstellt. Denn in den richtigen Gesetzeswerken nachzuschlagen, sollte ja eigentlich in der Staatsanwaltschaft genauso geübt sein wie in der Generalstaatsanwaltschaft.

„Es kann nicht hingenommen werden, dass die Stellungnahme des Justizministers den Vorgang quasi als plausible Normalität darstellt“, sagt Bartl. „Es liegt nicht im Ermessen irgendeiner Staatsanwältin oder irgendeines Staatsanwaltes, zu entscheiden, dass Landesgesetze – hier das sächsische Wahlprüfungsgesetz – gemessen an einem Bundesgesetz – hier dem Strafgesetzbuch – nicht gelten. Wenn die Staatsanwaltschaft mit Gesetzen Probleme hat, muss sie ein Normkontrollverfahren über das Verfassungsgericht einleiten. Ebenso geht es nicht an, dass ein Abgeordneter des Landtages, der eine Anzeige von so weitreichender politischer Bedeutung und rechtlichen Tragweite erstattet – immerhin ist der vorgeworfene Meineid ein Verbrechenstatbestand – vom Absehen der Verfahrenseinleitung zuerst aus den Medien erfährt. Die von Gesetzes wegen vorzunehmende Mitteilung ging am selben Tag erst an die Poststelle der Staatsanwaltschaft.“

Und Bartl nimmt es auch nicht für gegeben, dass ausgerechnet die Staatsanwaltschaft Dresden nicht weiß, dass an diesem Tag der Wahlprüfungsausschuss des Landtags tagt, wenn die Journalisten ja sichtlich vor dem Hintergrund dieser Sitzung bei der Staatsanwaltschaft nachfragen, wie es nun mit der Anzeige gegen Frauke Petry aussieht.

„Und wenn die Frage, ob die Herausgabe der Presseerklärung durch die Staatsanwaltschaft einen Zusammenhang mit der gerade stattfindenden Vernehmung des Abgeordneten Wurlitzer hatte, mit der Erklärung abgetan wird, den ‚mit der Sache betrauten Bediensteten der Staatsanwaltschaft Dresden‘ sei der Termin dieser Verhandlung ‚nicht bekannt gewesen‘, reicht es endgültig“, fühlt sich Klaus Bartl verschaukelt. „Wenn der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Dresden laut Antwort der Staatsregierung an diesem Tag die Pressemitteilung in die Welt setzt – ausdrücklich weil zum Prüfvorgang gegen Petry gehäufte Presseanfragen vorlagen – ist es unglaubhaft, dass sich just dieser Pressesprecher namens Haase nicht fragte, wodurch die Anfragenhäufung veranlasst sein könnte. Entweder ist die Antwort falsch oder dieser Pressesprecher ist fehl am Platze.“

Dass es da augenscheinlich heftige Verwerfungen zwischen der Dresdner Staatsanwaltschaft, der Generalstaatsanwaltschaft und/oder dem Justizministerium gibt, hatte die Antwort von Justizminister Sebastian Gemkow schon angedeutet: „Die Entscheidung und der Zeitpunkt ihrer medialen ,Verkündung‘ waren nicht mit der Generalstaatsanwaltschaft Dresden und/oder dem Staatsministerium der Justiz abgestimmt. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat ihre Absehensentscheidung auch nicht an die Generalstaatsanwaltschaft Dresden berichtet.“

Einfache Abstimmungsprobleme können das nicht gewesen sein. Und ob es just der Pressesprecher war, der hier ohne Absprache vorpreschte, dürfte zumindest eine Frage wert sein.

Klaus Bartl: „Ein so despektierlicher Umgang mit dem Landtag, seinen Gremien und Abgeordneten geht nicht. Das verhöhnt die Gewaltenteilung und die Kontrollfunktion des Parlaments. Etwas prinzipieller hätte ich diesen Vorgang schon gern behandelt gewusst, Herr Staatsminister Gemkow!“

Die Kleine Anfrage von Klaus Bartl. Drs. 5060

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