Für gehöriges Aufsehen sorgte vor drei Wochen die Entscheidung des Landgerichts Dresden, dem Politikwissenschaftler Steffen Kailitz zu untersagen, in der Öffentlichkeit zu behaupten, die NPD plane „rassistisch motivierte Staatsverbrechen“ und wolle „acht bis elf Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben“. Steffen Kailitz ist ja nicht irgendwer. Er ist einer der prominentesten Forscher am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in Dresden.

Und er ist Sachverständiger im aktuellen NPD-Verbotsverfahren. Und darum ging es auch in seinem Beitrag, den Zeit Online am 5. Mai veröffentlichte. Nicht nur die sehr flotte Verfahrensweise von Richter Jens Maier sorgte für Verwunderung. Auch dass er dem Politikwissenschaftler einfach bei Androhung eines Ordnungsgeldes von 250.000 Euro verbot, die zitierten Äußerungen zu wiederholen. Dass Maier in der AfD aktiv ist und Mitglied von deren Landesschiedsgericht, war Kailitz und seinem Rechtsbeistand augenscheinlich nicht bekannt. Sonst hätte er diesen Richter wahrscheinlich wegen Befangenheit abgelehnt.

Der Jurist Maximilian Steinbeis spricht von einem Knebel, den der Richter dem Wissenschaftler hier umgebunden habe.

Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, wurde noch deutlicher: „Der fatale Personalmangel der Justiz, der die Ausnahme der Übertragung solcher Entscheidungen an Einzelrichter*innen zur Regel macht, wirkt sich in diesem Fall besonders verheerend aus. Denn gerade bei einer Thematik, die unmittelbar das NPD-Verbotsverfahren berührt, hätte es der kollektiven Weisheit aller drei Richter*innen bedurft. – Der Beschluss des Landgerichts Dresden bestärkt leider alle berechtigten und unberechtigten Vorurteile gegen Teile der Justiz in Sachsen und in seiner Landeshauptstadt, die zurzeit im Umlauf sind. Leider gibt es zu dieser einstweiligen Verfügung keine Begründung. Ich bin sehr gespannt zu erfahren, was den entscheidenden Richter zur Einschätzung brachte, dass es sich um eine falsche Tatsachenbehauptung handelte.“

In so einer Situation ist es ein Zeichen, wenn das Sächsische Wissenschaftsministerium zu der Schlussfolgerung kommt, dass die Erforschung der fremdenfeindlichen Umtriebe in Sachsen eigentlich forciert werden muss. Und zwar in einem richtigen Netzwerk, in das nicht nur das Hannah-Arendt-Institut eingebunden wird. Das natürlich ganz zentral. Und damit auch Dr. Steffen Kailitz, der das Projekt leiten soll.

Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange: „Die Flüchtlingsforschung in Deutschland ist noch lückenhaft, deshalb brauchen wir dringend Erkenntnisse, wie Integration gelingen kann. Ich begrüße das Ziel des Projektes, Forscherinnen und Forscher sächsischer Universitäten und Forschungsinstitutionen zu Fragen wie Integration von Flüchtlingen, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in ein interdisziplinäres Netzwerk einzubinden. So können Forschungsaktivitäten gebündelt und langfristig gemeinsame Projekte entwickelt werden.“

Angesiedelt werden soll das neue Forschungsnetzwerk Integrations-, Fremdenfeindlichkeits- und Rechtsextremismusforschung in Sachsen (IFRiS) direkt am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung (HAIT). In dem in dieser Form bisher einmaligen Verbund kooperieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des HAIT sowie der Universitäten Dresden, Chemnitz und Leipzig.

Entsprechend des regulären Förderverfahrens erfolgte zunächst eine externe wissenschaftliche Begutachtung des Konzepts, welche insgesamt mit dem Urteil „sehr befürwortet“ abgeschlossen wurde, teilte das Wissenschaftsministerium am Dienstag, 7. Juni, mit. Das Ministerium unterstützt das Vorhaben in Form einer Anschubfinanzierung bis Ende 2016 mit rund 60.000 Euro.

Das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst fördert außerdem den Aufbau eines Zentrums für Integrationsstudien (ZfI) an der TU Dresden. Die Einrichtung arbeitet seit April 2016 und erforscht die Anforderungen an Sprache, Kultur und soziale Praxis für eine erfolgreiche Integration als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das Zentrum will aus den gewonnenen Erkenntnissen konkrete Instrumente wie forschungsgestützte Integrationskurse, Zertifikate der politischen Bildung und interkulturellen Pädagogik ableiten.

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Keine Kommentare bisher

Sachsen als Land (Freistaat) unterstützt das IFRIS.
Aha.
Wäre es dann nicht schon eine sehr nötige Unterstützung in Sachsen solche befangenen Richter und andere Befangene in Entscheidungspositionen aus dem Verkehr zu ziehen? Und wenn man schon dabei ist, dann auch gleich Teile der Regierung mit rausschmeißen, und zwar die, die sich den *Gidas anbiedern, offen und auch bei Treffen in Hinterzimmern. Das wäre endlich mal eine ehrliche Politik und ein Bekenntnis zum Grundgesetz

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